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Hock
konnte nicht anders, als diesen Krieg und seine irrsinnigen, verbrecherischen
Anstifter zu verfluchen.“2
Mit letzteren sind unzweideutig Napoleon III. und sein Regime gemeint, das
er von Anfang an scharf abgelehnt hat. Zunächst erfüllt von Genugtuung und
Freude über den Zusammenbruch des Kaiserreichs, gerät er zusehends in große
Besorgnis. Die preußische Art der Kriegführung, die Annexionslust der Deut-
schen erschreckten ihn. Die Beschießung Straßburgs verurteilt er; später wird er
sich strikt gegen die Einverleibung von Elsaß-Lothringen durch Preußen wen-
den, was ihm manche seiner deutschen Freunde nicht verzeihen mögen. Seine
Beobachtungen während des Krieges und seine Meinungen hat er von Baden-
Baden aus als Korrespondent der St. Petersburger Nachrichten (Peterburgskie
Vedomosti) einem breiten russischen Publikum vermittelt.
Auch in seine mehrfachen Karlsruher Aufenthalte hat die neue Ausgabe mehr
Licht gebracht. Wir wissen nunmehr, daß die Residenz für ihn zwei hauptsäch-
liche Anziehungspunkte besaß, nämlich das Großherzogliche Hoftheater und die
Druckerei des Hofbuchdruckers Hasper.
Als Gäste traten die Viardot und einige ihrer schon berühmt gewordenen
Schülerinnen mehrfach am Hoftheater auf. Turgenjew blieb kaum einer dieser
Aufführungen fern. Als im Winter 1868/69 die Familie Viardot für einige Mo-
nate nach Karlsruhe übersiedelte, folgte Turgenjew sofort nach und mietete sich
im Hotel „Prinz Max“, Adlerstr. 33, ein. Das erste Echo: „Karlsruhe ist das
reinste Kloster. Auf den Straßen ist es so still, daß einem ganz ehrfürchtig zu-
mute wird.“ Und bald: „Es gefällt mir sehr gut in Karlsruhe. Ich arbeite hier
etwas mehr als in Baden; einige Male habe ich gut gejagt.“3
Natürlich waren weder er noch die Viardots in Karlsruhe unbekannt, und es
war kein geringerer, der sich mit dem „Jagen“ für die im Tiergartental genos-
sene Gastfreundschaft revanchierte, als der Großherzog. Auch über dieses Jagen
hat Turgenjew in anekdotischer Form brieflich berichtet:
„Ich nahm an einem Massaker von Wildschweinen teil, die in einem Gehege
gehalten werden (beim Großherzog). Ich habe sogar eines geschossen, das dann
ein Piqueur des Großherzogs, der mit watschelndem Gang ankam, mit einem
süßen Lächeln erledigte. Er hat ihm seinen Hirschfänger ins Herz gestoßen, als
reiche er ihm eine Visitenkarte, dann hat er die Schneide, immer weiterlächelnd,
an der noch zitternden Flanke abgewischt. Das hat mich an die Bartholomäus-
nacht erinnert. Ich kam mir vor wie einer, der feige und still einem Mord zu-
sieht. Feige ist das richtige Wort, denn ich befand mich in einer Art hölzernem
Carre, einer Art Kanzel, und die armen Tiere zogen an uns vorbei. Schließlich,
sagte ich mir, muß man auch mal so etwas gesehen haben.“4 Diese Art von Jagd
war also weniger nach dem Geschmack des Verfassers der berühmten „Jägerskiz-
zen“, aber er kam auch auf seine Kosten: „Mit dem ersten Februar . . . haben meine
Jagdabenteuer aufgehört: an jenem Tag habe ich, zum Abschluß des „Pläsier“, 13
Hasen und zwei Rebhühner erlegt.“5
2 Briefe, Bd. 8, S. 260.
3 ebd., Bd. 7, S. 241.
4 Brief vom 13. Januar 1869 an Maxime Du Camp (ebd., S. 241).
5 An Borisov, 24. Februar 1869 (ebd., S. 301).
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konnte nicht anders, als diesen Krieg und seine irrsinnigen, verbrecherischen
Anstifter zu verfluchen.“2
Mit letzteren sind unzweideutig Napoleon III. und sein Regime gemeint, das
er von Anfang an scharf abgelehnt hat. Zunächst erfüllt von Genugtuung und
Freude über den Zusammenbruch des Kaiserreichs, gerät er zusehends in große
Besorgnis. Die preußische Art der Kriegführung, die Annexionslust der Deut-
schen erschreckten ihn. Die Beschießung Straßburgs verurteilt er; später wird er
sich strikt gegen die Einverleibung von Elsaß-Lothringen durch Preußen wen-
den, was ihm manche seiner deutschen Freunde nicht verzeihen mögen. Seine
Beobachtungen während des Krieges und seine Meinungen hat er von Baden-
Baden aus als Korrespondent der St. Petersburger Nachrichten (Peterburgskie
Vedomosti) einem breiten russischen Publikum vermittelt.
Auch in seine mehrfachen Karlsruher Aufenthalte hat die neue Ausgabe mehr
Licht gebracht. Wir wissen nunmehr, daß die Residenz für ihn zwei hauptsäch-
liche Anziehungspunkte besaß, nämlich das Großherzogliche Hoftheater und die
Druckerei des Hofbuchdruckers Hasper.
Als Gäste traten die Viardot und einige ihrer schon berühmt gewordenen
Schülerinnen mehrfach am Hoftheater auf. Turgenjew blieb kaum einer dieser
Aufführungen fern. Als im Winter 1868/69 die Familie Viardot für einige Mo-
nate nach Karlsruhe übersiedelte, folgte Turgenjew sofort nach und mietete sich
im Hotel „Prinz Max“, Adlerstr. 33, ein. Das erste Echo: „Karlsruhe ist das
reinste Kloster. Auf den Straßen ist es so still, daß einem ganz ehrfürchtig zu-
mute wird.“ Und bald: „Es gefällt mir sehr gut in Karlsruhe. Ich arbeite hier
etwas mehr als in Baden; einige Male habe ich gut gejagt.“3
Natürlich waren weder er noch die Viardots in Karlsruhe unbekannt, und es
war kein geringerer, der sich mit dem „Jagen“ für die im Tiergartental genos-
sene Gastfreundschaft revanchierte, als der Großherzog. Auch über dieses Jagen
hat Turgenjew in anekdotischer Form brieflich berichtet:
„Ich nahm an einem Massaker von Wildschweinen teil, die in einem Gehege
gehalten werden (beim Großherzog). Ich habe sogar eines geschossen, das dann
ein Piqueur des Großherzogs, der mit watschelndem Gang ankam, mit einem
süßen Lächeln erledigte. Er hat ihm seinen Hirschfänger ins Herz gestoßen, als
reiche er ihm eine Visitenkarte, dann hat er die Schneide, immer weiterlächelnd,
an der noch zitternden Flanke abgewischt. Das hat mich an die Bartholomäus-
nacht erinnert. Ich kam mir vor wie einer, der feige und still einem Mord zu-
sieht. Feige ist das richtige Wort, denn ich befand mich in einer Art hölzernem
Carre, einer Art Kanzel, und die armen Tiere zogen an uns vorbei. Schließlich,
sagte ich mir, muß man auch mal so etwas gesehen haben.“4 Diese Art von Jagd
war also weniger nach dem Geschmack des Verfassers der berühmten „Jägerskiz-
zen“, aber er kam auch auf seine Kosten: „Mit dem ersten Februar . . . haben meine
Jagdabenteuer aufgehört: an jenem Tag habe ich, zum Abschluß des „Pläsier“, 13
Hasen und zwei Rebhühner erlegt.“5
2 Briefe, Bd. 8, S. 260.
3 ebd., Bd. 7, S. 241.
4 Brief vom 13. Januar 1869 an Maxime Du Camp (ebd., S. 241).
5 An Borisov, 24. Februar 1869 (ebd., S. 301).