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Akten des Tübinger Staatssekretariats enthalten eine solche Angabe nicht. Im übri-
gen ist der Ausgang des sog. Reutlinger Geiselprozesses, eines Disziplinarverfahrens,
das Oberbürgermeister Kalbfell gegen sich selbst beim Landgericht inTübingen 1951
angestrengt hatte, wesentlich zu erklären aus dem Schweigen bzw. den sybillinischen
Aussagen des verantwortlichen französischen Offiziers. Wegen seines seelsorger-
lichen Berufsgeheimnisses schwieg auch der Reutlinger Stadtpfarrer Kaicher, der den
Opfern letzten Beistand geleistet hatte.
Insgesamt bleiben die von der Landesgeschichte mit Spannung erwarteten Ausfüh-
rungen zur Frühgeschichte des Landes Württemberg-Hohenzollern hinter den
Erwartungen zurück. Dieses Ergebnis ist um so bedauerlicher, als die Aktenüberliefe-
rung gerade der ersten Wochen und Monate recht schütter ist, was angesichts der Zeit-
umstände verständlich erscheint, vielleicht aber auch mit der Person des Regierungs-
chefs zusammenhängt. Schon unter seinem Nachfolger Lorenz Bock und erst recht in
der Ära Gebhard Müller erreicht die Aktenüberlieferung eine bemerkenswerte Dich-
te. So ist man weiterhin vornehmlich auf Eberhard Konstanzer, Die Entstehung
des Landes Baden-Württemberg (d.i. Württemberg-Hohenzollern), Stuttgart 1969,
angewiesen, wenn man nicht die Aktenüberlieferung konsultieren kann.
Nebenbei, Berichte, Akten usw. interessieren nicht nur einige Historiker, die
irgendwann einmal über ein Thema arbeiten (S. 209), sondern doch immer noch
eine ganze Reihe von Zeitgenossen, wenn diese sich auch zugegebenermaßen der
Vermittlung durch den Historiker bedienen. Es bleibt festzuhalten, daß bezüglich
der Darstellung der französischen Deutschlandpolitik das vertiefende Eindringen
fehlt, also etwa inwieweit die Einzelmaßnahmen der Militärregierung Reflexe auf die
französische Innenpolitik darstellen oder inwieweit sie überhaupt nur Teil einer ge-
schlossenen französischen Außenpolitik sind.
Alex Möller: Genosse Generaldirektor. München — Zürich 1978. 591 S.
Hier kann nur auf die Ausführungen des Autors zur Geschichte des Landes Würt-
temberg-Baden und den Weg zum Südweststaat verwiesen werden (S. 17—136). Die
Darstellung wird durch den wiederholten Einschub historischer Rückblicke (Yalta,
Währungsreform 1923) unterbrochen, vermittelt aber in recht persönlich gehaltener
Schilderung das Erlebte.
Hartmut S o eil: Fritz Erler. Eine politische Biographie Bd. 1 (Internationale Bibliothek
100). Berlin — Bonn 1976. Bd. 2 (Internationale Bibliothek 101). 1976. 533 S.
Auf S. 64-108 wird die Rolle Erlers in der Landespolitik von Südwürttemberg-
Hohenzollern aus der Sicht der SPD dargestellt. Der von der französischen Militär-
regierung im Mai 1945 zum Landrat in Biberach ernannte Erler stand ausgerechnet
mit der Militärregierung in Dauerkonflikt, was ihm schließlich eine viermonatige
Internierung in dem für Nationalsozialisten geschaffenen Lager Balingen eintrug.
Erler hatte mehrfach deutsche Deserteure aus der Fremdenlegion in die amerikani-
sche Zone geschafft. Er wurde indes nach einer Haft von vier Monaten auf Interven-
tion besonders Carlo Schmids sowie französischer Freunde wieder auf freien Fuß ge-
setzt und schließlich einjahr später von einem französischen Militärtribunal in Frei-
burg freigesprochen. Zu dem Freispruch trug vor allem der französische Lagerkom-
mandant Balingens bei, dem Erler bei dem Versuch der Umerziehung der sonstigen
nationalsozialistischen Lagerinsassen behilflich war.
Nüske
Akten des Tübinger Staatssekretariats enthalten eine solche Angabe nicht. Im übri-
gen ist der Ausgang des sog. Reutlinger Geiselprozesses, eines Disziplinarverfahrens,
das Oberbürgermeister Kalbfell gegen sich selbst beim Landgericht inTübingen 1951
angestrengt hatte, wesentlich zu erklären aus dem Schweigen bzw. den sybillinischen
Aussagen des verantwortlichen französischen Offiziers. Wegen seines seelsorger-
lichen Berufsgeheimnisses schwieg auch der Reutlinger Stadtpfarrer Kaicher, der den
Opfern letzten Beistand geleistet hatte.
Insgesamt bleiben die von der Landesgeschichte mit Spannung erwarteten Ausfüh-
rungen zur Frühgeschichte des Landes Württemberg-Hohenzollern hinter den
Erwartungen zurück. Dieses Ergebnis ist um so bedauerlicher, als die Aktenüberliefe-
rung gerade der ersten Wochen und Monate recht schütter ist, was angesichts der Zeit-
umstände verständlich erscheint, vielleicht aber auch mit der Person des Regierungs-
chefs zusammenhängt. Schon unter seinem Nachfolger Lorenz Bock und erst recht in
der Ära Gebhard Müller erreicht die Aktenüberlieferung eine bemerkenswerte Dich-
te. So ist man weiterhin vornehmlich auf Eberhard Konstanzer, Die Entstehung
des Landes Baden-Württemberg (d.i. Württemberg-Hohenzollern), Stuttgart 1969,
angewiesen, wenn man nicht die Aktenüberlieferung konsultieren kann.
Nebenbei, Berichte, Akten usw. interessieren nicht nur einige Historiker, die
irgendwann einmal über ein Thema arbeiten (S. 209), sondern doch immer noch
eine ganze Reihe von Zeitgenossen, wenn diese sich auch zugegebenermaßen der
Vermittlung durch den Historiker bedienen. Es bleibt festzuhalten, daß bezüglich
der Darstellung der französischen Deutschlandpolitik das vertiefende Eindringen
fehlt, also etwa inwieweit die Einzelmaßnahmen der Militärregierung Reflexe auf die
französische Innenpolitik darstellen oder inwieweit sie überhaupt nur Teil einer ge-
schlossenen französischen Außenpolitik sind.
Alex Möller: Genosse Generaldirektor. München — Zürich 1978. 591 S.
Hier kann nur auf die Ausführungen des Autors zur Geschichte des Landes Würt-
temberg-Baden und den Weg zum Südweststaat verwiesen werden (S. 17—136). Die
Darstellung wird durch den wiederholten Einschub historischer Rückblicke (Yalta,
Währungsreform 1923) unterbrochen, vermittelt aber in recht persönlich gehaltener
Schilderung das Erlebte.
Hartmut S o eil: Fritz Erler. Eine politische Biographie Bd. 1 (Internationale Bibliothek
100). Berlin — Bonn 1976. Bd. 2 (Internationale Bibliothek 101). 1976. 533 S.
Auf S. 64-108 wird die Rolle Erlers in der Landespolitik von Südwürttemberg-
Hohenzollern aus der Sicht der SPD dargestellt. Der von der französischen Militär-
regierung im Mai 1945 zum Landrat in Biberach ernannte Erler stand ausgerechnet
mit der Militärregierung in Dauerkonflikt, was ihm schließlich eine viermonatige
Internierung in dem für Nationalsozialisten geschaffenen Lager Balingen eintrug.
Erler hatte mehrfach deutsche Deserteure aus der Fremdenlegion in die amerikani-
sche Zone geschafft. Er wurde indes nach einer Haft von vier Monaten auf Interven-
tion besonders Carlo Schmids sowie französischer Freunde wieder auf freien Fuß ge-
setzt und schließlich einjahr später von einem französischen Militärtribunal in Frei-
burg freigesprochen. Zu dem Freispruch trug vor allem der französische Lagerkom-
mandant Balingens bei, dem Erler bei dem Versuch der Umerziehung der sonstigen
nationalsozialistischen Lagerinsassen behilflich war.