Hermann Ginter
tragt hatte. Rasch wuchs der Bau, „die bedeutendste Barockkirche am Bodensee", in die Höhe. In zwei Jahren,
hoffte man, sollte das Werk unter Dach und Fach sein. Die Errichtung der Altäre mit ihrer Plastik, die Fertigung
der Galeriebüsten, der Kreuzwegstationen, der Beichtstühle und des Stuckes erhielt Joseph Anton Feuchtmayer1
in Mimmenhausen übertragen, zu seiner Zeit der fähigste Kopf unter den Plastikern des Bodenseegebietes.
Für die Ausmalung der Kirche und die Fertigung von zwei Seitenaltarblättern holte man den „kaiser-
lichen Hofmaler" Gottfried Bernhard Göz2 in Augsburg. Das sagt die Signierung der Deckenmalerei, das
berichtet auch seit Erscheinen der Festschrift zur Konsekration des Jahres 1750 in knapper Angabe die Literatur.
Daneben existieren aber noch Akten im Karlsruher General-Landesarchiv, die mit ziemlicher Reichhaltigkeit
Material für die Tätigkeit unseres Malers in Birnau enthalten. Sie bringen eine Reihe recht bemerkenswerter
Einzelheiten und verdienen die Publikation. In ihrem Spiegelbilde erleben wir das Werden des großen
Werkes, das zu den vorzüglichsten Leistungen des begabten und vielbegehrten Augsburgers gehört, sehen in
kräftiger Charakterisierung Abt und Künstler, zwei Menschen von Format, vor uns lebendig werden: den
energischen, tätigen, streitbaren Anselm II., der mit seinen Marginalien so oft an den Kardinal Damian Hugo
von Schönborn3, den Erbauer des Bruchsaler Schlosses, erinnert, und ihm gegenüber den Maler mit seinem
frohen, leichten Künstlerblut, seiner Schwäche für ein Gläschen Wein, dem Bauherrn gegenüber der stets
höfliche, dienstbereite Geschäftsmann, der doch wieder sehr wohl seine Rechte zu wahren weiß. Dazu eine
Menge kleiner Details, oft nur ganz fein, und doch vollauf genügend, ein kulturgesrhichtlich recht farbiges,
warmes und blutvolles Bild zu geben.
Von Abt Anselm war unserem Göz die Birnauer Arbeit übertragen worden. Jakob Karl Stander4, der
sich in Konstanz ansässig gemacht und auch für Salem gearbeitet hatte (Kaisersaal), war nicht mehr unter
den Lebenden. Von Franz Joseph Spieglet, 1750 nach Konstanz verzogen, stammten die Malereien unter der
südlichen Orgelempore im Salemer Münster, auch prachtvolle Tafelbilder (1732), die sich heute in den
Gängen des ehemaligen Klosters befinden. Doch war dieser Künstler mit seinem großen Auftrag in Zwie-
falten auf Jahre derartig in Anspruch genommen, daß er für eine größere Sache kaum mehr zu bekommen
war. Franz Ludwig Herrmann, aus der bekannten Kemptener Malerfamilie, hatte sich wohl um die Zeit des
Birnauer Neubaues in Konstanz niedergelassen, um von da in weitem Umkreis eine ungemein fruchtbare
Tätigkeit zu entfalten. Für Salem aber war er damals wohl noch ein Unbekannter. Göz dagegen hatte für
das Kloster schon gearbeitet: aus dem Jahre 1738 stammt das gute Porträt des Abtes Constantin5. Prälat
Anselm muß dazu den Meister geschätzt haben. Es ist doch mehr als bloße Konvention, wenn ein salemisches
Schreiben den Maler als „hochbeliebt und hochgeehrt" bezeichnet. Salem hat ihn auch später wieder
beschäftigt, trotzdem der Birnauer Auftrag einige Differenzen brachte. Der Abt ist es, der ihn dem Konstanzer
Dompropst weiterempfiehlt. Und Göz erhält die Ausmalung im dortigen Dompropsteigebäude, obwohl der
Propst den Künstler in seinen Forderungen als teuer bezeichnet. Offenbar deshalb, weil die Empfehlung von
1 J. A. Feuchtmayer, eines der tüchtigsten Mitglieder aus der bekannten Wessobrunner Stukkatorenfamilie, über
den Verfasser eine Monographie in Vorbereitung hat, starb 74jährig am 2. Januar 1770 zu Mimmenhausen bei Salem. Vgl.
J. Klein, Auf den Spuren der Mimmenhauser Stukkatoren, Birnauer Kalender 1928, Überlingen-Feyel, S. 146 ff.
2 Thieme-Becker, Künstlerlexikon, Band 14, S. 319.
3 Hans Rott, Bruchsal, in Zeitschrift f. Gesch. d. Architektur, Beiheft 11, 1914, passatim.
4 Über ihn und die im Folgenden genannten Konstanzer Barockmaler gibt des Verfassers eben erschienenes Werk
„Südwestdeutsche Kirchenmalerei des Barock" (Augsburg, Dr. Benno Filser-Verlag) Aufschluß.
5 Heute in der Bibliothek in Salem.
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tragt hatte. Rasch wuchs der Bau, „die bedeutendste Barockkirche am Bodensee", in die Höhe. In zwei Jahren,
hoffte man, sollte das Werk unter Dach und Fach sein. Die Errichtung der Altäre mit ihrer Plastik, die Fertigung
der Galeriebüsten, der Kreuzwegstationen, der Beichtstühle und des Stuckes erhielt Joseph Anton Feuchtmayer1
in Mimmenhausen übertragen, zu seiner Zeit der fähigste Kopf unter den Plastikern des Bodenseegebietes.
Für die Ausmalung der Kirche und die Fertigung von zwei Seitenaltarblättern holte man den „kaiser-
lichen Hofmaler" Gottfried Bernhard Göz2 in Augsburg. Das sagt die Signierung der Deckenmalerei, das
berichtet auch seit Erscheinen der Festschrift zur Konsekration des Jahres 1750 in knapper Angabe die Literatur.
Daneben existieren aber noch Akten im Karlsruher General-Landesarchiv, die mit ziemlicher Reichhaltigkeit
Material für die Tätigkeit unseres Malers in Birnau enthalten. Sie bringen eine Reihe recht bemerkenswerter
Einzelheiten und verdienen die Publikation. In ihrem Spiegelbilde erleben wir das Werden des großen
Werkes, das zu den vorzüglichsten Leistungen des begabten und vielbegehrten Augsburgers gehört, sehen in
kräftiger Charakterisierung Abt und Künstler, zwei Menschen von Format, vor uns lebendig werden: den
energischen, tätigen, streitbaren Anselm II., der mit seinen Marginalien so oft an den Kardinal Damian Hugo
von Schönborn3, den Erbauer des Bruchsaler Schlosses, erinnert, und ihm gegenüber den Maler mit seinem
frohen, leichten Künstlerblut, seiner Schwäche für ein Gläschen Wein, dem Bauherrn gegenüber der stets
höfliche, dienstbereite Geschäftsmann, der doch wieder sehr wohl seine Rechte zu wahren weiß. Dazu eine
Menge kleiner Details, oft nur ganz fein, und doch vollauf genügend, ein kulturgesrhichtlich recht farbiges,
warmes und blutvolles Bild zu geben.
Von Abt Anselm war unserem Göz die Birnauer Arbeit übertragen worden. Jakob Karl Stander4, der
sich in Konstanz ansässig gemacht und auch für Salem gearbeitet hatte (Kaisersaal), war nicht mehr unter
den Lebenden. Von Franz Joseph Spieglet, 1750 nach Konstanz verzogen, stammten die Malereien unter der
südlichen Orgelempore im Salemer Münster, auch prachtvolle Tafelbilder (1732), die sich heute in den
Gängen des ehemaligen Klosters befinden. Doch war dieser Künstler mit seinem großen Auftrag in Zwie-
falten auf Jahre derartig in Anspruch genommen, daß er für eine größere Sache kaum mehr zu bekommen
war. Franz Ludwig Herrmann, aus der bekannten Kemptener Malerfamilie, hatte sich wohl um die Zeit des
Birnauer Neubaues in Konstanz niedergelassen, um von da in weitem Umkreis eine ungemein fruchtbare
Tätigkeit zu entfalten. Für Salem aber war er damals wohl noch ein Unbekannter. Göz dagegen hatte für
das Kloster schon gearbeitet: aus dem Jahre 1738 stammt das gute Porträt des Abtes Constantin5. Prälat
Anselm muß dazu den Meister geschätzt haben. Es ist doch mehr als bloße Konvention, wenn ein salemisches
Schreiben den Maler als „hochbeliebt und hochgeehrt" bezeichnet. Salem hat ihn auch später wieder
beschäftigt, trotzdem der Birnauer Auftrag einige Differenzen brachte. Der Abt ist es, der ihn dem Konstanzer
Dompropst weiterempfiehlt. Und Göz erhält die Ausmalung im dortigen Dompropsteigebäude, obwohl der
Propst den Künstler in seinen Forderungen als teuer bezeichnet. Offenbar deshalb, weil die Empfehlung von
1 J. A. Feuchtmayer, eines der tüchtigsten Mitglieder aus der bekannten Wessobrunner Stukkatorenfamilie, über
den Verfasser eine Monographie in Vorbereitung hat, starb 74jährig am 2. Januar 1770 zu Mimmenhausen bei Salem. Vgl.
J. Klein, Auf den Spuren der Mimmenhauser Stukkatoren, Birnauer Kalender 1928, Überlingen-Feyel, S. 146 ff.
2 Thieme-Becker, Künstlerlexikon, Band 14, S. 319.
3 Hans Rott, Bruchsal, in Zeitschrift f. Gesch. d. Architektur, Beiheft 11, 1914, passatim.
4 Über ihn und die im Folgenden genannten Konstanzer Barockmaler gibt des Verfassers eben erschienenes Werk
„Südwestdeutsche Kirchenmalerei des Barock" (Augsburg, Dr. Benno Filser-Verlag) Aufschluß.
5 Heute in der Bibliothek in Salem.
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