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Neumeyer, Alfred; Cézanne, Paul
Paul Cézanne, die Badenden: Einführung — Werkmonographien zur bildenden Kunst in Reclams Universal-Bibliothek, Band 38: Stuttgart: Reclam, 1959

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https://doi.org/10.11588/diglit.62838#0037
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sich in einem geschlossenen System von Tonbeziehungen
entwickelt. Dadurch auch verlieren die Umrandungen
ihren Charakter als schwarze Linien und werden selber
zu Farbelementen, die dem Blau benachbart sind. Das
war es, was der Meister meinte, wenn er zu Bernard
sagte: „Je mehr sich die Farbe harmonisiert, desto mehr
präzisiert sich die Linie.“ Indem das Blau aber von der
grün-gelben Basis aufsteigt und nach dem Rot hin in Be-
wegung ist, indem weiterhin jeder Pinselstrich Bewegt-
heit zum Ausdruck bringt, wohnt dem Bilde auch etwas
Jagendes und Stürmisches inne, das über die Fixierung
der sichtbaren Gestalt aufs Strömende des schaffenden
Geistes und auf das Unfaßliche der aus dem Weltgrund
aufsteigenden Erscheinung hinweist. Um den höchsten
Grad der Realisierung (realisation) wird gerungen, aber
die eigene Realität ist Cezanne seit je eine ungewisse,
stets ihm entgleitende, immer wieder fragwürdige ge-
wesen, für die der sichere Grund nur im schaffenden Be-
gegnen mit der Welt gefunden werden konnte. Auch
davon ist im Widerspruch von Reiz und Ruhe, in der
Blauheit dieses Bildes und seiner Bilder etwas ein-
gegangen.
Jetzt können wir verstehen, warum sich Cezanne vor
den „Badenden“ hat photographieren lassen. Gerade
mit einem solchen Bilde konnte er demonstrieren, was er
meinte, wenn er, der Zaghafte, an einen jüngeren Freund,
Joachim Gasquet, zu schreiben wagte: „Vielleicht bin ich
zu früh geboren. Ich bin mehr der Maler Ihrer Genera-
tion, denn der meinigen.“
In diesem programmatischen Bild wird der Durchblick
in die Kunst der nachfolgenden Generationen in der Tat
freigelegt. Indem wir das Wort „Durchblick“ benutzen,
können wir gerade mit seiner Hilfe eine Sicht auf Ver-
gangenheit und Zukunft gewinnen. Ein englischer Autor,
R. H. Wilenski, hat das Bild mit Raffaels „Schule' von

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