Der Rhein von Rastatt bis Speyer als Sprachgrenze
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und Wörth die entsprechenden badischen Formen lafd, gläwa, fra, bäm (böm). Es
besteht kein Zweifel, daß das pfälzische ç auf oii oder öü zurückgeht, also Pala-
talisierung mit Entrundung vorliegt. Dadurch wird das völlige Zusammenfallen
mit ë </ ei möglich. In Baden gilt dieses f < ou nur in Karlsdorf, wie umgekehrt
Wörth ein vom Rhein wegverlegter Ort. Bei ou vor Guttural ist bemerkenswert,
daß hier die Palatalisierung im Elsaß die Lauter in Scheibenhard erreicht (öw
,Auge'36 gegenüber 5/ in Lauterburg und äg in Mothern). Diese Form öu ist Vor-
aussetzung für pfälzisches £(y}. In Baden fällt im S unseres Gebietes neben all-
gemeinem äug ,Auge' Neureut37 (nur das alte Dorf Teutschneureut) mit äg, raxa
,rauchen', läx ,Lauch' auf, vielleicht beeinflußt durch das früher näher gelegene
Wörth (vor seiner Verlegung an die Stelle des alten Vorlach38).
Ein bemerkenswerter Sonderfall ist ,auch‘. Badisch ziemlich allgemein ä, nur
wieder in Karlsdorf ç, e: kirnst ç mit ins gësd-wçdld, nemst da bok ç mit, nöd
wçdltv £39 spotten die badischen Nachbarn. Dem Rhein entlang weist das Pfälzische
Wörterbuch40 41 42 einige solche ç, ç nach, deren Zahl sich noch vermehren läßt. Sie
stehen in Konkurrenz mit ëy und dem äx, das nördlich der Queich sich durchge-
setzt hat. E. Beyeril kannte diese pfälzischen ç, ëy ,auch‘ nicht, sie bestätigen nach-
träglich die Richtigkeit seiner Beurteilung der Palatalisationsvorgänge in der Pfalz.
Beim Umlaut von ou (öu) haben wir im allgemeinen dasselbe Bild wie bei sçl
,Seil'; durch Entrundung ist der Laut mit ei zusammengefallen. Nur vor auslauten-
dem m scheint einmal pfälzisches ë auch in Baden eingedrungen zu sein, wenn der
Plural ,Bäume' südlich von Karlsruhe bçm, nördlich Bem heißt. Doch handelt es sich
dabei nicht um einen Lautwandel öu Z> ë. Die genannten Plurale erweisen sich
als Analogieumlaute. Wie zu ,Apfel' und ,Kopf' die Plurale ,Äpfel, Köpfe' gebil-
det werden, kann zu ,Tag' oder ,Brot' der Plural ,Täg‘ oder ,Bröder‘ heißen. So ge-
schieht es auch mit Boom oder Baam: beides wird (über Boom, Bäum') mundartlich
bçm, Bem. Die zugehörigen Verben ,träumen, säumen, zäumen', die (außer in Neu-
burg und Wörth) pfälzisch wieder mit ë gesprochen werden, bleiben rechtsrheinisch
umlautlos dräma, drçma usw.; drëma findet sich nur in Karlsdorf, Philippsburg,
Lußheim, denselben Orten, die wir schon bei ei kennengelernt haben.
Die in der Pfalz üblichen Formen mit Umlaut für ,du läufst, er läuft' erscheinen
als lefs, lefti2 rechtsrheinisch erst wieder ab der uns schon geläufigen Stelle zwi-
schen Rheins- und Rußheim. Es ist eine allgemeine Umlautgrenze zwischen süd-
lichen sägt, maxt, käjt, häugt (sagt, macht, kauft, haut) und nördlichen seyt,
meyt, k~ëjt und sogar heyt. Aber nur die Übergangsstelle am Rhein ist mit den
früheren Fällen gemeinsam. Diesmal zieht die Grenze von Rheinsheim ab der
38 ALA I (wie Anm. 15) Karte 42. Es handelt sich nicht etwa um franz, oeil!
37 Waibel (wie Anm. 4) S. 76 u. 126.
38 R. Raubenheimer, Wo lag das alte Vorlach? in: Pfälz. Heimatblätter 3 (1955) S. 79 f.
39 „Kommst du auch mit ins Geißweiden? Nimmst den Bock auch mit, dann weidet (im
Wortspiel mit ,wedelt') er auch.“
40 Pfälz. Wb. I (wie Anm. 7) S. 359 f.
41 Beyer (wie Anm. 14) S. 282 ff., bes. S. 284 mit Anm. 4.
42 Die Form lift ,läuft' in Karlsdorf (Dt. Spracharchiv — wie Anm. 18 — Band 1/601)
fand ich in Hoerdt und Neupotz wieder, so daß auch hier der pfälzische Ursprung einer
Karlsdorfer Form gesichert ist.
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und Wörth die entsprechenden badischen Formen lafd, gläwa, fra, bäm (böm). Es
besteht kein Zweifel, daß das pfälzische ç auf oii oder öü zurückgeht, also Pala-
talisierung mit Entrundung vorliegt. Dadurch wird das völlige Zusammenfallen
mit ë </ ei möglich. In Baden gilt dieses f < ou nur in Karlsdorf, wie umgekehrt
Wörth ein vom Rhein wegverlegter Ort. Bei ou vor Guttural ist bemerkenswert,
daß hier die Palatalisierung im Elsaß die Lauter in Scheibenhard erreicht (öw
,Auge'36 gegenüber 5/ in Lauterburg und äg in Mothern). Diese Form öu ist Vor-
aussetzung für pfälzisches £(y}. In Baden fällt im S unseres Gebietes neben all-
gemeinem äug ,Auge' Neureut37 (nur das alte Dorf Teutschneureut) mit äg, raxa
,rauchen', läx ,Lauch' auf, vielleicht beeinflußt durch das früher näher gelegene
Wörth (vor seiner Verlegung an die Stelle des alten Vorlach38).
Ein bemerkenswerter Sonderfall ist ,auch‘. Badisch ziemlich allgemein ä, nur
wieder in Karlsdorf ç, e: kirnst ç mit ins gësd-wçdld, nemst da bok ç mit, nöd
wçdltv £39 spotten die badischen Nachbarn. Dem Rhein entlang weist das Pfälzische
Wörterbuch40 41 42 einige solche ç, ç nach, deren Zahl sich noch vermehren läßt. Sie
stehen in Konkurrenz mit ëy und dem äx, das nördlich der Queich sich durchge-
setzt hat. E. Beyeril kannte diese pfälzischen ç, ëy ,auch‘ nicht, sie bestätigen nach-
träglich die Richtigkeit seiner Beurteilung der Palatalisationsvorgänge in der Pfalz.
Beim Umlaut von ou (öu) haben wir im allgemeinen dasselbe Bild wie bei sçl
,Seil'; durch Entrundung ist der Laut mit ei zusammengefallen. Nur vor auslauten-
dem m scheint einmal pfälzisches ë auch in Baden eingedrungen zu sein, wenn der
Plural ,Bäume' südlich von Karlsruhe bçm, nördlich Bem heißt. Doch handelt es sich
dabei nicht um einen Lautwandel öu Z> ë. Die genannten Plurale erweisen sich
als Analogieumlaute. Wie zu ,Apfel' und ,Kopf' die Plurale ,Äpfel, Köpfe' gebil-
det werden, kann zu ,Tag' oder ,Brot' der Plural ,Täg‘ oder ,Bröder‘ heißen. So ge-
schieht es auch mit Boom oder Baam: beides wird (über Boom, Bäum') mundartlich
bçm, Bem. Die zugehörigen Verben ,träumen, säumen, zäumen', die (außer in Neu-
burg und Wörth) pfälzisch wieder mit ë gesprochen werden, bleiben rechtsrheinisch
umlautlos dräma, drçma usw.; drëma findet sich nur in Karlsdorf, Philippsburg,
Lußheim, denselben Orten, die wir schon bei ei kennengelernt haben.
Die in der Pfalz üblichen Formen mit Umlaut für ,du läufst, er läuft' erscheinen
als lefs, lefti2 rechtsrheinisch erst wieder ab der uns schon geläufigen Stelle zwi-
schen Rheins- und Rußheim. Es ist eine allgemeine Umlautgrenze zwischen süd-
lichen sägt, maxt, käjt, häugt (sagt, macht, kauft, haut) und nördlichen seyt,
meyt, k~ëjt und sogar heyt. Aber nur die Übergangsstelle am Rhein ist mit den
früheren Fällen gemeinsam. Diesmal zieht die Grenze von Rheinsheim ab der
38 ALA I (wie Anm. 15) Karte 42. Es handelt sich nicht etwa um franz, oeil!
37 Waibel (wie Anm. 4) S. 76 u. 126.
38 R. Raubenheimer, Wo lag das alte Vorlach? in: Pfälz. Heimatblätter 3 (1955) S. 79 f.
39 „Kommst du auch mit ins Geißweiden? Nimmst den Bock auch mit, dann weidet (im
Wortspiel mit ,wedelt') er auch.“
40 Pfälz. Wb. I (wie Anm. 7) S. 359 f.
41 Beyer (wie Anm. 14) S. 282 ff., bes. S. 284 mit Anm. 4.
42 Die Form lift ,läuft' in Karlsdorf (Dt. Spracharchiv — wie Anm. 18 — Band 1/601)
fand ich in Hoerdt und Neupotz wieder, so daß auch hier der pfälzische Ursprung einer
Karlsdorfer Form gesichert ist.