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unerschütterlichen Grund in einer reinen und aufrichtigen Frömmigkeit, die ihm von früher
Jugend an eigen geworden war. Seine Ueberzeugung siand fest, daß sein gegenwärtiges
Wirken bloß als Vorbereitung auf einen künftigen, höhern Zustand zu betrachten sey.
Wenige Wochen vor seinem Krankenlager machte er in Gesellschaft seines geliebten
Schülers S" eine kleine Wanderung nach Kyburg. Es war ein schöner Sommerabend;
im Glanze der sinkenden Sonne erglühten die Wälder und Gefilde, und die entfernten
Gebirge umflorte ein sanfter Nebel. Lehrer und Schüler ergossen sich wechselsweise in
lautes Lob der Schönheiten der Natur. Auf dem Rückwege sagte Maurer zu seinem jungen
Freunde: „Das war ein herrlicher Abend! und mir ist so wohl ums Herz, wie- wenn-
„dieß der letzte Sonnenuntergang wäre, den ich in diesem Leben gesehen habe!" — Es war
wirklich ft. Heftige Blnsibeschwerdeu, als Anzeigen einer gefährlichen Wassersucht, mehrten
sich täglich in ft hohem Grade, daß sein Leben in Gefahr stand, und die heftigen Krämpfe nur-
durch die Sorgfalt des Arztes vermindert werden konnten. In diesem scheinbar sich bessern-
den Zustande schrieb er noch an seinen frühesten Jugendfreund, Herrn Decan Schinz im
Fischenthal: „Das erste Mahl, daß ich wieder die Feder zur Hand nehme, ist dieser
„Augenblick, in welchem ich Dich, mein lieber Freund, im neu geschenkten Leben begrüßen
„wollte. Du hast es von den Meinigen schon vernommen, wie nahe es mit meinem
„Lebensfaden daran war, daß er abgeschnitten werden sollte, und ich wäre nicht nur völlig
„darauf gefaßt gewesen, sondern wäre auch gern gestorben! Aber es scheint, Gott wolle
„ mich noch zu Mehrerem aufbehalten, und ich will mich auch darein ergeben, wenn ich nur
„ wieder die völlige Gesundheit erlangen kann! "
Dieß war die letzte aufglimmende Lebenshoffnung. Bald versank er in stündlich zuneh-
mende Todesschwäche; aber mit heitrer Seele und einem freudigen Blick in die Zukunft, die
ihn umgebenden Seinigen segnend, entschlief er am siebenten November »822 im acht und
vierzigsten Lebensjahre. — Ehre und Liebe seinem Andenken!
unerschütterlichen Grund in einer reinen und aufrichtigen Frömmigkeit, die ihm von früher
Jugend an eigen geworden war. Seine Ueberzeugung siand fest, daß sein gegenwärtiges
Wirken bloß als Vorbereitung auf einen künftigen, höhern Zustand zu betrachten sey.
Wenige Wochen vor seinem Krankenlager machte er in Gesellschaft seines geliebten
Schülers S" eine kleine Wanderung nach Kyburg. Es war ein schöner Sommerabend;
im Glanze der sinkenden Sonne erglühten die Wälder und Gefilde, und die entfernten
Gebirge umflorte ein sanfter Nebel. Lehrer und Schüler ergossen sich wechselsweise in
lautes Lob der Schönheiten der Natur. Auf dem Rückwege sagte Maurer zu seinem jungen
Freunde: „Das war ein herrlicher Abend! und mir ist so wohl ums Herz, wie- wenn-
„dieß der letzte Sonnenuntergang wäre, den ich in diesem Leben gesehen habe!" — Es war
wirklich ft. Heftige Blnsibeschwerdeu, als Anzeigen einer gefährlichen Wassersucht, mehrten
sich täglich in ft hohem Grade, daß sein Leben in Gefahr stand, und die heftigen Krämpfe nur-
durch die Sorgfalt des Arztes vermindert werden konnten. In diesem scheinbar sich bessern-
den Zustande schrieb er noch an seinen frühesten Jugendfreund, Herrn Decan Schinz im
Fischenthal: „Das erste Mahl, daß ich wieder die Feder zur Hand nehme, ist dieser
„Augenblick, in welchem ich Dich, mein lieber Freund, im neu geschenkten Leben begrüßen
„wollte. Du hast es von den Meinigen schon vernommen, wie nahe es mit meinem
„Lebensfaden daran war, daß er abgeschnitten werden sollte, und ich wäre nicht nur völlig
„darauf gefaßt gewesen, sondern wäre auch gern gestorben! Aber es scheint, Gott wolle
„ mich noch zu Mehrerem aufbehalten, und ich will mich auch darein ergeben, wenn ich nur
„ wieder die völlige Gesundheit erlangen kann! "
Dieß war die letzte aufglimmende Lebenshoffnung. Bald versank er in stündlich zuneh-
mende Todesschwäche; aber mit heitrer Seele und einem freudigen Blick in die Zukunft, die
ihn umgebenden Seinigen segnend, entschlief er am siebenten November »822 im acht und
vierzigsten Lebensjahre. — Ehre und Liebe seinem Andenken!