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Zürcher Kunstgesellschaft [Hrsg.]
Neujahrsblatt / Zürcher Kunstgesellschaft — 1905

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Konrad Grob
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https://doi.org/10.11588/diglit.43209#0008
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Über seine bittern Jugendjahre und seinen Entwicklungsgang
hat er oft und gerne gesprochen, auch verschiedentlich Aufzeich-
nungen darüber gemacht. Sie sind in ihrer einfachen Art so charak-
teristisch geschrieben, dass es am besten ist, über diese Zeit Grob
selbst zu Worte kommen zu lassen J).
„Ich wurde am 3. September 1828 in Andelfingen (Kanton Zürich)
geboren. Meine Kinder- und Schuljahre verlebte ich in Veltheim bei
Winterthur, wo mein Vater ein kleines Gewerbchen besass. Wie
Lienhard in Pestalozzis berühmtem Volksbuch war auch mein Vater
ein herzensguter Mann, sah aber auch wie jener zu gern ins Wein-
glas. Veltheim war, wie viele unserer Dörfer und Städte, von Pinten-
schenken umstrickt, und oft, wenn der Vater, Haue oder Karst auf
der Schulter, zur Arbeit schritt, rief es aus einer Wirtschaft heraus:
,Grob, magst nid au ä Schöppli?', und nur zu häufig siegte die Ver-
suchung. Die Folge davon war, dass das Weingeld, die Hauptein-
nahme des Zürcher Bauers, zumeist in den Säckel der Wirte floss,
und wir selbst fast an den Bettelstab gebracht wurden. Dazu trank
der Vater, wie man zu sagen pflegt, bösen Wein, so dass die Mutter
und ich — grösser war die Familie nicht — darunter viel zu leiden
hatten.
„Eines Morgens ging ich betrübt zur Schule; ich wusste, dass an
jenem Tage die Fallit-Bekanntmachung über meinen Vater an des
Pfarrers Waschhaus angeschlagen wurde — ein Ort, wo die Gemeinde-
und Polizeierlasse angebracht wurden. Ich wusste, dass nach der
Schule die Schulkinder da stehen bleiben werden, um unser Elend
zu lesen. Um diese Erniedrigung so viel als möglich von mir abzu-
wenden, war ich nach Schulschluss der erste aus der Schulstube,
sprang an jenes Papier hinauf und riss es herunter. Jetzt wäre ein
solches Vergehen nicht mehr möglich, da solche amtlichen Erlasse
durch ein Drahtgitter geschützt werden.
„Wenn dann das Brod mangelte, suchte der kleine ,Grobli‘,
dessen Lust zum Pinseln früh zutage trat, etwas zu verdienen. Da
malte ich denn Buchzeichen, Hausnummern, Namen auf Säcke usw.
Einmal malte ich solche für einen Alt-Leutnant E., die aber nicht

i) Grobs Selbstbiographie wurde zuerst publiziert in der „Neuen Zürcher
Zeitung“ vom 9. September 1885 durch L.
Die gleiche von Grob selbst etwas erweiterte Biographie wurde nach
seinem Tode im Sonntagsblatt des „Neuen Winterthurer Tagblattes“ von
J. Enderli herausgegeben.
 
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