Die Gleichschaltung des Landes Baden 1932/33
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trums nahm diese Vorschläge kommentarlos entgegen. Offenbar ging es ihm
darum, die NSDAP hinzuhalten und dadurch Zeit zu gewinnen. Mußte doch
eine nationalsozialistische Landesregierung die in wenigen Tagen anstehende Ra-
tifikation der Kirchenverträge auf das schwerste gefährden, nachdem diese Partei
im Landtag gegen die Verträge gestimmt hatte. Dr. Föhr berief sich darauf, daß
er nicht Stellung nehmen könne, bevor nicht am folgenden Sonntag Vorstand
und Fraktion seiner Partei entschieden haben würden.
Für die restlichen Tage dieser Woche war damit die Regierungsfrage zunächst
einmal auf Eis gelegt. Das Zentrum glaubte sich diese Verzögerungstaktik um so
eher leisten zu können, als sich auch am Mittwoch die Verhältnisse in Baden
weiter normalisiert hatten. Zu Störungen der öffentlichen Ordnung war es nicht
mehr gekommen. Überdies war es auch dem nationalsozialistischen Verhand-
lungspartner durchaus nicht unwillkommen, daß er Zeit für die Einholung neuer
Instruktionen aus Berlin gewann. Bislang wußte man in der badischen Gauleitung
nämlich nichts Genaues über die Pläne der Reichsleitung der Partei für das wei-
tere Vorgehen in den süddeutschen Ländern. Am Donnerstag sollte daher mit
Reichsinnenminister Frick zunächst einmal das weitere Vorgehen in Baden ab-
gesprochen werden.
Da sich am Dienstag und Mittwoch die Verhältnisse im Lande wieder norma-
lisiert hatten, konnte sich die Landesregierung in ihrer Mittwochssitzung wieder
vornehmlich Routinefragen widmen. Wie eine Bombe schlug unter diesen Um-
ständen ein Telegramm des Reichsinnenministers ein, das am Mittwochabend
im Staatsministerium eintraf und folgenden Wortlaut hatte:
„Da nach Umgestaltung politischer Verhältnisse in Deutschland Aufrecht-
erhaltung öffentlicher Sicherheit und Ordnung in Baden unter jetziger Lan-
desregierung nicht mehr gewährleistet, übernehme für Reichsregierung gern.
§ 2 der VO zum Schutze von Volk und Staat Befugnisse oberster Landes-
behörden, soweit zur Erhaltung öffentlicher Sicherheit und Ordnung not-
wendig, und übertrage Wahrnehmung dieser Befugnisse badischem Land-
tagsabgeordneten Robert Wagner in Karlsruhe. Ersuche diesem sofort Ge-
schäfte zu übergeben . . . Reichsinnenminister Frick.“
Was die Landesregierung mit allen Mitteln zu verhindern gesucht hatte, war
nun doch eingetreten: Auch für Baden war ein Reichskommissar eingesetzt wor-
den. Am Donnerstagmorgen beriet die Regierung über die neue Lage. Daß die
Einsetzung eines Reichskommissars unter den obwaltenden Verhältnissen einen
schweren Verfassungsbruch darstellte, war die einhellige Meinung aller Minister.
Als jedoch über mögliche Gegenmaßnahmen beraten wurde, zeigte sich wieder
deutlich, daß zwischen Innenminister Dr. Umhauer einerseits und den übrigen
Kabinettsmitgliedern andererseits erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestan-
den. Der Innenminister hielt jeden Schritt des Protestes für sinnlos und äußerte
die Absicht zurückzutreten. Demgegenüber vertraten alle anderen Minister die
Ansicht, daß das Staatsministerium diesen Rechtsbruch nicht ohne Protest hin-
nehmen könne. Mit Mehrheit beschloß man, beim Reichspräsidenten und Reichs-
kanzler telegrafisch gegen die Ernennung des Reichskommissars feierliche Rechts-
verwahrung einzulegen und Klage beim Staatsgerichtshof zu erheben.
Während das Staatsministerium noch beriet, traf Reichskommissar Wagner in
Karlsruhe ein. Sein erster Weg führte ihn in die Gauleitung, wo er den Abbruch
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trums nahm diese Vorschläge kommentarlos entgegen. Offenbar ging es ihm
darum, die NSDAP hinzuhalten und dadurch Zeit zu gewinnen. Mußte doch
eine nationalsozialistische Landesregierung die in wenigen Tagen anstehende Ra-
tifikation der Kirchenverträge auf das schwerste gefährden, nachdem diese Partei
im Landtag gegen die Verträge gestimmt hatte. Dr. Föhr berief sich darauf, daß
er nicht Stellung nehmen könne, bevor nicht am folgenden Sonntag Vorstand
und Fraktion seiner Partei entschieden haben würden.
Für die restlichen Tage dieser Woche war damit die Regierungsfrage zunächst
einmal auf Eis gelegt. Das Zentrum glaubte sich diese Verzögerungstaktik um so
eher leisten zu können, als sich auch am Mittwoch die Verhältnisse in Baden
weiter normalisiert hatten. Zu Störungen der öffentlichen Ordnung war es nicht
mehr gekommen. Überdies war es auch dem nationalsozialistischen Verhand-
lungspartner durchaus nicht unwillkommen, daß er Zeit für die Einholung neuer
Instruktionen aus Berlin gewann. Bislang wußte man in der badischen Gauleitung
nämlich nichts Genaues über die Pläne der Reichsleitung der Partei für das wei-
tere Vorgehen in den süddeutschen Ländern. Am Donnerstag sollte daher mit
Reichsinnenminister Frick zunächst einmal das weitere Vorgehen in Baden ab-
gesprochen werden.
Da sich am Dienstag und Mittwoch die Verhältnisse im Lande wieder norma-
lisiert hatten, konnte sich die Landesregierung in ihrer Mittwochssitzung wieder
vornehmlich Routinefragen widmen. Wie eine Bombe schlug unter diesen Um-
ständen ein Telegramm des Reichsinnenministers ein, das am Mittwochabend
im Staatsministerium eintraf und folgenden Wortlaut hatte:
„Da nach Umgestaltung politischer Verhältnisse in Deutschland Aufrecht-
erhaltung öffentlicher Sicherheit und Ordnung in Baden unter jetziger Lan-
desregierung nicht mehr gewährleistet, übernehme für Reichsregierung gern.
§ 2 der VO zum Schutze von Volk und Staat Befugnisse oberster Landes-
behörden, soweit zur Erhaltung öffentlicher Sicherheit und Ordnung not-
wendig, und übertrage Wahrnehmung dieser Befugnisse badischem Land-
tagsabgeordneten Robert Wagner in Karlsruhe. Ersuche diesem sofort Ge-
schäfte zu übergeben . . . Reichsinnenminister Frick.“
Was die Landesregierung mit allen Mitteln zu verhindern gesucht hatte, war
nun doch eingetreten: Auch für Baden war ein Reichskommissar eingesetzt wor-
den. Am Donnerstagmorgen beriet die Regierung über die neue Lage. Daß die
Einsetzung eines Reichskommissars unter den obwaltenden Verhältnissen einen
schweren Verfassungsbruch darstellte, war die einhellige Meinung aller Minister.
Als jedoch über mögliche Gegenmaßnahmen beraten wurde, zeigte sich wieder
deutlich, daß zwischen Innenminister Dr. Umhauer einerseits und den übrigen
Kabinettsmitgliedern andererseits erhebliche Meinungsverschiedenheiten bestan-
den. Der Innenminister hielt jeden Schritt des Protestes für sinnlos und äußerte
die Absicht zurückzutreten. Demgegenüber vertraten alle anderen Minister die
Ansicht, daß das Staatsministerium diesen Rechtsbruch nicht ohne Protest hin-
nehmen könne. Mit Mehrheit beschloß man, beim Reichspräsidenten und Reichs-
kanzler telegrafisch gegen die Ernennung des Reichskommissars feierliche Rechts-
verwahrung einzulegen und Klage beim Staatsgerichtshof zu erheben.
Während das Staatsministerium noch beriet, traf Reichskommissar Wagner in
Karlsruhe ein. Sein erster Weg führte ihn in die Gauleitung, wo er den Abbruch