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Paulus, Eduard [Hrsg.]; Hartmann, ... [Red.]
Beschreibung des Königreichs Württemberg (Band 55): Beschreibung des Oberamts Brackenheim: mit drei Tabellen, einer Karte des Oberamts, drei lithogr. Ansichten und einem Grundriß — Stuttgart, 1873

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https://doi.org/10.11588/diglit.11584#0104
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88 Stamm und Eigenschaften der Einwohner.

speist wird. Die oft zu sehr beliebten Getränke sind Wein, Most
und Bier; auch der Genuß des Branntweius ist ziemlich verbreitet
und dessen schädliche Folgen gehören nicht zu den Selteuheiten.

Die-solide Volkstracht weicht in den verschiedensten Uebergängen
täglich mehr einem geschmacklosen Gemengsel von ländlichem und
ftädtischem Anzug. Die frühere Kleidung der Männer, bestehend in
einem dunkelblauen Rock, dreispitzem Hut, gelber Lederhose und
Scharlachbrusttuch mit Rollknöpfen trifft man nur selten noch bei
älteren Männern, am häufigsten noch in Hausen a. d. Z.; an die
Stelle der gelben Lederhose ist die einfache lange Tuchhose und an
die des Scharlachbrusttuchs die Manchester- oder Tuchwefte getreten,
dagegen haben sich der dreispitze Hut und der blaue Tuchrock bei
den älteren Männern am meisten noch erhalten, während bei den
jungen Männern und ledigen Vurschen die tuchene Stälpkappe den
dreispitzen Hut und die pelzverbrämte Sammtmütze beinahe ganz ver-
drängt hat; auch der blaue Tuchrock hat häufig dem tuchenen Wamms
weichen müssen. Bei dem weiblichen Geschlecht ist die moderne Tracht
noch allgemeiner geworden, doch trifft man immer noch, namentlich
-in Hausen a. v. Z., Schwaigern w., das solide dunkle Luchkleid,
das schwarzseideue Mieder, das kleidsame dentsche Häubchen und als
Schmuck die Granatenschnur (sog. Granatenuoster). Jn Frauen-
zimmern tragen die Weiber meist dunkle, vielgesältelte Tuchröcke, seidene
Schürzen und Florhauben. Jn Stockheim zeichnet sich das weibliche
Geschlecht durch eineu buntsarbigeu Anzug besonders aus.

Eigenthümliche Gebräuche uud allgemeine Volksbelustigungen
werden immer seltener und das srüher übliche Eierlesen besteht nur
noch in Güglingen; daselbst werden einige Tage vor dem Oster-
montag, an dem diese Volksbelustigung stattfindet, von den ledigen
Burschen Eier bei den Bauersleuten der Umgegend gesammelt und
diese alsdann am Tage des Festes auf einer sreien Wiese je einige
Schritte von einander entsernt in gerader Linie fortgelegt. Ein
lediger Bursche sammelt alsdann die Eier und während der Zeit des
Sammelns muß ein anderer Bursche nach Pfaffenhofen lausen und
Bretzeln holen; wenn dieser zurückkehrt bevor der Sammler fertig
ist, so hat er die Wette gewonnen, im andern Fall verloren. Nach-
dem der Wettlauf vorüber ist, werden die Bretzeln unter die Zuschauer
geworfen, die Eier aber gebacken und von den jungen Leuten gemein-
schaftlich verspeist; ein fröhlicher Tanz macht den Schluß des Festes
(s. auch Klunzinger, Geschichte des Zabergäus III. S. 130). Jn
Neipperg kam das Eierlesen in den 20ger Jahren das letztemal vor.

Der Tanz wird immer seltener und kommt hauptsächlich nur
noch an Kirchweihen, weniger an Märkten und Hochzeiten vor; letztere
werden meist still im Hause der Braut mit einem Mahl, wozu die
Verwandten und Freunde geladen werden, abgehalten. Jn Schwai-
 
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