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Nuhn, Anton
Beobachtungen und Untersuchungen aus dem Gebiete der Anatomie, Physiologie und practischen Medicin (Band 1) — Heidelberg, 1849

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https://doi.org/10.11588/diglit.3134#0015
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I. Aus dem Gebiete der normalen Anatomie: lieber die Anfänge der Saugadern in den Darmzotten.

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tungen, wobei man, unbekümmert um die Ansicht dieses oder jenes Forschers, nur die Ermittelung der nackten Wahrheit sich zur Aufgabe
macht, kann die oben aufgestellte Frage über das Verhalten der Anfänge der Chylusgefässe ihrer wirklichen Entscheidung entgegen ge-
bracht werden. Bisher huldigte ich der Ansicht Derjenigen, die behaupten, dass die Chylusgefässe in den Zotten mit blind geschlossenen
und kolbig erweiterten Anfängen entspringen. Ich hatte zwar mehrmals in Selbstmördern die Chylusgefässe mit Chylus gefüllt schon ange-
troffen, auch das centrale Stämmchen in einzelnen Zotten eine Strecke weit mit demselben angefüllt gefunden; indess nie gelang es mir, die
Art des Anfangs an der Zoltenspitze wahrzunehmen. Da nun die Beobachtungen Derjenigen, die angeben, dass das centrale Chylusgefäss
in der Zette blind und meistens blasig erweitert ende, mit vieler Bestimmtheit erzählt sind, auch die Beobachter selbst zu den ausgezeichnet-
sten unseres Faches gehören, somit das grösste Vertrauen in Betreff dessen, was sie gesehen zu haben behaupteten, mir zu verdienen schie-
nen, so schloss ich mich auch um so lieber ihrer Ansicht bisher an, obschon es mir stets auffallend erschien, dass die Saugadern, die in
allen Körperteilen nur netzförmig beginnen, hier in den Zotten allein eine Ausnahme machen sollten; es erschien mir dies um so auffallen-
der, als man einen netzförmigen Ursprung in den Darmzotten für das Geschäft der Aufsaugung selbst noch vertheilhafter und zweckmässiger
halten musste, als einen einfachen, blind abgeschlossenen Anfang. — Erst in diesem Frühjahr bot sich mir in der Leiche eines Erhängten,
in dem die Chylusgefässe des grössern Theils des Dünndarms sehr schön mit Chylus noch gefüllt waren, die Gelegenheit dar, mich über das
wirkliche Verhalten der Anfänge der Chylusgefässe zu unterrichten. Ich will in Nächstfolgendem das mittheilen, was mich die nähere Unter-
suchung hier lehrte.

Die Chylusgefässe der Dünndarmschleimhaut waren anf das vollkommenste mit geronnenem Chylus gefüllt und bildeten die zierlichsten
Netze. Ich hätte mir gerne von diesem schönen feinmaschigen Saugadernetz eine Zeichnung genommen, wenn ich den hierzu nöthigen Grad
Fertigkeit im Zeichnen besessen hätte oder ein geschickter Zeichner mir zur Hand gewesen wäre. Die bei weitem meisten Zotten waren
ganz von Chylus angefüllt, so dass sie wie weisse Keulen sich ausnahmen (Fig. 14. a.). Anfänglich wusste ich nicht recht, wie ich dies deu-
ten sollte. Im weitern Verlaufe der Untersuchung überzeugte ich mich aber deutlich, dass hier der Chylus aus dem Chylusgefäss der Zotte
in die ganze Substanz derselben extravasirt war. Denn an vielen derartigen Zotten sah man an der Basis derselben deutlich das Chylusge-
fässstämmchen eine grössere oder kleinere Strecke weit in die Zotte eindringen (Fig. 14. d.); hier und da traf man auch Zotten, die nur
zur Hälfte oder zu drei Viertheilen mit dem Chylusextravasat angefüllt waren und dadurch das Chylusgefässstämmchen an der Zottenwurzel
noch bestimmter wahrnehmen Hessen (Fig. 11 12). Manchmal sah in solchen mit Chylus angefüllten Zotten in deren mittlerem Theil oder
selbst gegen das stumpfe Ende derselben hin noch ein Stück des Chylusgefässstämmchens deutlich durch. Am schönsten indess sah ich die
Entstehungsweise des Chylusextravasats in einer Darmzotte, in deren Spitze das Chylusgefäss geplatzt war und wo man deutlich sah, wie
der ausgetretene Chylus in die Substanz der Zoltenspitze sich ausbreitete (Fig. 10). — Die Extravasätion des Chylus aus den Chylusge-
fässen in die Substanz der Darmzotten, sowie überhaupt die so vollständige Anfüllung der Chylusgefässe des Darms, scheint mir durch die
beim Erhängen stattfindende plötzliche Sperrung des Blutumlaufs, in Folge dessen auch der Chylus verhindert wird, in die zu sehr angefüll-
ten Blutgefässe einzufliessen und dadurch genöthigt wird, in den Chylusgefässen sich mehr anzusammeln, bedingt zu sein. Darin liegt wohl
auch der Grund, dass man solche schöne Anfüllung der Chylusgefässe hauptsächlich nur in Leichen von Erhängten oder etwa auch Ersäuf-
ten antrifft, nicht aber in den Leichen solcher, die an einer mit starkem Blutverluste verbundenen Verwundung gestorben sind. —

Manchmal sali ich auch Zotten, in denen längs den Seitenrändern weisse körnige Streifen von geronnenem Chylus hinzogen, die am stumpfen
Ende der Zotte hie und da auch zusammenflössen (Fig. 15). Ich weiss nicht recht, für was ich diese Streifen ausgeben soll. Das Ganze nahm
sich aus, wie wenn in der Mitte der Zotte ein an der Spitze dieser sich blind abschliessender weiter Kanal befände, der mit Chylus gefüllt
gewesen, nachher aber wieder bis auf einige Körnchen, die an dessen Seitenrändern anhängen blieben, sich entleerte. Da jedoch dieser
Kanal dem Aussehn nach fast die ganze Breite der Zotte einnehmen würde, ein so weiter Kanal aber nicht existirt, so ist diese Deutung
jedenfalls unrichtig. Man könnte nun auch denken, dass diese Streifen zwei Randgefässe der Zotten wären, die am stumpfen Ende dieser
schlingenförmig zusammenflössen. Man könnte dieses um so eher annehmen, als mehrere Forscher wirklich solche Randgefässe, die an der
Zoltenspitze schlingenförmig sich verbinden, als eine normale Anordnung angeben. Aber demungeachtet glaube ich nicht, dass diese Streifen
Chylusgefässe waren. Denn zugegeben, dass hie und da, namentlich in sehr breiten Zotten, statt einem centralen Chylusstämmchen, wirklich
auch zwei Stämmchen hervorkommen und diese dann mehr am Rande der Zotte verlaufen, so bilden diese jedenfalls an der Zottenspitze nicht
eine einfache Schlinge, sondern, wie wir weiter unten sehen werden, ein Netz. Aber es nahmen auch diese Streifen sich überhaupt nicht
wie Gefässe aus, sie hatten nicht das Aussehen, als wenn die sie bildenden Chyluskörnchen von einer Wandung umschlossen wären. Am
wahrscheinlichsten ist mir folgende Deulung. Ich glaube nämlich, dass die wenigen mit diesen Streifen versehenen Zotten auch mit extrava-
sirtem Chylus gefüllt waren, dieser aber vor seinem Gerinnen aus der Zotte sich wieder entleerte, indem der Chylus in den nächsten Saug-
aderstämmchen der Darmwandung und des Mesenteriums vielleicht einen Augenblick wieder in Fluss kam und dadurch sowohl der im cen-
tralen Zottengefäss noch enthaltene, als auch der dem letztern zunächst gelegene exlravasirte Chylus durch das geplatzte Chylusstämmchen
seinen Abfluss nahm, dabei aber die von der Mitte d. h. von der Abzugsslelle entfernter gelegenen, nämlich dicht an den Seitenrändern
befindlichen Chylustheilchen hier sitzen blieben und so diese Streifen an den Zottenrändern zurückliessen. Dafür spricht auch, dass diese Strei-
fen nur nach aussen eine schärfere Grenze hatten, nach der Mitte der Zotte aber allmählich sich verwischten.

Was nun die Anordnung der Zotlenchylusgefässe selbst anbelangt, so hat mich die Untersuchung hierüber gelehrt, dass dieselben in
der stumpfen Zottenspitze ein Netz bilden, aus dem meistens ein Stämmchen hervorgeht, das in der Mitte der Zotte nach der Wurzel der
letztern läuft, um in das Saugadernelz der Schleimhaut des Darms überzugehen. Gewöhnlich läuft das Chylusgefässstämmchen gestreckt oder
nur ganz leicht gewunden durch die Zotte; nur in seltenen Fällen hat es einen korkzieherähnlichen Lauf (Fig. 8). In Fig. 5 und 6 sieht

Nuhn: Beobachtungen und Untersuch, a. d. Gebiete der Anatomie etc. 1. HcU;. o
 
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