Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Schwarzmaier, Hansmartin [Editor]
Landesgeschichte und Zeitgeschichte: Kriegsende 1945 und demokratischer Neubeginn am Oberrhein — Oberrheinische Studien, Band 5: Karlsruhe: Kommissionsverlag G. Braun, 1980

DOI article:
Stürmel, Marcel: Das Elsaß und die deutsche Widerstandsbewegung in der Sicht eines ehemaligen Abgeordneten der Elsässischen Volkspartei
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.52723#0133

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Das Elsaß und die deutsche Widerstandsbewegung

121

Kreisleiter besprechen. Wichtige Fälle könnte ich ihm persönlich unterbreiten, was
mich veranlaßte, die Colmarer Fälle Klintz, Duhamel, Wolf und Kiener zu er-
wähnen, mit dem Hinweis, daß ich den Gauleiter nur in Anspruch nehmen will,
wenn alle anderen Instanzen versagen . . . Zum gleichen Zeitpunkt beklagte sich
Ministerpräsident Köhler über die von ihm mißbilligte Politik des Gauleiters:
Man desorganisiere dauernd die Wirtschaft, und die Gestapo handle über seinen
Kopf hinweg . . .
Die vorstehende ausführliche Wiedergabe der Interventionen des Abgeordneten
Rosse soll die seit 1940 immer wieder von heimatrechtlicher Seite unternomme-
nen Schritte illustrieren. Man hat ihnen nach 1944 keinen Dank, ja nicht einmal
die tatsachenmäßige Anerkennung gezollt. Bezeichnend für die, wenn auch nur
relativen Erfolge der Widerstände und Schritte im September 1944 ist der Um-
stand, daß bereits am 19. September, also zwei Tage nach Anlaufen der Aktion,
abends 19.10 Uhr von der Geheimen Staatspolizei, EK Straßburg (AZ. FS 3835,
Nr. 52.377) in Schirmeck ein Fernschreiben einlief: Heute eingelieferten Häftlin-
gen Haare vorerst nicht schneiden, bessere Behandlung. Nach Eingang letzten
Transportes Zahl der aus einzelnen Kreisen eingelieferten Häftlinge mitteilen.
Die Entlassungen zogen sich bis zum Oktober hin, obschon Ende September
rund 50 Prozent entlassen waren. In der Zwischenzeit war das Lager Vorbruck-
Schirmeck, in Zusammenhang mit den Rückzugskämpfen in Richtung Vogesen,
geräumt und die Insassen nach Baden verbracht worden (Lager in Gaggenau
und Haslach, Gefängnisse Rastatt, Kehl, Freiburg, Bühl, Pforzheim usw.). Dabei
handelte es sich nicht mehr nur um Geiseln, sondern um sonstige politische Ge-
fangene und andere Elemente, das bunte Gemisch der Häftlinge der Konzentra-
tionslager. Alle Verbindungen rissen ab, als die deutschen Truppen das linke
Rheinufer räumen mußten; erst die militärische Besetzung Südwestdeutschlands
im Jahre 1945 brachte den Insassen die Freiheit.

IV. Das Schicksal der elsässischen Reserveoffiziere
Bei der Audienz vom 21. September 1944 gab der Gauleiter bekannt, „daß
in absehbarer Zeit alle ehemaligen Reserveoffiziere aus dem Elsaß abgezogen
werden“. Rosse konnte nicht erfahren, was mit ihnen geschah. Er notierte: Was
mit ihnen geschieht, konnte ich nicht herausbekommen. Ich bat dringend, minde-
stens die Sanitätsoffiziere von dieser Maßnahme auszunehmen, wenn darauf nicht
verzichtet werden könne, mit dem Hinweis, daß diese Leute ja einfach auf Grund
ihres Berufes in den Offizierstand kamen. Eine formelle Zusage bekam ich nicht,
glaube aber annehmen zu dürfen, daß die Anregung beachtet wird . . . Der Ab-
transport einzelner kleiner Gruppen hatte bereits eingesetzt.
Wie hatte sich die Lage der elsässischen Reserveoffiziere seit 1940 in Wirk-
lichkeit entwickelt?
Am Tage des Waffenstillstandes, im Juni 1940, konnte man drei Gruppen
unterscheiden: jene, die, um der Gefangenschaft zu entgehen, auf eigene Faust
sich nach der Heimat absetzten und zuhause Zivilkleider anlegten, eine zweite
 
Annotationen