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Zürcher Kunstgesellschaft [Hrsg.]
Neujahrsblatt / Zürcher Kunstgesellschaft — 58.1898

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Professor Ernst Gladbach
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https://doi.org/10.11588/diglit.43117#0011
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PROFESSOR ERNST GLADBACH.

An einem sonnigen Herbsttage vor bald zwanzig Jahren stieg ein junger Gymnasiast
mit etwas klopfendem Herzen zur Kirche Fluntern empor. Er wollte Professor Glad-
bach aufsuchen, von dem er gehört hatte, dass er ein berühmter Mann sei, — und
berühmte Männer waren ihm bisher nur wenige begegnet. Er hatte sie meist nur im
Rathaussaale von weitem gesehen, und der Begriff von schwarzem Rock, weisser Kra-
vatte und höchst gelehrten Reden haftete daran. Ein kleines Häuschen, gleich oberhalb
der Kirche Fluntern, wurde ihm als das des Professors gewiesen; sehr einfach, aber
sauber und mitten in blühendem Gärtchen. Astern prangten in allen Farben in wohl-
gepflegten Beeten, zwischen denen sich eine sympathische Frau mit schönen Augen zu
schaffen machte. Das alles sah so sonnig und heiter aus, dass es ihm schon leichter
um’s Herz wurde. Auf seine Frage nach dem Professor wies ihn die Frau freundlich ins
Haus. Ein enges Treppchen führte zum Studierzimmer empor. Auf das «Herein»
öffnete er die Türe, sah aber gar nichts — ein beissender Tabaksqualm schlug ihm
entgegen und erfüllte das Zimmer mit dichtem Nebel. «He holla, guter Freund», rief
es aus der Wolke heraus, «warten Sie ein bischen, ich mache das Fenster auf, es wird
gleich besser!» Ein Durchzug entstand, und aus dem Nebel tauchte eine lange, magere
Gestalt auf, im Schlafrock und mit langer Pfeife, aus der es beständig qualmte. Der
Professor begrüsste ihn aufs freundlichste, nötigte ihn auf das winzige Kanapee, das
trotz seiner Kleinheit die Hälfte des Zimmers ausfüllte, und war sogleich bereit, sein
Begehren nach Privatstunden in Zeichnen und Perspektive zu erfüllen. Auf dem Tische,
der gerade an der andern Seite des Zimmers noch Platz hatte, lag ein Reissbrett mit
der angefangenen Zeichnung eines Schweizerhauses; ohne lange Umstände nahm er es
 
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