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Zürcher Kunstgesellschaft [Editor]
Neujahrsblatt / Zürcher Kunstgesellschaft — 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.43225#0025
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Ausstellung ein Kommissionsmitglied auf ihn zutritt, ihn zu
seinen Bildern beglückwünscht, sich als Richard Kisling vor-
stellt, den Entschluß kundgibt, einige Bilder zu kaufen, ihn in
sein Haus einlädt und ihn mit seinen Angehörigen, vor allem
dem alten Vater, bekannt macht. Als Hausfreunde, wie er selber
von dieser Stunde an es nun ist, trifft Giacometti dort Amiet,
Hodler und «den Jüngling Rüegg». Mit Hodler hatte, wie mit
Trachsel, der zeitweise in Genf wohnende Bruder das erste
persönliche Zusammentreffen vermittelt. Amiet und seine Frau
wurden wie Giacometti aus dem Künstlerhaus geholt, als sie
dort vor einer Ausstellung miteinander Bilder herumstellten und
abstaubten. Der «Jüngling Rüegg» fand in den ersten Jahren,
da er als schlanker Träumer seine Federzeichnungen und Radie-
rungen voll Heimweh und klingender Sehnsucht, und seine
kleinen Ölbildchen, von Zweidlen in die Stadt brachte, an der
Münstertreppe einen für jede neue Arbeit empfänglichen Gönner
und fast etwas wie eine Stadtheimat.
So sehr Richard Kisling gewiß beruhigte Sicherheit und
Geborgenheit im vertrauten Kreis zu schätzen wußte, seine
«Neugierde» im edelsten Sinn — Curiosite wäre das eigentliche
Wort — war doch stärker als die Lust am Beharren, und stets
lebendig über das unmittelbar Nahe und Gegenwärtige hinaus
in die Weite gerichtet. So rückten neben den guten alten Freun-
den immer neue, jüngere heran; nach einem Idylliker wie Rüegg,
nach Amiet und Giacometti auch Männer, die auf der Lein-
wand und mit dem Worte zu ganz andern Sprachen sich be-
kannten. Er horchte auf sie, weil er Neues, ebenso Bedeutsames
in ihnen vernahm und zögerte nicht, seine Sammlung auch mit
ihren Arbeiten zu bereichern, in seine menschliche Anteilnahme
auch sie einzuschließen. Er fühlte wohl mehr mit dem ganzen
Künstler als mit dem einzelnen Werk, empfand die treibenden
Kräfte stärker als die abgeschlossene Leistung und war glück-
lich, weil er im Kunstwerk wie im Künstler nicht nur sah und
genoß, was gelöst und bemeistert vor Augen liegt, sondern auch

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