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Österreichisches Archäologisches Institut [Hrsg.]
Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes in Wien — 1.1898

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Reichel, Wolfgang: Zum Stierfänger von Tiryns
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https://doi.org/10.11588/diglit.19227#0027

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oberen Streifen hinaus bis in den obersten Randstreifen hinein erstrecken. Dieses
gewaltige Gehörn verstärkt den Eindruck des mächtigen Thieres wesentlich. Uber-
haupt merkt man überall, wie viel Mühe der Maler aufwandte, sein Bestes zu
leisten. Bekanntlich ist der Schwanz des Thieres dreimal verändert (die Spitzen
des ausgeführten Schweifes verlaufen hinter der Wade des Mannes), und die Vorder-
beine sind fünfmal umgestaltet (nicht viermal wie bei Gillieron: auch der linke
Vorderhuf war ursprünglich gestreckter gehalten). Aber auch die Nackenlinie ist
dreimal vorgezeichnet, bis der Hals genügend verengt und der als wünschens-
wert empfundene Knick in den Halswirbeln erreicht war.

Bei dem in Sprungstellung auf dem Stiere knienden Manne hat man bisher
zwar die Körperhaltung mehrfach besprochen, den Kopf jedoch unerörtert gelassen,
offenbar weil man ihn gradeaus nach links gerichtet glaubte. Das war jedoch
nicht der Fall. Allerdings ist von diesem Kopfe nicht viel erhalten. Ein größerer
und zwei kleine Flecken Deckfarbe zeigen nur, dass er wie der übrige Körper
weiß aufgetragen und die Haare sowohl als die Innenlinien des Gesichtes schwarz
oder gelb übergemalt waren. Von der äußeren Form ist jedoch in blauer Vor-
zeichnung der beiderseitige Halscontur, das Kinn, die Oberlippe und der Unter-
theil der Nase noch kenntlich. Der Kopf war also rückwärts nach rechts gedreht,
was schon aus der Wendung des Oberkörpers sicher zu erschließen wäre. Sonst ist
der Grund um den Kopf so verrieben, dass sich weiteres nicht feststellen lässt.
Gewiss ist nur noch, dass er barhäuptig war, weil über ihm bis zum Rand-
streifen die blaue Grundfarbe sichtbar ist, wie dies auch Gillieron richtig angibt.

Auch über die Technik des Bildes muss ich von Fabricius abweichen, der
1. c. S. 346 bemerkt: „Der Grund rings um die Figuren ist blau, und zwar ist
die blaue Farbe um den mit Weiß zuerst grundierten Stier herumgezogen, dessen
Contur sich von dem hier dicker aufgetragenen Blau deutlich abhebt. Während
also der Stier direct mit Weiß grundiert ist, hat der Maler die Figur des Mannes
auf den blauen Grund mit Deckweiß aufgetragen. An Stellen, wo das Deckweiß
abgesprungen ist, kommt der blaue Grund wieder zum Vorschein". Mir scheint
dagegen der Sachverhalt folgender: die vermuthlich unreine Kalkoberfläche wurde
zunächst durchaus hellgrau grundiert. Diese Grundierung kommt nicht nur in
großen Partien am Körper des Mannes zum Vorschein, wo das Weiß abgefallen
ist (s. Gillieron), sondern in kleinern Fleckchen auch am Stiere. Auf diesem Grund
sind mit pastoser blauer Farbe beide Figuren in den Umrissen ausgezeichnet;
diese Contur lässt sich auch an dem Manne verfolgen. Innerhalb der Vorzeich-
nung ist der Stierkörper mit dünner gelblichweißer Deckfarbe ausgefüllt. Eine
 
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