Der Neoseparatismus in der Pfalz
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gewesen. Er habe nur vier Einzelparteien genehmigt, keine Überpartei. Ge-
meinsame Konferenzen und Versammlungen der vier Parteien seien nicht
erlaubt“310.
Für die SPD anwortete Franz Bögler. Er wies auf die politische Lage in der
Pfalz hin und betonte, daß es tatsächlich separatistische Bestrebungen gäbe, und daß
nach Meinung der Parteien auch die geplante Kundgebung in Kaiserslautern se-
paratistische Ziele verfolgen würde. Vor allem beklagte er sich darüber, daß die
Arbeit der Parteien andauernd behindert würde; so sei in diesen Tagen beispiels-
weise der „Rundbrief“ seiner Partei verboten worden. Die Parteien stünden
geschlossen gegen jegliche Loslösungsbestrebungen. Gustav Wolff brachte an Hand
von schriftlichen Aufzeichnungen311 aus der ersten Separatistenzeit den Nachweis,
daß zwei Redner der Kundgebung, Steiner und Opitz, bekannte Separatisten seien
und heute wiederum die gleichen Ziele verfolgten. Die Plakate seien in der gleichen
Aufmachung angefertigt wie damals. General Bouley unterbrach Wolff und er-
klärte, daß Opitz Redeverbot erhalten würde. Für die „Rheinische Volkspartei“
dürfe keine Propaganda gemacht werden. Koch dürfe nur als Privatperson, nicht
als Vertreter der Regierung sprechen, sein Titel „Oberregierungsvizepräsident“ sei
zu überkleben312.
Obwohl es zeitlich nicht möglich war, die Plakate zu ändern und auch Koch sich
nicht an diese Auflagen gehalten hatte, werteten die Parteien die Erklärung Bou-
leys als beachtlichen Erfolg. Es ging ihnen bei ihrem Auftreten in erster Linie da-
rum, auf den Separatismus hinzuweisen. Entscheidend dabei war die Demonstra-
tion, gemeinsam vor der Besatzungsmacht aufzutreten, eine Tatsache, welche in
der Zeit nach dem Krieg und der Hitlerdiktatur von nicht zu unterschätzendem
Wert für das Selbstbewußtsein der Parteien gewesen war. Daß sich im Anschluß
an die Unterredung ein Teilnehmer beim Gouverneur für das allzu forsche Auf-
treten der Parteien entschuldigt hatte, beleuchtete am deutlichsten die Situation313.
Hatten die Parteien bei der Unterredung mit General Bouley wenigstens einen
„moralischen“ Erfolg zu verzeichnen, so mußten sie aber auch zur Kenntnis neh-
men, daß ihnen ab sofort die gemeinsamen Zusammenkünfte im überparteilichen
Ausschuß verboten waren. Trotz dieses Verbotes trafen sie sich am Montag, den
27. Mai 1946 wieder in Neustadt. Anlaß war der Verlauf der Kundgebung, bei
der Koch als Oberregierungsvizepräsident öffentlich entgegen der Weisung des
Generals Bouley aufgetreten war. Die Parteien verfaßten eine gegen ihn gerichtete
Mißtrauenserklärung. Prof. Dr. Damm aus Kaiserslautern teilte das Ergebnis der
Sitzung General Bouley mit. Das Oberregierungspräsidium wurde durch Präsi-
dialdirektor Dr. Ritterspacher unterrichtet. Wolff, Fink, Bögler, Müller und Dr.
310 Tagebuch Gustav "Wolff, in: Privatarchiv Gustav Wolff.
311 "Wolff hatte die Schrift mitgebracht: Die Rheinische Republik. Die Gründe für die
Errichtung eines rheinischen Freistaates und Vorgeschichte der Proklamation vom
1. 6. 1919. Herausgegeben von der vorläufigen Regierung der Rheinischen Republik zu
Wiesbaden im Juli 1919, in: Privatarchiv Gustav Wolff.
312 Vgl. Tagebuch Gustav Wolff (wie Anm. 310).
313 Mündliche Mitteilung von Franz Bögler am 5. 5. 1972 und Gustav Wolff am
21. 4. 1972.
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gewesen. Er habe nur vier Einzelparteien genehmigt, keine Überpartei. Ge-
meinsame Konferenzen und Versammlungen der vier Parteien seien nicht
erlaubt“310.
Für die SPD anwortete Franz Bögler. Er wies auf die politische Lage in der
Pfalz hin und betonte, daß es tatsächlich separatistische Bestrebungen gäbe, und daß
nach Meinung der Parteien auch die geplante Kundgebung in Kaiserslautern se-
paratistische Ziele verfolgen würde. Vor allem beklagte er sich darüber, daß die
Arbeit der Parteien andauernd behindert würde; so sei in diesen Tagen beispiels-
weise der „Rundbrief“ seiner Partei verboten worden. Die Parteien stünden
geschlossen gegen jegliche Loslösungsbestrebungen. Gustav Wolff brachte an Hand
von schriftlichen Aufzeichnungen311 aus der ersten Separatistenzeit den Nachweis,
daß zwei Redner der Kundgebung, Steiner und Opitz, bekannte Separatisten seien
und heute wiederum die gleichen Ziele verfolgten. Die Plakate seien in der gleichen
Aufmachung angefertigt wie damals. General Bouley unterbrach Wolff und er-
klärte, daß Opitz Redeverbot erhalten würde. Für die „Rheinische Volkspartei“
dürfe keine Propaganda gemacht werden. Koch dürfe nur als Privatperson, nicht
als Vertreter der Regierung sprechen, sein Titel „Oberregierungsvizepräsident“ sei
zu überkleben312.
Obwohl es zeitlich nicht möglich war, die Plakate zu ändern und auch Koch sich
nicht an diese Auflagen gehalten hatte, werteten die Parteien die Erklärung Bou-
leys als beachtlichen Erfolg. Es ging ihnen bei ihrem Auftreten in erster Linie da-
rum, auf den Separatismus hinzuweisen. Entscheidend dabei war die Demonstra-
tion, gemeinsam vor der Besatzungsmacht aufzutreten, eine Tatsache, welche in
der Zeit nach dem Krieg und der Hitlerdiktatur von nicht zu unterschätzendem
Wert für das Selbstbewußtsein der Parteien gewesen war. Daß sich im Anschluß
an die Unterredung ein Teilnehmer beim Gouverneur für das allzu forsche Auf-
treten der Parteien entschuldigt hatte, beleuchtete am deutlichsten die Situation313.
Hatten die Parteien bei der Unterredung mit General Bouley wenigstens einen
„moralischen“ Erfolg zu verzeichnen, so mußten sie aber auch zur Kenntnis neh-
men, daß ihnen ab sofort die gemeinsamen Zusammenkünfte im überparteilichen
Ausschuß verboten waren. Trotz dieses Verbotes trafen sie sich am Montag, den
27. Mai 1946 wieder in Neustadt. Anlaß war der Verlauf der Kundgebung, bei
der Koch als Oberregierungsvizepräsident öffentlich entgegen der Weisung des
Generals Bouley aufgetreten war. Die Parteien verfaßten eine gegen ihn gerichtete
Mißtrauenserklärung. Prof. Dr. Damm aus Kaiserslautern teilte das Ergebnis der
Sitzung General Bouley mit. Das Oberregierungspräsidium wurde durch Präsi-
dialdirektor Dr. Ritterspacher unterrichtet. Wolff, Fink, Bögler, Müller und Dr.
310 Tagebuch Gustav "Wolff, in: Privatarchiv Gustav Wolff.
311 "Wolff hatte die Schrift mitgebracht: Die Rheinische Republik. Die Gründe für die
Errichtung eines rheinischen Freistaates und Vorgeschichte der Proklamation vom
1. 6. 1919. Herausgegeben von der vorläufigen Regierung der Rheinischen Republik zu
Wiesbaden im Juli 1919, in: Privatarchiv Gustav Wolff.
312 Vgl. Tagebuch Gustav Wolff (wie Anm. 310).
313 Mündliche Mitteilung von Franz Bögler am 5. 5. 1972 und Gustav Wolff am
21. 4. 1972.