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Rückblick.
einen Augenblick zu höchster Höhe erhebt und es „allem diesem
(Dasein)" gleichsetzt, so ist das doch nur ein Einfall unter zahllosen
andern Einfällen, unvermittelt auftauchend und wieder verschwindend,
eine mit billigem Wort ins Maßlose gesteigerte Verherrlichung dieser
und jener Wesenheit'. Solche Phantasmen helfen vielleicht, wie
das überhaupt die Gewöhnung an jenes Identifizieren alles Ver-
schiedenen tut, die Idee des All-Einen vorbereiten. Ernstliche, an
die Tiefe des Seins rührende Denkarbeit ist das nicht.
Dazu nun aber, das Vordringen aus diesen Verwirrtheiten zu
entschlossenerem Erfassen des Einheitsgedankens zu befördern, trägt
eben jener im Obigen wiederholt berührte Vorgang bei: die be-
ginnende Feststellung gewisser Ordnungen und Abgrenzungen in
der Unübersetzbarkeit des Daseins. Bestimmte, in sich geschlossene
Sphären von Wesenheiten und Vorgängen — so das Opfer, das
Ich — heben sich heraus als Bezirke, innerhalb deren einheitlicher
Zusammenhang lebendig vorgestellt wird, zentrale Potenzen — das
Brahman, der Ätman — den ganzen Umkreis mit Leben durchströmen.
Die Fähigkeit der schwungkräftigen Phantasie, das eine mit dem
andern als identisch vorzustellen, schwächt sich darum nicht ab, aber
inmitten der sicherer geordneten Vorstellungsmassen bereitet sie sich
festere Bahnen; ihr minder flüchtiges Wirken gewinnt an Vertiefung.
So kommt man dem näher, immer ernstlicher die verschiedenen Da-
seinsbezirke als gleichwertige Erscheinungen derselben in der Tiefe
verborgenen Grundwesenheit zu erkennen. Bis dann die Upanishad-
spekulation den letzten Schritt über die Schwelle tut, an welche die
Phantasie der Brähmanalehrer nur hatte heranführen können. Was
im Zentrum der einen und was im Zentrum der andern jener
Sphären steht, ist eins: es ist das Eine, in dem allein alles Leben,
aller Gehalt des Daseins beruht. Das Ich, vielleicht schon jetzt in
mystische Versenkungen hinabzutauchen gewohnt, schaut sich im All,
das All in sich. Es befreit sich vom Gefangensein in den Interessen
des Alltags, von den Ängsten der Seelenwanderung und ihren kind-
lichen Seligkeitshoffnungen. Während andre Richtungen, die von
den Brähmanas ausgehen, der entstehenden positiven Wissenschaft
entgegenführen, hat sich hier aus jener dürftigen Vorstellungswelt
der Weg zu Höhen religiös-philosophischen Denkens geöffnet, und
1. Man sehe beispielsweise, was für verschiedene Wesen allein an der
einen Stelle 8L. LIII, 6, 1, 11 „alles" sind.
Rückblick.
einen Augenblick zu höchster Höhe erhebt und es „allem diesem
(Dasein)" gleichsetzt, so ist das doch nur ein Einfall unter zahllosen
andern Einfällen, unvermittelt auftauchend und wieder verschwindend,
eine mit billigem Wort ins Maßlose gesteigerte Verherrlichung dieser
und jener Wesenheit'. Solche Phantasmen helfen vielleicht, wie
das überhaupt die Gewöhnung an jenes Identifizieren alles Ver-
schiedenen tut, die Idee des All-Einen vorbereiten. Ernstliche, an
die Tiefe des Seins rührende Denkarbeit ist das nicht.
Dazu nun aber, das Vordringen aus diesen Verwirrtheiten zu
entschlossenerem Erfassen des Einheitsgedankens zu befördern, trägt
eben jener im Obigen wiederholt berührte Vorgang bei: die be-
ginnende Feststellung gewisser Ordnungen und Abgrenzungen in
der Unübersetzbarkeit des Daseins. Bestimmte, in sich geschlossene
Sphären von Wesenheiten und Vorgängen — so das Opfer, das
Ich — heben sich heraus als Bezirke, innerhalb deren einheitlicher
Zusammenhang lebendig vorgestellt wird, zentrale Potenzen — das
Brahman, der Ätman — den ganzen Umkreis mit Leben durchströmen.
Die Fähigkeit der schwungkräftigen Phantasie, das eine mit dem
andern als identisch vorzustellen, schwächt sich darum nicht ab, aber
inmitten der sicherer geordneten Vorstellungsmassen bereitet sie sich
festere Bahnen; ihr minder flüchtiges Wirken gewinnt an Vertiefung.
So kommt man dem näher, immer ernstlicher die verschiedenen Da-
seinsbezirke als gleichwertige Erscheinungen derselben in der Tiefe
verborgenen Grundwesenheit zu erkennen. Bis dann die Upanishad-
spekulation den letzten Schritt über die Schwelle tut, an welche die
Phantasie der Brähmanalehrer nur hatte heranführen können. Was
im Zentrum der einen und was im Zentrum der andern jener
Sphären steht, ist eins: es ist das Eine, in dem allein alles Leben,
aller Gehalt des Daseins beruht. Das Ich, vielleicht schon jetzt in
mystische Versenkungen hinabzutauchen gewohnt, schaut sich im All,
das All in sich. Es befreit sich vom Gefangensein in den Interessen
des Alltags, von den Ängsten der Seelenwanderung und ihren kind-
lichen Seligkeitshoffnungen. Während andre Richtungen, die von
den Brähmanas ausgehen, der entstehenden positiven Wissenschaft
entgegenführen, hat sich hier aus jener dürftigen Vorstellungswelt
der Weg zu Höhen religiös-philosophischen Denkens geöffnet, und
1. Man sehe beispielsweise, was für verschiedene Wesen allein an der
einen Stelle 8L. LIII, 6, 1, 11 „alles" sind.