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Indische Miniaturen der islamischen Zeit.
Namen zu nennen, die man diesen so sehr berühmten Musselinen gegeben hat:
zum Beispiel „Abrawan“ — „laufendes Wasser“, weil er, ins Wasser geworfen, kaum
zu sehen ist; „Baft Hawa“ — „gewebte Luft“, weil er, in die Luft geschleudert,
wie eine Wolke dahinfließt; „Schab-Nam“ — „Abendtau“, weil er, naß aufs Gras
gelegt, wie Tau an den Halmen zerrieselt.
Das Kunsthandwerk ist über das ganze Land verteilt. Sehr oft zeigt es sich
vereinzelt und ganz ohne Verknüpfung, weit entfernt vom Ursprungsgebiet der zur
Arbeit notwendigen Stoffe. Nagina ist ein gutes Beispiel dafür. Es ist ein kleiner,
unwichtiger Ort, viele Meilen entfernt von den nächsten Ebenhofzwäldern und weitab
von irgendeiner größeren Stadt oder von einem reichen Schutzherrn. Die Arbeiter
in dieser anmutigen Kunst der Ebenholzschnitzerei sind Mohammedaner. In der Tat
sind die Kunsthandwerker in Indien, so sonderbar dies auch erscheinen und so
wenig dies den vielen Bewunderern des brahmanischen Indiens zusagen mag, heute
zum allergrößten Teil Mohammedaner. So äußert sich George Watt: „Auf der
Reise von einem zum anderen Ende Indiens, um seine Gewerbe und seine In-
dustrie zu studieren, tritt dem Beobachter ein Umstand besonders eindringlich vor
Augen, daß nämlich ein sehr großer Prozentsatz der gelernten Arbeiter Mohamme-
daner sind Zum Beispiel sind die Zeichner im Kinkhab-Gewerbe (gold-
gewirkte Tücher) ausschließlich Mohammedaner. Dieser Zustand herrscht in ganz
Indien vor. Gerade in Radjputana sind die Mehrzahl der Maurer Mohammedaner.“
Alle Lackarbeiter, all die Verfertiger von Wachstüchern und Kaschmirschals sind
ohne Ausnahme Moslims. Von Handwerken, die die Mohammedaner erfanden, ein-
führten oder in Indien zu neuem Leben erweckten, sind zu nennen: die Ornamentierung
verzinnter Ware, die Verzierung von Kupfer und Messing mittels Lack, die In-
krustation von Marmor mit anderen farbigen Steinen, das Einlegen von Edelsteinen
in Marmor, die Bearbeitung von Elfenbein, das Glasieren von Töpfen, die Seiden-
weberei in Delhi und Agra, die Kashida-Stickerei, Holzschnitzerei, Steinschneiderei,
Zieherei von Gold-, Silber- und Brokatfäden, von denen Delhi allein heute 300000
englische Meilen jährlich erzeugt, Teppichweberei, Miniaturmalerei und so weiter.
George Birdwood sagt: „Es ist sicher richtig, daß die Kaiser von Delhi die Kunst
ermutigten und staatliche Weber unterhielten, wie sie zweifellos staatliche Künstler in
diesem oder jenem Fache hatten.“
Die indischen Goldschmiede und Juweliere konnten, wovon man sich bei Betrach-
tung der Bilder dieses Buches (vgl. Abb. 16 u. 35) überzeugen kann, feine und außer-
ordentlich schöne Proben ihrer Kunst aufweisen. Gemmen und Siegel wurden ge-
schnitten; ebenso Medaillen, die wichtige Ereignisse überliefern sollten. Doch sind
Gemmen und Siegel, die andere als rein kalligraphische Kompositionen zeigen, be-
sonders selten. King erwähnt ein recht merkwürdiges Stück: „Der Vorwurf wrar
die Heldentat Schah Djehans, der einen Löwen auseinanderhaut, welcher einen
Höfling angefallen hatte Die Gemme muß wahrscheinlich am Anfang seiner
Indische Miniaturen der islamischen Zeit.
Namen zu nennen, die man diesen so sehr berühmten Musselinen gegeben hat:
zum Beispiel „Abrawan“ — „laufendes Wasser“, weil er, ins Wasser geworfen, kaum
zu sehen ist; „Baft Hawa“ — „gewebte Luft“, weil er, in die Luft geschleudert,
wie eine Wolke dahinfließt; „Schab-Nam“ — „Abendtau“, weil er, naß aufs Gras
gelegt, wie Tau an den Halmen zerrieselt.
Das Kunsthandwerk ist über das ganze Land verteilt. Sehr oft zeigt es sich
vereinzelt und ganz ohne Verknüpfung, weit entfernt vom Ursprungsgebiet der zur
Arbeit notwendigen Stoffe. Nagina ist ein gutes Beispiel dafür. Es ist ein kleiner,
unwichtiger Ort, viele Meilen entfernt von den nächsten Ebenhofzwäldern und weitab
von irgendeiner größeren Stadt oder von einem reichen Schutzherrn. Die Arbeiter
in dieser anmutigen Kunst der Ebenholzschnitzerei sind Mohammedaner. In der Tat
sind die Kunsthandwerker in Indien, so sonderbar dies auch erscheinen und so
wenig dies den vielen Bewunderern des brahmanischen Indiens zusagen mag, heute
zum allergrößten Teil Mohammedaner. So äußert sich George Watt: „Auf der
Reise von einem zum anderen Ende Indiens, um seine Gewerbe und seine In-
dustrie zu studieren, tritt dem Beobachter ein Umstand besonders eindringlich vor
Augen, daß nämlich ein sehr großer Prozentsatz der gelernten Arbeiter Mohamme-
daner sind Zum Beispiel sind die Zeichner im Kinkhab-Gewerbe (gold-
gewirkte Tücher) ausschließlich Mohammedaner. Dieser Zustand herrscht in ganz
Indien vor. Gerade in Radjputana sind die Mehrzahl der Maurer Mohammedaner.“
Alle Lackarbeiter, all die Verfertiger von Wachstüchern und Kaschmirschals sind
ohne Ausnahme Moslims. Von Handwerken, die die Mohammedaner erfanden, ein-
führten oder in Indien zu neuem Leben erweckten, sind zu nennen: die Ornamentierung
verzinnter Ware, die Verzierung von Kupfer und Messing mittels Lack, die In-
krustation von Marmor mit anderen farbigen Steinen, das Einlegen von Edelsteinen
in Marmor, die Bearbeitung von Elfenbein, das Glasieren von Töpfen, die Seiden-
weberei in Delhi und Agra, die Kashida-Stickerei, Holzschnitzerei, Steinschneiderei,
Zieherei von Gold-, Silber- und Brokatfäden, von denen Delhi allein heute 300000
englische Meilen jährlich erzeugt, Teppichweberei, Miniaturmalerei und so weiter.
George Birdwood sagt: „Es ist sicher richtig, daß die Kaiser von Delhi die Kunst
ermutigten und staatliche Weber unterhielten, wie sie zweifellos staatliche Künstler in
diesem oder jenem Fache hatten.“
Die indischen Goldschmiede und Juweliere konnten, wovon man sich bei Betrach-
tung der Bilder dieses Buches (vgl. Abb. 16 u. 35) überzeugen kann, feine und außer-
ordentlich schöne Proben ihrer Kunst aufweisen. Gemmen und Siegel wurden ge-
schnitten; ebenso Medaillen, die wichtige Ereignisse überliefern sollten. Doch sind
Gemmen und Siegel, die andere als rein kalligraphische Kompositionen zeigen, be-
sonders selten. King erwähnt ein recht merkwürdiges Stück: „Der Vorwurf wrar
die Heldentat Schah Djehans, der einen Löwen auseinanderhaut, welcher einen
Höfling angefallen hatte Die Gemme muß wahrscheinlich am Anfang seiner