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Stemmermann
der oberen Papiermühle auf. Für die frei werdenden Gebäude hatte er schon
einen Interessenten: Unmittelbar nach der Konstituierung der Spinnerei und
Weberei hatte das Bankhaus Haber eine zweite große Aktiengesellschaft ins Le-
ben gerufen, die „Badische Gesellschaft für Rübenzuckerfabrikation“48. Ehe dieses
Unternehmen in größerem Stil aufgezogen wurde, wollte man das am 1.6. 1836
im Badischen Staatsanzeiger bekanntgegebene und durch ein Privileg geschützte
Verfahren des Chemikers Seb. Schützenbach zur Zuckergewinnung aus Rüben auf
seine Brauchbarkeit hin erproben, und hierfür erwarb die neue Gesellschaft Buhls
kleine Spinnerei49. Im Spätsommer 1837 begann hier die Probeproduktion. Im
Herbst schon stellte eine regierungsamtliche Prüfungskommission fest, daß „das
neue Verfahren mehr ökonomische Vorteile gewährt als jedes andere“. Erst nach
diesem Bericht beschloß die Gesellschaftsversammlung einstimmig, die Zucker-
gewinnung nach Schützenbachs Methode nunmehr endgültig aufzunehmen.
Ettlingen ist also auch der Geburtsort der badischen Zuckerfabrikation und Franz
Anton Buhl wieder einmal der Geburtshelfer. Dreizehn Jahre lang arbeitete die
Fabrik im Albtal zur völligen Zufriedenheit. Die Anlieferung der Zuckerrüben
stieg von anfangs (1837) 11 432 Zentnern auf 103 463 Zentner im Jahr 1849,
was den Bauern der Umgebung einen erwünschten Gewinn brachte. Da damit
die Kapazität des kleinen Betriebs ausgelastet war, leitete die Gesellschaft Ver-
handlungen wegen Übernahme der unterhalb der Stadt auf einem weiten Areal
gelegenen Wasenmühle ein, „aber Intriganten vereitelten die Unterhandlungen“ —
besagt eine Notiz im Buch mit dem goldenen Schnitt, der von den Bürgermeistern
selbst geführten Stadtchronik50 51. 1850 wurde daraufhin die Produktion in Ettlin-
gen eingestellt und die Fabrikation teils nach Grötzingen, teils nach Waghäusel
verlegt.
Als dies geschah, hatten die Zuckerfabrik sowie die Spinnerei- und Weberei-
Gesellschaft eben ihre erste große Krise hinter sich. Diese kam nicht als Folge in-
nerer struktureller Mängel, sondern wurde zielbewußt als Kampfmaßnahme der
englischen Industrie und Hochfinanz verursacht. Das um Badens industrielle
Frühentwicklung hochverdiente Bankhaus Haber geriet im Dezember 1847 in
ernsthafte Schwierigkeiten und mußte alle seine Kredite zurückziehen. Betrof-
fen wurde hiervon neben den beiden erwähnten Unternehmen auch die Karls-
ruher Maschinenfabrik Kessler und Martinsen, die seit 1841 Lokomotiven baute.
Es handelte sich also um drei Unternehmen, die das eine gemeinsam hatten,
nämlich daß sie Erzeugnisse herstellten, für welche die britische Industrie bisher
eine Monopolstellung genoß. Bald erfuhr man, daß die Schwierigkeiten Habers
daher rührten, daß ihm seine Kredite durch die beiden Frankfurter Bankhäuser
L. H. Fiersheim und J. E. Gontard gekündigt worden waren, und diesen hatte
wieder das Frankfurter Bankhaus Rothschild seine Kredite entzogen11. Dazu
48 R. Mayer, Zuckerrübenanbau und Zuckerindustric in Baden, Diss. Heidelberg 1939;
Festschrift 100 Jahre Zuckerfabrik Waghäusel (1937); Karlsruhe, Wirtschaftszentrum am
Oberrhein, hg. v. d. Industrie- und Handelskammer Karlsruhe (1953) S. 76 ff.
49 StAE Stadtbaumeister Ullrichs Handschr. Notizen zu seinem Schneider, Topographie
(Bücherabtlg.); Stadtbaumeister Ullrichs „Baumeisterbuch“: Plan der Gebäude; A. J. V.
Heimisch, Das Großherzogtum Baden (1857) S. 225.
50 StAE: Buch mit dem goldenen Schnitt (von den Bürgermeistern seit etwa 1705 ge-
führte Stadtchronik). Abgedruckt in Heimatblättern „Altettlingen“ (1938) S. 164 ff. und
„Der Lauerturm“ (1964).
51 Hirsch (wie Anm. 25) II S. 94; Anm. 43 S. 472 ff.
Stemmermann
der oberen Papiermühle auf. Für die frei werdenden Gebäude hatte er schon
einen Interessenten: Unmittelbar nach der Konstituierung der Spinnerei und
Weberei hatte das Bankhaus Haber eine zweite große Aktiengesellschaft ins Le-
ben gerufen, die „Badische Gesellschaft für Rübenzuckerfabrikation“48. Ehe dieses
Unternehmen in größerem Stil aufgezogen wurde, wollte man das am 1.6. 1836
im Badischen Staatsanzeiger bekanntgegebene und durch ein Privileg geschützte
Verfahren des Chemikers Seb. Schützenbach zur Zuckergewinnung aus Rüben auf
seine Brauchbarkeit hin erproben, und hierfür erwarb die neue Gesellschaft Buhls
kleine Spinnerei49. Im Spätsommer 1837 begann hier die Probeproduktion. Im
Herbst schon stellte eine regierungsamtliche Prüfungskommission fest, daß „das
neue Verfahren mehr ökonomische Vorteile gewährt als jedes andere“. Erst nach
diesem Bericht beschloß die Gesellschaftsversammlung einstimmig, die Zucker-
gewinnung nach Schützenbachs Methode nunmehr endgültig aufzunehmen.
Ettlingen ist also auch der Geburtsort der badischen Zuckerfabrikation und Franz
Anton Buhl wieder einmal der Geburtshelfer. Dreizehn Jahre lang arbeitete die
Fabrik im Albtal zur völligen Zufriedenheit. Die Anlieferung der Zuckerrüben
stieg von anfangs (1837) 11 432 Zentnern auf 103 463 Zentner im Jahr 1849,
was den Bauern der Umgebung einen erwünschten Gewinn brachte. Da damit
die Kapazität des kleinen Betriebs ausgelastet war, leitete die Gesellschaft Ver-
handlungen wegen Übernahme der unterhalb der Stadt auf einem weiten Areal
gelegenen Wasenmühle ein, „aber Intriganten vereitelten die Unterhandlungen“ —
besagt eine Notiz im Buch mit dem goldenen Schnitt, der von den Bürgermeistern
selbst geführten Stadtchronik50 51. 1850 wurde daraufhin die Produktion in Ettlin-
gen eingestellt und die Fabrikation teils nach Grötzingen, teils nach Waghäusel
verlegt.
Als dies geschah, hatten die Zuckerfabrik sowie die Spinnerei- und Weberei-
Gesellschaft eben ihre erste große Krise hinter sich. Diese kam nicht als Folge in-
nerer struktureller Mängel, sondern wurde zielbewußt als Kampfmaßnahme der
englischen Industrie und Hochfinanz verursacht. Das um Badens industrielle
Frühentwicklung hochverdiente Bankhaus Haber geriet im Dezember 1847 in
ernsthafte Schwierigkeiten und mußte alle seine Kredite zurückziehen. Betrof-
fen wurde hiervon neben den beiden erwähnten Unternehmen auch die Karls-
ruher Maschinenfabrik Kessler und Martinsen, die seit 1841 Lokomotiven baute.
Es handelte sich also um drei Unternehmen, die das eine gemeinsam hatten,
nämlich daß sie Erzeugnisse herstellten, für welche die britische Industrie bisher
eine Monopolstellung genoß. Bald erfuhr man, daß die Schwierigkeiten Habers
daher rührten, daß ihm seine Kredite durch die beiden Frankfurter Bankhäuser
L. H. Fiersheim und J. E. Gontard gekündigt worden waren, und diesen hatte
wieder das Frankfurter Bankhaus Rothschild seine Kredite entzogen11. Dazu
48 R. Mayer, Zuckerrübenanbau und Zuckerindustric in Baden, Diss. Heidelberg 1939;
Festschrift 100 Jahre Zuckerfabrik Waghäusel (1937); Karlsruhe, Wirtschaftszentrum am
Oberrhein, hg. v. d. Industrie- und Handelskammer Karlsruhe (1953) S. 76 ff.
49 StAE Stadtbaumeister Ullrichs Handschr. Notizen zu seinem Schneider, Topographie
(Bücherabtlg.); Stadtbaumeister Ullrichs „Baumeisterbuch“: Plan der Gebäude; A. J. V.
Heimisch, Das Großherzogtum Baden (1857) S. 225.
50 StAE: Buch mit dem goldenen Schnitt (von den Bürgermeistern seit etwa 1705 ge-
führte Stadtchronik). Abgedruckt in Heimatblättern „Altettlingen“ (1938) S. 164 ff. und
„Der Lauerturm“ (1964).
51 Hirsch (wie Anm. 25) II S. 94; Anm. 43 S. 472 ff.