238
Mimaipsä und Grammatik.
reich, die Brähmanas an den Arbeiten zu bemessen, die später —
allerdings viel später — eben denselben Gegenstand wie jene be-
handelt haben. Ich denke an die Pürva-Mimäuffä, die Philosophie
des Opfers und der Opfertexte^. Mag man durch diese unermüdlich
in Spitzfindigkeiten wühlende Scholastik noch so stark abgestoßen
werden: es ist doch unmöglich zu verkennen, daß sich da beispiels-
weise in den Unterscheidungen der verschiedenen Gattungen von Veda-
worten, oder der Hauptriten und der von ihnen abhängigen Neben-
riten, in der Erörterung der Beziehungen zwischen jenen und diesen,
und in so vielen andern Doktrinen eine höchst bemerkenswerte Fähig-
keit scharfsinniger Analyse, des Aufstellens und Durchführens eines
kunstvoll ersonnenen, fest geformten Begriffsapparats kundgibt. Die
Brähmanas spinnen ihre lockeren Phantasien um Einzelheiten und
schreiten von da höchstens zu ebenso lockeren Phantasien über das
Ganze der Riten fort. Die Mtmäiusä, sehr viel tiefer einschneidend,
dringt beständig zum Allgemeinen vor, zu den Kräften, die in allem
Einzelnen tätig sind, und zu den Ordnungen, nach welchen deren
seltsam komplizierter Mechanismus arbeitet^. Man beobachte diese
Kunst der Analyse wie der Synthese statt im fragwürdigen Luftreich
des vedischen Ritualwesens vielmehr auf dem Boden reellerer Wirk-
lichkeit, und man fasse dabei ein der indischen Begabung günstig
gelegenes Gebiet ins Auge: nicht die Naturwissenschaft; ich habe
eben schon die Grammatik hervorgehoben. Mag in den Leistungen
der vollentwickelten grammatischen Wissenschaft, in Pämnis System
und in den Diskussionen Pataüjalis viel Überkünstelei, Spitzfindig-
keit, ja Unnatur stecken: mit welcher Schärfe haben jene Denker
doch Schwierigstes zu durchschauen gewußt, in welche Tiefe sind sie
t. Die Datierung dieses Systems ist sehr schwierig. Sein Grundtext, das
NimLip8L Lüträ, wird von Jacobi (1X08. XXXI, 29) für ungefähr so alt
oder etwas älter als die Grundtexte einiger andrer Systeme gehalten, die nach
ihm zwischen 200 und 450 n. Chr. verfaßt find. Über den Hauptinhalt der
Pürva Mrmärnsä orientiert M. Müller, Mio 8ix 8^8tom8 ob Inäis-n ?di-
Io8opü^ 258ff.: Thibaut in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Xrtlla-
8Nlp§rs,iig, (Lonaroo 8LN8ir. 8srio8).
2. In geringerem Maß übrigens kann man den hier hervorgehobenen
Kontrast zwischen der älteren und neuen Technik des Denkens auch schon beob-
achten, wenn man den Brähmanas die zu ihnen gehörenden, auf ihnen beruhen-
den Sütras gegenüberstellt. Schon hier ein Arbeiten mit Allgemeinbegrissen
und allgemeinen Sätzen, wie es sich in den Brähmanas höchstens in ersten
Spuren zeigt.
Mimaipsä und Grammatik.
reich, die Brähmanas an den Arbeiten zu bemessen, die später —
allerdings viel später — eben denselben Gegenstand wie jene be-
handelt haben. Ich denke an die Pürva-Mimäuffä, die Philosophie
des Opfers und der Opfertexte^. Mag man durch diese unermüdlich
in Spitzfindigkeiten wühlende Scholastik noch so stark abgestoßen
werden: es ist doch unmöglich zu verkennen, daß sich da beispiels-
weise in den Unterscheidungen der verschiedenen Gattungen von Veda-
worten, oder der Hauptriten und der von ihnen abhängigen Neben-
riten, in der Erörterung der Beziehungen zwischen jenen und diesen,
und in so vielen andern Doktrinen eine höchst bemerkenswerte Fähig-
keit scharfsinniger Analyse, des Aufstellens und Durchführens eines
kunstvoll ersonnenen, fest geformten Begriffsapparats kundgibt. Die
Brähmanas spinnen ihre lockeren Phantasien um Einzelheiten und
schreiten von da höchstens zu ebenso lockeren Phantasien über das
Ganze der Riten fort. Die Mtmäiusä, sehr viel tiefer einschneidend,
dringt beständig zum Allgemeinen vor, zu den Kräften, die in allem
Einzelnen tätig sind, und zu den Ordnungen, nach welchen deren
seltsam komplizierter Mechanismus arbeitet^. Man beobachte diese
Kunst der Analyse wie der Synthese statt im fragwürdigen Luftreich
des vedischen Ritualwesens vielmehr auf dem Boden reellerer Wirk-
lichkeit, und man fasse dabei ein der indischen Begabung günstig
gelegenes Gebiet ins Auge: nicht die Naturwissenschaft; ich habe
eben schon die Grammatik hervorgehoben. Mag in den Leistungen
der vollentwickelten grammatischen Wissenschaft, in Pämnis System
und in den Diskussionen Pataüjalis viel Überkünstelei, Spitzfindig-
keit, ja Unnatur stecken: mit welcher Schärfe haben jene Denker
doch Schwierigstes zu durchschauen gewußt, in welche Tiefe sind sie
t. Die Datierung dieses Systems ist sehr schwierig. Sein Grundtext, das
NimLip8L Lüträ, wird von Jacobi (1X08. XXXI, 29) für ungefähr so alt
oder etwas älter als die Grundtexte einiger andrer Systeme gehalten, die nach
ihm zwischen 200 und 450 n. Chr. verfaßt find. Über den Hauptinhalt der
Pürva Mrmärnsä orientiert M. Müller, Mio 8ix 8^8tom8 ob Inäis-n ?di-
Io8opü^ 258ff.: Thibaut in der Einleitung zu seiner Ausgabe des Xrtlla-
8Nlp§rs,iig, (Lonaroo 8LN8ir. 8srio8).
2. In geringerem Maß übrigens kann man den hier hervorgehobenen
Kontrast zwischen der älteren und neuen Technik des Denkens auch schon beob-
achten, wenn man den Brähmanas die zu ihnen gehörenden, auf ihnen beruhen-
den Sütras gegenüberstellt. Schon hier ein Arbeiten mit Allgemeinbegrissen
und allgemeinen Sätzen, wie es sich in den Brähmanas höchstens in ersten
Spuren zeigt.