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Oldenberg, Hermann
Die Weltanschauung der Brahmana-Texte — Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.71524#0249
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Rückblick.

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gedrungen! Von der Brähmanaperiode bis zu dieser Blütezeit der
indischen Wissenschaft ist gewiß ein weiter Weg. Aber Ausgangs-
punkte für das Beschreiten dieses Weges haben sich uns doch auch
schon in den Wirrsalen der Brähmanas, wenn auch nur leise, her-
vorgehoben.

Rückblick.
Wir blicken zurück und fassen zusammen.
Die Brähmanazeit ist eine Übergangsperiode. Die alten Grund-
lagen des religiösen Wesens wanken; neue sind noch nicht gewonnen.
Das einfach gläubige Festhalten an den Göttern der Vergangenheit
hat aufgehört. Die festgewurzelten, mit allen Daseinsgewohnheiten
und auch mit stärksten materiellen Interessen verwobenen Formen
des Kultus bleiben zwar bestehen, aber ihr alter Sinn ist verblaßt;
er kann sie nicht mehr legitimieren. Eignes Denken auf der andern
Seite hat noch nicht volle Herrschaft errungen, versucht noch nicht
seinen von ihm selbst souverän vorgezeichneten Weg zu gehen. Es
entwirft kein Weltbild, sondern mit Fragmenten eines Weltbildes
baut es neue Erklärungen des alten Opfers auf. So fchwebt dies
Denken, arm an der Leidenschaft, die dem Seienden sein Geheimnis
abringen will, flach und kühl in einem unentschiedenen Mittelzustand.
Selbstvertrauen zwar fehlt diesen Geistern nicht. Ihnen gelingt
alles im Augenblick. " Sie haben ja nicht das harte Objekt, die
schwer ergründbare Wirklichkeit vor sich, welche Fehlgriffe des Ge-
dankens bald unausbleiblich enthüllt. Sondern nach Laune legen
sie sich ihre Figuren zurecht. Die Erfahrungen fehlen, die zur Be-
denklichkeit erziehen, das billige Behagen an diesem Spiel stören
würden. Leicht gleiten die felbstgefchaffenen Gebilde vorüber, be-
ständig wechselnd, einander widerstreitend. Wenn es etwa heißt,
daß eine Opferprozedur den zerfallenen Weltschöpfer wieder Herstellen
soll, so ist es ja in Wirklichkeit nie und nimmer dies Bedürfnis, um
dessen willen man opfert. Sondern man opfert für die Vorteile des
Opferherrn im Diesseits und Jenseits, sodann für die Honorierung
des Priesters. Was man sonst dazu sagen mag, ist im Geist nicht
tiefgewurzelt, ermangelt des vollen Ernstes.
 
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