Sakrale und sittliche Pflichten.
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gleichartig bei einander^. Noch augenfälliger prägt sich dies Ver-
hältnis in der Liste von Pflichten 111.1,9 aus: da erscheint neben
Wahrhaftigkeit und Selbstbezwingung auch die Besorgung der heiligen
Feuer und das Feueropfer. Eine besonders hervortretende Be-
nennung für rechtes, gedeihliches Handeln ist, wie wir sahen,
ein bedeutendstes aber, man kann in unsrer Sprache sagen
eine sittliche Tat größten Maßstabes, vollbringt der Vollzieher des
Roßopfers (8L. XIII, 5, 4, 3) 2.
Die Unbestimmtheit der Abgrenzung von Sittlichem und Reli-
giösem — dann ebenso von Zauberhaftem — prägt sich auch in
dem begreiflicherweise durchaus schwankenden Verhältnis von sittlichem
Gebot und Götterwillen aus. Ähnlich wie im Rigveda das Uta,
steht auch jetzt der 6iinrwn, das vrntn (oben S. 194) bald auf sich
selbst, trägt es in sich selbst die Fähigkeit, den Menschen seine Macht
fühlen zu lassen, bald ist der Gott „Herr des ällarma". Die Sünde
bringt Schaden bald vermöge ihrer eignen Natur, bald „ergreift
Varuna, wenn Unrecht begangen wird, (den Täter)" (1L. 1,7, 2,6)
— was, beiläufig bemerkt, die Mahnung zur Folge hat, am Abend
keine Unwahrheit zu reden, denn das ist die Zeit des Varuna (1L.
I, 5, 3, 3): so leicht gibt das sittliche Gebot der Rücksicht darauf
Raum, ob man vom strafenden Gott unter den eben obwaltenden
Umständen gefaßt zu werden fürchtet. Der Gedanke der vom Götter-
willen unabhängigen „Frucht der Werke" (LU. XXVI, 3)^, speziell
1. Man vergleiche, um den Kontrast zu würdigen, etwa zwei Stellen der
Asokainschriften mit Aufzählung von Tugenden: Mitleid, Freigebigkeit, Wahrheit,
Reinheit, Milde, Güte — Keinem Lebenden ein Leid tun, kein Wesen beschädigen,
Freundlichkeit gegen Verwandte, Freundlichkeit gegen Brahmanen und Asketen,
Gehorsam gegen Vater und Mutter, Gehorsam gegen die Alten. Im Folgenden
wird sich in der Tat zeigen, daß Annäherungen an diesen rein weltlichen Cha-
rakter der Gebote doch auch in recht alte Zeit zurückgehen.
2. Nun konnte freilich aus Gründen, die auf der Hand liegen, speziell die
Lehre vom sakralen Handeln schon sehr früh als die in bekannten Gruppen der
Vedatexte formulierte Wissenschaft ausgebildet werden, in der dann selbstver-
ständlich wohl vom Feueropfer und Roßopfer, aber nicht — oder doch höchstens
beiläufig und zufällig — von Wahrhaftigkeit und Selbstbezwingung die Rede
war. Insofern erscheint das, was in einer Hinsicht zu einer Einheit zusammen-
fließt, doch wiederum als zwei getrennte Sphären bildend. — Die nicht ganz
ebenso liegende Frage nach dem Verhältnis zwischen der Darstellung des recht-
lichen Gebiets und der des ethischen wurde schon oben S. 193 berührt.
3. Dort ist von „Werken" allerdings mit spezieller Beziehung auf sakrales
Tun die Rede.
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gleichartig bei einander^. Noch augenfälliger prägt sich dies Ver-
hältnis in der Liste von Pflichten 111.1,9 aus: da erscheint neben
Wahrhaftigkeit und Selbstbezwingung auch die Besorgung der heiligen
Feuer und das Feueropfer. Eine besonders hervortretende Be-
nennung für rechtes, gedeihliches Handeln ist, wie wir sahen,
ein bedeutendstes aber, man kann in unsrer Sprache sagen
eine sittliche Tat größten Maßstabes, vollbringt der Vollzieher des
Roßopfers (8L. XIII, 5, 4, 3) 2.
Die Unbestimmtheit der Abgrenzung von Sittlichem und Reli-
giösem — dann ebenso von Zauberhaftem — prägt sich auch in
dem begreiflicherweise durchaus schwankenden Verhältnis von sittlichem
Gebot und Götterwillen aus. Ähnlich wie im Rigveda das Uta,
steht auch jetzt der 6iinrwn, das vrntn (oben S. 194) bald auf sich
selbst, trägt es in sich selbst die Fähigkeit, den Menschen seine Macht
fühlen zu lassen, bald ist der Gott „Herr des ällarma". Die Sünde
bringt Schaden bald vermöge ihrer eignen Natur, bald „ergreift
Varuna, wenn Unrecht begangen wird, (den Täter)" (1L. 1,7, 2,6)
— was, beiläufig bemerkt, die Mahnung zur Folge hat, am Abend
keine Unwahrheit zu reden, denn das ist die Zeit des Varuna (1L.
I, 5, 3, 3): so leicht gibt das sittliche Gebot der Rücksicht darauf
Raum, ob man vom strafenden Gott unter den eben obwaltenden
Umständen gefaßt zu werden fürchtet. Der Gedanke der vom Götter-
willen unabhängigen „Frucht der Werke" (LU. XXVI, 3)^, speziell
1. Man vergleiche, um den Kontrast zu würdigen, etwa zwei Stellen der
Asokainschriften mit Aufzählung von Tugenden: Mitleid, Freigebigkeit, Wahrheit,
Reinheit, Milde, Güte — Keinem Lebenden ein Leid tun, kein Wesen beschädigen,
Freundlichkeit gegen Verwandte, Freundlichkeit gegen Brahmanen und Asketen,
Gehorsam gegen Vater und Mutter, Gehorsam gegen die Alten. Im Folgenden
wird sich in der Tat zeigen, daß Annäherungen an diesen rein weltlichen Cha-
rakter der Gebote doch auch in recht alte Zeit zurückgehen.
2. Nun konnte freilich aus Gründen, die auf der Hand liegen, speziell die
Lehre vom sakralen Handeln schon sehr früh als die in bekannten Gruppen der
Vedatexte formulierte Wissenschaft ausgebildet werden, in der dann selbstver-
ständlich wohl vom Feueropfer und Roßopfer, aber nicht — oder doch höchstens
beiläufig und zufällig — von Wahrhaftigkeit und Selbstbezwingung die Rede
war. Insofern erscheint das, was in einer Hinsicht zu einer Einheit zusammen-
fließt, doch wiederum als zwei getrennte Sphären bildend. — Die nicht ganz
ebenso liegende Frage nach dem Verhältnis zwischen der Darstellung des recht-
lichen Gebiets und der des ethischen wurde schon oben S. 193 berührt.
3. Dort ist von „Werken" allerdings mit spezieller Beziehung auf sakrales
Tun die Rede.