zu beeinflussen. Mehr noch als vielleicht die deutsche Presse, je-
denfalls viel einheitlicher dient sie z. B. der nationalpädagogischen
Idee der Erziehung des Lesers „zum Zeitgenoffen, zum Bürger,
zum Sozialgeschöpf", wie L. v. Wiese') gelegentlich die Erzieh-
ungsaufgabe der Presse formulierte. Sie tut das mit beträchtlichem
und beneidenswertem Erfolg, mag uns wohl auch manches in den
Methoden flach erscheinen. Jener Gegenüberstellung von „informieren"
und „erziehen" muß also eine andere Vorstellung von „erziehen" zu-
grundeliegen. Es ist gemeint, daß die europäische und - müssen wir
hinzufügen - besonders die deutsche Presse, seit diese „Meinungs-
presse" geworden ist, den Leser im Sinne einer bestimmten politi-
schen Programmatik kontinuierlich zu beeinflussen, für eine bestimmte
politische Ideologie zu gewinnen sucht. Mit diesem Anspruch seiner
Presse findet sich der deutsche Leser nicht nur ab, sondern er ist im
allgemeinen durchaus mit ihm einverstanden. Er hat ja, wie schon
oft festgestellt worden ist, sogar die rein verlegerisch-geschäftlich auf-
gezogene Presse gezwungen, ein bestimmtes politisches Bekenntnis,
wenn dieses auch oft sehr allgemeinen und schwankenden Charakters
ist, anzunehmen.
Wie ist es aber nun um die pädagogische Führung in Wirklichkeit
bestellt? Ist für sie überhaupt Raum und Möglichkeit vorhanden,
wenn die Zeitung sich doch mit dem Leser auf ein „gleiches Niveau"
stellt, stellen muß, um zu wirken? Und ist es nicht auch, im Prinzip zum
mindesten, richtig, daß es die Massen sind, die bestimmen, was die
Zeitung schreiben soll? Zum letzten ist zu sagen, daß die Presse außer
der Aufgabe, das Maffenempfinden, die öffentliche Meinung der
Gruppen insbesondere, für die sie schreibt, abzuspiegeln, ja noch be-
tonterweise die andere wahrnimmt, öffentliche Meinung zu bilden
und zu formen. Die Einstellung auf die gleiche Ebene, auf ein „glei-
ches Niveau" ist zunächst ja nur eine Voraussetzung pädagogisch-
methodischer Art, um überhaupt Zugang zum Leser, in seinen
Vorftellungskreis, zu finden. Denn die geistige Bearbeitung von
Menschen ist nicht nur eine geistige, sondern auch eine psychologische
Aufgabe. Das Verhältnis des Publizisten zum Publikum ist „ein
i) L. v. Wiese, Die Presse, in: Soziologie des VolkSbildungSwesenS, Leipzig 1921,S. 4ZZ.
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denfalls viel einheitlicher dient sie z. B. der nationalpädagogischen
Idee der Erziehung des Lesers „zum Zeitgenoffen, zum Bürger,
zum Sozialgeschöpf", wie L. v. Wiese') gelegentlich die Erzieh-
ungsaufgabe der Presse formulierte. Sie tut das mit beträchtlichem
und beneidenswertem Erfolg, mag uns wohl auch manches in den
Methoden flach erscheinen. Jener Gegenüberstellung von „informieren"
und „erziehen" muß also eine andere Vorstellung von „erziehen" zu-
grundeliegen. Es ist gemeint, daß die europäische und - müssen wir
hinzufügen - besonders die deutsche Presse, seit diese „Meinungs-
presse" geworden ist, den Leser im Sinne einer bestimmten politi-
schen Programmatik kontinuierlich zu beeinflussen, für eine bestimmte
politische Ideologie zu gewinnen sucht. Mit diesem Anspruch seiner
Presse findet sich der deutsche Leser nicht nur ab, sondern er ist im
allgemeinen durchaus mit ihm einverstanden. Er hat ja, wie schon
oft festgestellt worden ist, sogar die rein verlegerisch-geschäftlich auf-
gezogene Presse gezwungen, ein bestimmtes politisches Bekenntnis,
wenn dieses auch oft sehr allgemeinen und schwankenden Charakters
ist, anzunehmen.
Wie ist es aber nun um die pädagogische Führung in Wirklichkeit
bestellt? Ist für sie überhaupt Raum und Möglichkeit vorhanden,
wenn die Zeitung sich doch mit dem Leser auf ein „gleiches Niveau"
stellt, stellen muß, um zu wirken? Und ist es nicht auch, im Prinzip zum
mindesten, richtig, daß es die Massen sind, die bestimmen, was die
Zeitung schreiben soll? Zum letzten ist zu sagen, daß die Presse außer
der Aufgabe, das Maffenempfinden, die öffentliche Meinung der
Gruppen insbesondere, für die sie schreibt, abzuspiegeln, ja noch be-
tonterweise die andere wahrnimmt, öffentliche Meinung zu bilden
und zu formen. Die Einstellung auf die gleiche Ebene, auf ein „glei-
ches Niveau" ist zunächst ja nur eine Voraussetzung pädagogisch-
methodischer Art, um überhaupt Zugang zum Leser, in seinen
Vorftellungskreis, zu finden. Denn die geistige Bearbeitung von
Menschen ist nicht nur eine geistige, sondern auch eine psychologische
Aufgabe. Das Verhältnis des Publizisten zum Publikum ist „ein
i) L. v. Wiese, Die Presse, in: Soziologie des VolkSbildungSwesenS, Leipzig 1921,S. 4ZZ.
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