Die politische und wirtschaftliche Entwicklung Frankreichs
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Henri Michel ihre Bedeutung relativ hoch einschätzen, betonen die anglo-ameri-
kanischen Historiker die entscheidende Bedeutung der alliierten Armeen und
weisen der französischen Resistance einen bescheidenen Platz zu35. Jedenfalls war
ihre Aktion entscheidend wichtig für das ungebrochene französische Nationalbe-
wußtsein, das nach der Befreiung half, die gewaltigen politischen und wirtschaft-
lichen Probleme des weithin zerstörten Landes zu lösen, die hauptsächlich durch
die Besatzung und die wirtschaftliche Ausbeutung durch das Dritte Reich ent-
standen waren.
Die wirtschaftliche Entwicklung bis zur Befreiung Frankreichs
Nach dem Waffenstillstand wurde Frankreich von Deutschland völlig in sein
System wirtschaftlicher Ausbeutung einbezogen. Durch die Teilung des Landes
kamen zunächst bis November 1942 64% der französischen Bevölkerung unter di-
rekte deutsche Besatzung und nur 36% unter den Herrschaftsbereich der Vichy-
Regierung. Außerdem befanden sich 66% der landwirtschaftlichen Anbaugebiete in
der besetzten Zone. 70% der Milcherzeugung und die wichtigsten industriellen
Zentren standen von Anfang an unter deutscher Herrschaft und Kontrolle, ganz
zu schweigen vom Finanz- und Verkehrszentrum Paris36.
Für das kriegführende Deutschland war die Eingliederung der Kapazitäten
Frankreichs in seine Kriegswirtschaft von großer Bedeutung. Diese Eingliederung
wurde durch zahlreiche finanztechnische und wirtschaftliche Maßnahmen bewirkt.
Zunächst brachten die Besatzungsverwaltung und die Truppen als Währung Reichs-
kreditkassenscheine mit, die auf Reichsmark lauteten, und bestimmten mit dem
Recht des Siegers den Umrechnungskurs 1 Mark = 20 Francs, während der wirk-
liche Kurs gemäß Kaufkraft etwa bei 1 Mark = 10 Francs lag. Durch diesen
falschen Kurs erhielten die Deutschen die Möglichkeit, unter dem Anschein völliger
Korrektheit in Frankreich alles Gewünschte billig aufzukaufen, eine Tatsache
auf die Pierre Arnoult und Alfred Münz besonders hinweisen. Alle französischen
Proteste gegen diesen Umrechnungskurs blieben ohne Erfolg37.
Eine weiter Möglichkeit, das Land finanziell auszusaugen, bot der Artikel 18
des Waffenstillstandes. Er lautete: „Die Kosten für den Unterhalt der deutschen
Besatzungstruppen auf französischem Boden trägt die französische Regierung“.
35 Vgl. Anm. 32 und 34; M.R.D. Foot, Resistance. An Analysis of European Resistance
to Nazism 1940—1945 (London 1976), S. 318—320.
36 Vgl. Francois Baudot, Aspects economiques de l’occupation allemande en France,
in: Rev. d’hist. de la deuxieme guerre mond. Nr. 54 (1964) S. 41, 43; Michel Cepede,
Agriculture et alimentation en France durant la IIe guerre mondiale (Paris 1961), S. 69,
70; siehe auch die Artikel 2, 3, 11, 15, 17 des Waffenstillstandes, in: Akten der deut-
schen auswärtigen Politik, Serie D, Bd. 9, Nr. 523, S. 555—557.
37 Vgl. Pierre Arnoult, Les finances de la France et l’occupation allemande 1940—1944
(Paris 1951) S. 50—52; Alfred Münz, Die Auswirkungen der deutschen Besetzung aul
Währung und Finanzen Frankreichs, Diss. Tübingen (masch. 1957) S. 13—24.
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Henri Michel ihre Bedeutung relativ hoch einschätzen, betonen die anglo-ameri-
kanischen Historiker die entscheidende Bedeutung der alliierten Armeen und
weisen der französischen Resistance einen bescheidenen Platz zu35. Jedenfalls war
ihre Aktion entscheidend wichtig für das ungebrochene französische Nationalbe-
wußtsein, das nach der Befreiung half, die gewaltigen politischen und wirtschaft-
lichen Probleme des weithin zerstörten Landes zu lösen, die hauptsächlich durch
die Besatzung und die wirtschaftliche Ausbeutung durch das Dritte Reich ent-
standen waren.
Die wirtschaftliche Entwicklung bis zur Befreiung Frankreichs
Nach dem Waffenstillstand wurde Frankreich von Deutschland völlig in sein
System wirtschaftlicher Ausbeutung einbezogen. Durch die Teilung des Landes
kamen zunächst bis November 1942 64% der französischen Bevölkerung unter di-
rekte deutsche Besatzung und nur 36% unter den Herrschaftsbereich der Vichy-
Regierung. Außerdem befanden sich 66% der landwirtschaftlichen Anbaugebiete in
der besetzten Zone. 70% der Milcherzeugung und die wichtigsten industriellen
Zentren standen von Anfang an unter deutscher Herrschaft und Kontrolle, ganz
zu schweigen vom Finanz- und Verkehrszentrum Paris36.
Für das kriegführende Deutschland war die Eingliederung der Kapazitäten
Frankreichs in seine Kriegswirtschaft von großer Bedeutung. Diese Eingliederung
wurde durch zahlreiche finanztechnische und wirtschaftliche Maßnahmen bewirkt.
Zunächst brachten die Besatzungsverwaltung und die Truppen als Währung Reichs-
kreditkassenscheine mit, die auf Reichsmark lauteten, und bestimmten mit dem
Recht des Siegers den Umrechnungskurs 1 Mark = 20 Francs, während der wirk-
liche Kurs gemäß Kaufkraft etwa bei 1 Mark = 10 Francs lag. Durch diesen
falschen Kurs erhielten die Deutschen die Möglichkeit, unter dem Anschein völliger
Korrektheit in Frankreich alles Gewünschte billig aufzukaufen, eine Tatsache
auf die Pierre Arnoult und Alfred Münz besonders hinweisen. Alle französischen
Proteste gegen diesen Umrechnungskurs blieben ohne Erfolg37.
Eine weiter Möglichkeit, das Land finanziell auszusaugen, bot der Artikel 18
des Waffenstillstandes. Er lautete: „Die Kosten für den Unterhalt der deutschen
Besatzungstruppen auf französischem Boden trägt die französische Regierung“.
35 Vgl. Anm. 32 und 34; M.R.D. Foot, Resistance. An Analysis of European Resistance
to Nazism 1940—1945 (London 1976), S. 318—320.
36 Vgl. Francois Baudot, Aspects economiques de l’occupation allemande en France,
in: Rev. d’hist. de la deuxieme guerre mond. Nr. 54 (1964) S. 41, 43; Michel Cepede,
Agriculture et alimentation en France durant la IIe guerre mondiale (Paris 1961), S. 69,
70; siehe auch die Artikel 2, 3, 11, 15, 17 des Waffenstillstandes, in: Akten der deut-
schen auswärtigen Politik, Serie D, Bd. 9, Nr. 523, S. 555—557.
37 Vgl. Pierre Arnoult, Les finances de la France et l’occupation allemande 1940—1944
(Paris 1951) S. 50—52; Alfred Münz, Die Auswirkungen der deutschen Besetzung aul
Währung und Finanzen Frankreichs, Diss. Tübingen (masch. 1957) S. 13—24.