Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schäfer, Alfons [Editor]
Geschichte der Stadt Bretten: von den Anfängen bis zur Zerstörung im Jahre 1689 — Oberrheinische Studien, Band 4: Karlsruhe: Braun [in Komm.], 1977

DOI chapter:
C. Kriegsschicksale - Kirchengeschichte. Wirtschaftsleben im 16. und 17. Jahrhundert
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52722#0305
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
schau und Bußgeld vom Tucherhandwerk“. Damit sind die wesentlichen Gesichts-
punkte ihres materiellen Inhalts bereits angegeben. Der Grundtenor war: es sollte
ordentliches Tuch hergestellt und dieses von den Zunftbeschauern kontrolliert und
gesiegelt werden. Die Stempelung (Wollsiegel!) der geschauten, d. h. geprüften
Ware mit dem Zunftzeichen begründete einen Markenartikel. Verstöße gegen
dieses Grundprinzip ahndete ein ganzer Katalog von Bußen, die zu je einem Drittel
dem Landesherrn, der Stadt und der Zunft zuflossen. Nichtbürger mußten bei der
Aufnahme in das Handwerk ein Zunftgeld von sechs Gulden, ein Meisters- und
Bürgersohn oder wer als Auswärtiger eine Meisters- oder Bürgerstochter heiratete,
ein solches von drei Gulden entrichten.
Die Zunftobleute werden 1529 als die „geordneten Kerzenmeister“ bezeichnet
— ein Ausdruck, der die Herkunft der Zunft aus dem Bereich der kirchlichen
Bruderschaften anzeigt52. Nach dem Stadtbuch schlugen die Mitglieder der Tucher-
zunft jährlich aus ihrer Mitte je zwei Zunftobleute und zwei „Schauer“ (Tuch-
prüfer) vor, aus denen das Stadtgericht jeweils einen auswählte und für sein Amt
vereidigen ließ 53. Das Bestellungsverfahren wies somit eine starke herrschaftliche
Komponente auf, denn an der Spitze des Stadtgerichts stand der landesherrliche
Schultheiß, nicht der städtische Bürgermeister. Die Belange der Stadt waren aber
dadurch berücksichtigt, daß Richter- und Ratskollegium personengleich waren.
Das Wollentuchmacherhandwerk hatte innerhalb der Stadt einen Allmendplatz
gepachtet, um dort seine Tücher in die Rahmen zu spannen. Diese wurden von den
Tuchmachern selbst gestellt und unterhalten. Der Jahreszins dafür an die Stadt
betrug drei Pfund Heller. Das Grundstück führte nach seinem Verwendungszweck
den Namen „Ramgarten“ 54. Vom Standort und der Geschichte der Walkmühle
war bereits an anderer Stelle die Rede.
Das Schneiderhandwerk, das sich mit der Textilverarbeitung befaßte,
war in Bretten ebenfalls gut vertreten. Zwar nennen die Kirchenbücher zwischen
1565 und 1590 nur fünf Angehörige dieses Berufs, darunter als Besonderheit den
„welschen“ Schneider, der aus Besancon stammte. Zu den Schneidern sind jedoch
noch die Tuchscherer oder Scherer zu zählen, die in dem genannten Zeitraum eben-
falls mit vier Meistern ihres Fachs erscheinen. Um 1570 arbeitete ein Seidensticker
aus Köln einige Zeit in Bretten 55.
Die Schneider und Tuchscherer des pfälzischen Amtes Bretten hatten sich schon
1564 eine Ordnung gegeben und diese schriftlich fixiert. Doch waren auch danach
weiter Differenzen zwischen Meistern, Gesellen und Lehrjungen entstanden, und
insbesondere war die Ordnung von vielen „vor gering und wenig geacht“, weil sie
nicht von der Herrschaft und Obrigkeit bestätigt worden war 56. Vogt, Schultheiß,
Bürgermeister und Gericht zu Bretten stellten nun auf Bitten der Meister im gan-
zen Amt anhand der alten Vorlage eine neue verbesserte Ordnung auf, in der Er-
wägung, „daß alle Handwerker, wenn sie mit guten Ordnungen versehen, desto
mehr in guten Aufgang geraten“. Die Ordnung regelte folgende Punkte: Wahl der
52 Als Kerzenmeister wurden bei den kirchlichen Bruderschaften der oder die Verwalter
der für die Kirche gebrauchten Wachskerzen bezeichnet (H. Fischer, Schwäbisches Wörter-
buch IV, 1914, Sp. 348).
53 StA B 4 S. 325.
54 StA B 4 S. 86.
55 Taufbuch 29. September 1570.
56 Vgl. O. Bickel (wie Anm. 46) mit Abdruck der Ordnung in: Der Pfeiferturm Jg. 1
(1933) S. 78 f.

297
 
Annotationen