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Weber, Otto [Oth.]
Die Kunst der Hethiter — Orbis pictus, Band 9: Berlin: Wasmuth, 1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.61297#0009
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Im vorderen Orient hat die Menschheit im Ablauf von 4000 Jahren die erste
Epoche ihrer Geschichte vollendet. In Zeiten, die fast für die ganze übrige Welt
„vorgeschichtlich“ sind, haben dort die Völker in raschem Aufstieg die Grundlagen
der Kultur geschaffen und Formen des Zusammenlebens entwickelt, in denen staat-
liche Ordnung, Religion, Wissenschaft und Kunst zu hoher Blüte gelangen konnten.
Und in eben so raschem Abstieg sind die Völker wieder in deii Zustand des dämmern-
den Dahinlebens in einfachsten natürlichen Verhältnissen und vollkommener Be-
dürfnislosigkeit zurückgesunken, nachdem ihre Zeit erfüllt und ihr Erbe von neu
aufstrebenden Elementen auf genommen war. Fast 2000 Jahre lang hat dann der
Sand der Wüste die verfallenen Städte bedeckt, bis der Spaten des Ausgräbers da
und dort Denkmäler dieser versunkenen Welt wieder ans Licht gebracht hat.
Vorderasien bot genügend Raum, alle Gegensätzlichkeiten hervorzubringen, in
deren Widerstreit sich eine wechselvolle Geschichte abspielen konnte, und war doch
wieder hinreichend in sich geschlossen, der sich entwickelnden Kultur eine gewisse
Einheitlichkeit zu sichern.
Die Sumerer waren es, die im Ausgang des 5. Jahrtausends im vorderen Orient
die erste politische Organisation in dem Königtum von Ur im südlichen Babylonien
geschaffen haben. Wir wissen nicht, woher sie gekommen sind, welcher Völker-
familie sie nach Rasse und Sprache angehörten. Das aber wissen wir, daß sie die
Keilschrift erfunden haben und damit die Schöpfer der geistigen Kultur Vorder-
asiens geworden sind. Von ihren religiösen Vorstellungen, ihren Rechtssatzungen
hat der ganze alte Orient die nachhaltigsten Einwirkungen erfahren.
Semitische Völker, die vom Anfang des 3. Jahrtausends an in Babylonien zur
Macht gekommen sind, haben diese Keime zu mächtiger Entfaltung gebracht und im
eigentlichsten Sinn die Kultur geschaffen, die wir die babylonische nennen, die wir
aber ebensogut die vorderasiatische nennen können, da Kriegszüge und Handels-
unternehmungen schon zur Zeit des semitischen Reiches von Akkad in Nordbaby-
lonien um 2800 v. Chr. diese Kultur über ganz Vorderasien hin bis an die Gestade
des Mittelländischen und des Schwarzen Meeres verbreitet haben.
Neben den sumerischen und semitischen Babyloniern kommen für die ganze
4000jährige Geschichte des vorderen Orients andere Mächte als Kulturschöpfer
im höchsten Sinn so gut wie gar nicht in Frage, so wechselvoll die politischen,
Verhältnisse in dem weiten Gebiet sich auch gestaltet haben, auch die Assyrer nicht,
 
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