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Indische Miniaturen der islamischen Zeit.
noch künstlerisch den indischen überlegen. Der schöpferische Impuls kam viel-
mehr aus der belebenden Atmosphäre von Akbars Hof und von seiner magnetischen
Persönlichkeit. Die Hindu-Kunst war durch die strengen rituellen Vorschriften
eingeengt, die ihr durch die brahmanischen Priester auferlegt wurden. Diese Prie-
ster waren keine Künstler .... sondern gehörten einer nur literarisch interessierten
Kaste an. Der unliterarische, aber weitherzige Akbar gab sowohl Mohammedanern
als Hindukünstlern ihre geistige und religiöse Freiheit. Indem die indische Kunst
die neue soziale Ordnung annahm, erweiterte sie ihre Grenzen und erneuerte ihre
frühere Lebenskraft. Dabei machte sie sich die fremden technischen Traditionen zu
eigen, ohne ihre eigenen Ideale jemals aufzugeben. Im ganzen betrachtet ist die in-
dische Malerschule der Mogul-Epoche so selbständig und ursprünglich im künstleri-
schen Ausdruck wie die persische, chinesische oder japanische.“ (Havell.)
Die Miniaturmalerei in Indien ist völlig der Initiative und dem Interesse der
mohammedanischen Kaiser von Delhi und ihrer Adligen zu verdanken. Der große
und universal veranlagte Akbar führte sie im späten 16. Jahrhundert von Persien
nach Indien ein. Doch war sie nicht persischen Ursprungs; sie kam dorthin von
Turkestan und China.
Schon vor der mohammedanischen Zeit wurde in Indien die Malerei ausgeübt,
was die in den Höhlen zu Ajanta entdeckten Wandgemälde bezeugen. Diese Ma-
lereien in den Ajanta-Höhlen sollen etwa 200 v. Chr. bis 700 n. Chr. ausgeführt
sein. Es scheint, daß die indischen Gemälde dieser Zeit einen sehr großen Einfluß
auf die Malkunst in China ausgeübt haben. Unglücklicherweise hat sich in der
gesamten Hmduhteratur keine Abhandlung, kein Abschnitt oder Satz gefunden, der
sich unmittelbar oder mittelbar mit der Kunst beschäftigte und uns so dazu verhelfen
könnte, eine Vorstellung von ihrer Geschichte und Ausübung zu gewinnen. Dem Mo-
hammedaner Abul Fasl verdanken wir es, dem tüchtigen Premierminister und Freund
Akbars, daß wir überhaupt eine geringe Kenntnis von ihrem Ursprung, ihrer Ge-
schichte, Entwicklung, Ausübung, Methode und Anwendung besitzen. Die Mal-
kunst in China, Persien und im mohammedanischen Indien ist eng mit der Schön-
schreibekunst verknüpft gewesen. Infolgedessen waren die meisten indischen Maler
hervorragende Kalligraphen. Die indischen Miniaturalbums bieten, wovon wir uns noch
heute überzeugen können, sehr oft auf der Rückseite der Blätter köstliche Beispiele
arabischer und persischer Schönschreibekunst. Abul Fasl widmet deswegen in seinem
berühmten Buche „Ain-i-Akbari“ (die Einrichtungen Akbars) sein 34. Kapitel den
„verbündeten Künsten des Schreibens und Malens“.
Über die Malerei schreibt Abul Fasl folgendes: „Die Ähnlichkeit von irgend
etwas durch Zeichnen zu erreichen heißt ,Taswir‘. Seine Majestät hat von frühester
Jugend an eine große Vorliebe für diese Kunst gezeigt und gibt ihr jede Ermutigung,
denn S. M. betrachtet sie als ein Mittel zum Studium sowohl als zum Vergnügen.
Seither blüht die Kunst und viele Werke der Maler werden wöchentlich Seiner
Indische Miniaturen der islamischen Zeit.
noch künstlerisch den indischen überlegen. Der schöpferische Impuls kam viel-
mehr aus der belebenden Atmosphäre von Akbars Hof und von seiner magnetischen
Persönlichkeit. Die Hindu-Kunst war durch die strengen rituellen Vorschriften
eingeengt, die ihr durch die brahmanischen Priester auferlegt wurden. Diese Prie-
ster waren keine Künstler .... sondern gehörten einer nur literarisch interessierten
Kaste an. Der unliterarische, aber weitherzige Akbar gab sowohl Mohammedanern
als Hindukünstlern ihre geistige und religiöse Freiheit. Indem die indische Kunst
die neue soziale Ordnung annahm, erweiterte sie ihre Grenzen und erneuerte ihre
frühere Lebenskraft. Dabei machte sie sich die fremden technischen Traditionen zu
eigen, ohne ihre eigenen Ideale jemals aufzugeben. Im ganzen betrachtet ist die in-
dische Malerschule der Mogul-Epoche so selbständig und ursprünglich im künstleri-
schen Ausdruck wie die persische, chinesische oder japanische.“ (Havell.)
Die Miniaturmalerei in Indien ist völlig der Initiative und dem Interesse der
mohammedanischen Kaiser von Delhi und ihrer Adligen zu verdanken. Der große
und universal veranlagte Akbar führte sie im späten 16. Jahrhundert von Persien
nach Indien ein. Doch war sie nicht persischen Ursprungs; sie kam dorthin von
Turkestan und China.
Schon vor der mohammedanischen Zeit wurde in Indien die Malerei ausgeübt,
was die in den Höhlen zu Ajanta entdeckten Wandgemälde bezeugen. Diese Ma-
lereien in den Ajanta-Höhlen sollen etwa 200 v. Chr. bis 700 n. Chr. ausgeführt
sein. Es scheint, daß die indischen Gemälde dieser Zeit einen sehr großen Einfluß
auf die Malkunst in China ausgeübt haben. Unglücklicherweise hat sich in der
gesamten Hmduhteratur keine Abhandlung, kein Abschnitt oder Satz gefunden, der
sich unmittelbar oder mittelbar mit der Kunst beschäftigte und uns so dazu verhelfen
könnte, eine Vorstellung von ihrer Geschichte und Ausübung zu gewinnen. Dem Mo-
hammedaner Abul Fasl verdanken wir es, dem tüchtigen Premierminister und Freund
Akbars, daß wir überhaupt eine geringe Kenntnis von ihrem Ursprung, ihrer Ge-
schichte, Entwicklung, Ausübung, Methode und Anwendung besitzen. Die Mal-
kunst in China, Persien und im mohammedanischen Indien ist eng mit der Schön-
schreibekunst verknüpft gewesen. Infolgedessen waren die meisten indischen Maler
hervorragende Kalligraphen. Die indischen Miniaturalbums bieten, wovon wir uns noch
heute überzeugen können, sehr oft auf der Rückseite der Blätter köstliche Beispiele
arabischer und persischer Schönschreibekunst. Abul Fasl widmet deswegen in seinem
berühmten Buche „Ain-i-Akbari“ (die Einrichtungen Akbars) sein 34. Kapitel den
„verbündeten Künsten des Schreibens und Malens“.
Über die Malerei schreibt Abul Fasl folgendes: „Die Ähnlichkeit von irgend
etwas durch Zeichnen zu erreichen heißt ,Taswir‘. Seine Majestät hat von frühester
Jugend an eine große Vorliebe für diese Kunst gezeigt und gibt ihr jede Ermutigung,
denn S. M. betrachtet sie als ein Mittel zum Studium sowohl als zum Vergnügen.
Seither blüht die Kunst und viele Werke der Maler werden wöchentlich Seiner