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Schäfer, Alfons [Editor]
Geschichte der Stadt Bretten: von den Anfängen bis zur Zerstörung im Jahre 1689 — Oberrheinische Studien, Band 4: Karlsruhe: Braun [in Komm.], 1977

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B. Bretten im 15. und 15. Jahrhundert
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https://doi.org/10.11588/diglit.52722#0146
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Im Laufe der Zeit stellten die Pfalzgrafen als Erbschirmherren noch weitere
Ansprüche an die Schirmdörfer. Insbesondere das sogenannte Waffenrecht, das
ursprünglich nur aus der Pflicht zur Mitverteidigung der Amtsstadt bestand, führte
zu erheblichen Forderungen: dem Recht auf Musterung, auf Gebot und Verbot in
Kriegssachen, der Stellung von zwei Kriegswagen und militärischen Kontributio-
nen im Kriegsfall 10°. Dazu kam der Anspruch auf das Geleitsrecht und auf die
hohe Jagd.
Neben den Schirmdörfern gab es die sogenannten Lehendörfer, die zum Amt
Bretten gehörten. In diesen beanspruchte der Pfalzgraf nur die allgemeine Terri-
torialhoheit sowie Zoll und Geleit, während alle übrigen Rechte von der mit dem
Dorf belehnten Adelsfamilie ausgeübt wurden. Lehendörfer waren Helmsheim,
das an die Landschad von Steinach, sowie Flehingen und Sickingen, die an die
gleichnamigen Ortsherren verliehen waren.
Die Bewohner dieser Orte huldigten sowohl den Pfalzgrafen wie auch ihren
Ortsherren. Aus dieser zwiespältigen Rechtsstellung erwuchsen bis zum Ende der
kurpfälzischen Zeit eine Unzahl von Streitigkeiten, insbesondere nachdem die Her-
zöge von Württemberg nach der Aufhebung der Klöster Herrenalb und Maul-
bronn um die Mitte des 16. Jahrhunderts deren Rechtsnachfolger geworden waren.
Von Bretten aus wurden schließlich die pfälzischen Leibeigenen im südlichen
Kraichgau in über zwanzig nicht zum Amt gehörigen Orten betreut. Es war dies die
Aufgabe des sogenannten Hühnerfauts. Er zog von den Leibeigenen jährlich den
Leihzins ein, von den Frauen ursprünglich ein Huhn — daher der Name — von
den Männern eine Geldabgabe. Als Gegenleistung lud die Kellerei Bretten die leib-
eigenen Männer in dreijährigem Turnus zu einem Imbiß, dem sogenannten Weis-
mahl, ein 100 101.
Die Differenzen wegen der Schirmorte dauerten mit Württemberg bis ins 18.
Jahrhundert hinein an. Da man im Zeitalter des Absolutismus kein Verständnis
mehr für in ein anderes Territorium übergreifende Rechte hatte, kam es 1747 in
Bretten zu einem Vertrag mit Württemberg, der endlich klare Verhältnisse
schaffen sollte. Die Kurpfalz verzichtete auf ihre aus dem Schirmrecht herrühren-
den Befugnisse in Unteröwisheim, wogegen Württemberg die Orte Gölshausen,
Zaisenhausen und Sprantal ganz an die Pfalz abtrat. Letzteres gehörte zwar nicht
zu den eigentlichen Schirmdörfern, sondern stand in einem engeren Verhältnis als
diese zu Bretten, doch hatte Württemberg auch hier noch einige von Herrenalb
herrührende Rechte über das Dorf. Kurfürst Karl Theodor erwarb dazu 1748/49
das volle Eigentum über Diedelsheim von den Kechler von Schwandorf. Um 1750
umfaßte somit das kurpfälzische Oberamt die Städte Bretten, Eppingen und
Heidelsheim, die Dörfer Rinklingen, Diedelsheim, Gölshausen, Sprantal, Weingar-
ten, Zaisenhausen, Helmsheim, Flehingen und Mühlbach. Eine letzte Änderung in
kurpfälzischer Zeit trat 1771 ein. Damals tauschte Baden die beiden Orte Spran-
tal und Helmsheim gegen die Herrschaft Ebernburg an der Nahe ein.

100 Vgl. Staatsarchiv Speyer A 31/11 fol. 341.
101 Nach dem Bericht des Brettener Hühnerfauts Andreas Landolf — eines Schweizer
Einwanderers aus dem Veltlin — von 1658 wurde „das Weismahl also genannt, weil die
Leibeigenen dazu berufen oder geladen werden, um zu weisen oder anzuzeigen, ob und
wo noch mehr pfälzische Leibeigene ihnen wissend und noch vorhanden, so annoch nicht
eingeschrieben und in Pflichten genommen, oder davon, daß ihnen das alte Weistum da-
bei vorgelesen und vorgehalten wird“ (GLA 132/188, 208).

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