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Schwarzmaier, Hansmartin [Editor]
Landesgeschichte und Zeitgeschichte: Kriegsende 1945 und demokratischer Neubeginn am Oberrhein — Oberrheinische Studien, Band 5: Karlsruhe: Kommissionsverlag G. Braun, 1980

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Stürmel, Marcel: Das Elsaß und die deutsche Widerstandsbewegung in der Sicht eines ehemaligen Abgeordneten der Elsässischen Volkspartei
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https://doi.org/10.11588/diglit.52723#0080

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Stürmei

geführt hatte. Admiral Auphan, der enge Vertraute des Regierungschefs und
Außenministers besitzt den Durchschlag des Dossiers, das Darlan für das Treffen
zusammengestellt hatte. Das Problem Elsaß-Lothringen figurierte nicht darin 9.
Es wurde von Hitler angetönt in der eigentlichen politischen Aussprache unter
vier Augen, aber im Beisein von Ribbentrop. Sofort nach seiner Rückkehr von
Berchtesgaden erzählte Darlan im Familienkreis seinem Freund, Admiral Doc-
teur, die Einzelheiten der Zweierunterhaltung: „Der lange, bei Hitler übliche
Monolog betr. die Kriegsverantwortung Frankreichs, das den Krieg erklärt hatte.
Er will kein Tyrann sein, aber die Franzosen müssen aufhören, den englischen
Sieg zu wünschen und Haß gegen Deutschland zu hegen; nur durch Zusammen-
arbeit könne französische Arbeitslosigkeit vermieden werden. Deutschland könnte
militärische Maßnahmen, die nachgesucht werden, mit Gewalt erzwingen. Es be-
reite sich jetzt der spätere Friedensvertrag vor . . .“ Darlan bemerkte u. a., daß das
französische Volk die „Kollaboration“ nur verstehe, wenn Hitler weitgehende
Zugeständnisse mache, beruhigende Erklärungen bezüglich des kommenden Frie-
dens, keine nur eingleisigen Verhandlungen und Konzessionen.
Und Hitler präzisierte seinen Standpunkt: Er sei kein auf Territorien erpich-
ter Fanatiker. Wenn Frankreich seine Kolonien verteidigen wolle, dann könne
es sie behalten. Wenn die Deutschen sie verteidigen sollten, dann würden sie
sie behalten. Wenn England nicht vollständig geschlagen wäre und wenn er für
die Sicherheit Deutschlands nicht auf Frankreich zählen könne, würde er die
Norddepartements und jene der Kanalküste behalten. Vertraulich deutete er
Darlan an, daß bei wirklicher Zusammenarbeit Frankreich territoriale Anpassun-
gen in Europa und Afrika erhoffen könne. Anstelle Elsaß-Lothringens könnte
es Wallonien und die welsche Schweiz bekommen. Tunesien würde von Frank-
reich und Italien gemeinsam, Marokko von Frankreich, Deutschland und Spa-
nien übernommen. Als Soforterleichterungen wurden angedeutet: Erleichterun-
gen im Zonenverkehr, Verminderung der Besatzungskosten, Freilassung der
Kriegsgefangenen, die den Ersten Weltkrieg mitgemacht hatten usw. 10.
Auf deutscher Seite existiert eine undatierte Aufzeichnung des Gesandten
Schmidt „über die Unterredung zwischen dem Führer und Admiral Darlan auf

9 Admiral [Paul] Auphan, Histoire elementaire de Vichy (Paris 1971).
10 In diesem Zusammenhang unterbreitete Abetz durch Telegramm Nr. 1480 (Geheime
Reichssache) vom 15. Mai dem Reichsaußenminister seine Vorschläge entsprechend „den
vom Führer am 11. Mai festgelegten Grundsätzen“. Unter den deutschen Zugeständnissen
(Punkt III.), die Abetz formuliert, figurieren u. a. die Beurlaubung von 80 000 Kriegs-
gefangenen, darunter 15 000 Bergarbeiter, 35 000 Landwirte, 3000 Beamte und Angestellte
des Brücken- und Wegebaues, 27 000 Weltkriegsteilnehmer über 45 Jahre, Lockerung der
Demarkationslinie, Erleichterung von Einreisen in die Norddepartements und die Sperr-
zone für Verwaltungsbeamte und Wirtschaftler. Es ist also anzunehmen, daß auch die
anderen Angaben von Docteur auf Tatsachen beruhen.
Abetz gibt gleichzeitig telephonisch die Mitteilung durch, daß Darlan im Anschluß an
die Bombardierung von Palmyra und Aleppo um Material für ein Communique bittet,
das Erleichterungen auf Grund der Berchtesgadener Besprechungen vorsieht. Botschafter
Abetz schlägt daher vor, daß die unter Punkt III im Telegramm vorgesehenen, die brei-
ten Massen berührenden Zugeständnisse Darlan unmittelbar gemacht werden, gez. Schwarz-
mann.
 
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