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Obergfell, Emil
Die Problematik der Subjektivitaet in der politischen Tagespresse — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.53464#0067
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II. Von der Möglichkeit einer Objektivität der Presse

Wir sind an einem Punkt angelangt, wo die Problematik des Darstn-
Themas mit aller Nachdrücklichkeit andrängt, und wir haben, aus der e?"?g<r
bis jetzt vorwiegenden Beschreibung der Phänomene heraustretend, Auffaff»»-
nunmehr den Weg zu grundsätzlichen Entscheidungen zu suchen. Ein
Blick in die Literatur, soweit sie auf die vorliegenden Probleme bei
Gelegenheiten zu sprechen kommt, läßt sehr unbefriedigt. Es finden
sich nur Andeutungen, Ansätze, noch mehr Unausgedachtheiten und viele
Widersprüche der Autoren bei sich selbst und unter sich. Während die
Extremen der einen Seite das Recht auf weitestgehenden Subjektivis-
mus bis zur Glaubensgrenze der Leser zugestehen oder gar postulieren,
erheben die Extremen der Gegenseite die beschwörende Mahnung der
Ethik, unter keinen Umständen die Grenzen strengster Objektivität zu
überschreiten. Beispielsweise verlangt P. Leuzinger') in ihrem Sinne,
daß die Presse „den Gegner so reichlich als möglich zu Worte kommen
lasse", dies sei „das einzige Mittel, der Wahrheit zu dienen." Man
könnte, wenn man einen Augenblick auf diese weitgehende Forderung
eingehen will, gleich Anstoß nehmen an der sehr vieldeutigen Kondi-
tionalität der Wendung: „so reichlich als möglich" und fragen: von
welchem Standpunkt aus „möglich"? Vom technischen der räumlichen
Fassungskraft der Zeitung, vom Standpunkt des Lesers, wieviel ihm
zuzumuten sei, vom Standpunkt des Redakteurs, wieweit den Gegner
zu Wort kommen zu lassen aus einem der vielen möglichen Gründe
ihm erträglich sei usw. ? So geht es offenbar nicht. Diejenigen Zeitungs-
unternehmen, die versucht haben, aus ihren Blättern eine Art par-
lamentarischer Tribüne zu machen, mit gleicher Redeberechtigung für
Vertreter ganz verschiedener politischer Richtungen, haben kein Glück
gehabt. Wenn die zitierte Forderung gar noch, wie es tatsächlich ge-
schieht, auf die Presse in ihrer Totalität ausgedehnt wird, so entspringt
sie der Vorstellung eines Wunschbildes, das, mindestens vorläufig,
soziologisch nicht realisierbar ist.
l) Ethik^H., S. 219.

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