Der Orchideengarten
Phantastische Blätter
Herausgeber Karl Hans Strobl / < Sehriftleiter Alf von Czibulka
Enter Jahrgang
Zweites Heft
DAS TÖDLICHE ABENDESSEN
Von Karl und Josef Capek
(übersetzt von
WIR waren unser neun bei jenem Souper,
das Prinz Ama-Hahabe in einer
jähen und vernichtenden Anwandlung von
Langerweile improvisierte, die sich wie eine
schwarze Inspiration seiner bemächtigt hatte;
obwohl es kein Mittel gab, das ihm nicht zu
seiner Aufheiterung zur Verfügung gestanden
hätte, hatte der betrübte Prinz sich in den Kopf
gesetzt, sich seiner Schwermut ganz hinzugeben,
und daher saßen wir neun bei dem düsteren
Souper: Goor, der Tota-
lisateur des Klubs, Gui-
gnard, ein Spieler aus dem
Klub, Cepel, ein Aben-
teurer, Bernhard Hadra,
in einer Schenke aufge-
trieben, und Vämes, unter
dem Tische gefunden, Ba-
ron Ralph, der Gastgeber,
und wir.
Und ehe es Mitternacht
ward: fluchte Goor, sang
Guignard, hielt Hadra
Selbstgespräche, schwieg
Vämes düster, und es
fluchten Ralph und Cepel
im Verein; und der trüb-
selige Gastgeber starrte
verzweifelt und dumpf auf
die Decke, heimlich er-
Otto Piek)
freut, eine so ausgiebige Verstärkung seiner
melancholischen Stimmung zu finden.
„Alle Freuden des Lebens sindTrübnis und
Angst und schmerzliches Mühen. Die Jungfrau
träumt von Liebe und es wird ihr nur Schän-
dung zuteil. Das Herz träumt von Glück und
erntet nur Wollust. Ah, Glück! saget mir,
was Glück ist.“
„Nicht geboren zu werden“, sagte Hadra.
«Tot geboren zu werden“, fügte Vämes hinzu.
Der verzweifelte Prinz
rang die Hände.
„Und ich habe vermeint,
das Glück wäre nah; das
Glück wäre nah, nicht mit
der Hand zu fassen, doch
mit dem Fuß zu erreichen;
mit den Füßen, die überall
herumtreten und über alles
stolpern. O Goor, lieber
Freund, erweisen Sie mir
die Freundlichkeit und
schimpfen Sie!“
Und Goor schimpfte
in fünf Zungen und im
Stile der Strolche zweier
Welten; mit den lebendi-
gen Ausrufen italienischer
Schiffer verband er die
scharfen Schmähungen der
Otto Muck-Wien / Der blasse Neid
Phantastische Blätter
Herausgeber Karl Hans Strobl / < Sehriftleiter Alf von Czibulka
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DAS TÖDLICHE ABENDESSEN
Von Karl und Josef Capek
(übersetzt von
WIR waren unser neun bei jenem Souper,
das Prinz Ama-Hahabe in einer
jähen und vernichtenden Anwandlung von
Langerweile improvisierte, die sich wie eine
schwarze Inspiration seiner bemächtigt hatte;
obwohl es kein Mittel gab, das ihm nicht zu
seiner Aufheiterung zur Verfügung gestanden
hätte, hatte der betrübte Prinz sich in den Kopf
gesetzt, sich seiner Schwermut ganz hinzugeben,
und daher saßen wir neun bei dem düsteren
Souper: Goor, der Tota-
lisateur des Klubs, Gui-
gnard, ein Spieler aus dem
Klub, Cepel, ein Aben-
teurer, Bernhard Hadra,
in einer Schenke aufge-
trieben, und Vämes, unter
dem Tische gefunden, Ba-
ron Ralph, der Gastgeber,
und wir.
Und ehe es Mitternacht
ward: fluchte Goor, sang
Guignard, hielt Hadra
Selbstgespräche, schwieg
Vämes düster, und es
fluchten Ralph und Cepel
im Verein; und der trüb-
selige Gastgeber starrte
verzweifelt und dumpf auf
die Decke, heimlich er-
Otto Piek)
freut, eine so ausgiebige Verstärkung seiner
melancholischen Stimmung zu finden.
„Alle Freuden des Lebens sindTrübnis und
Angst und schmerzliches Mühen. Die Jungfrau
träumt von Liebe und es wird ihr nur Schän-
dung zuteil. Das Herz träumt von Glück und
erntet nur Wollust. Ah, Glück! saget mir,
was Glück ist.“
„Nicht geboren zu werden“, sagte Hadra.
«Tot geboren zu werden“, fügte Vämes hinzu.
Der verzweifelte Prinz
rang die Hände.
„Und ich habe vermeint,
das Glück wäre nah; das
Glück wäre nah, nicht mit
der Hand zu fassen, doch
mit dem Fuß zu erreichen;
mit den Füßen, die überall
herumtreten und über alles
stolpern. O Goor, lieber
Freund, erweisen Sie mir
die Freundlichkeit und
schimpfen Sie!“
Und Goor schimpfte
in fünf Zungen und im
Stile der Strolche zweier
Welten; mit den lebendi-
gen Ausrufen italienischer
Schiffer verband er die
scharfen Schmähungen der
Otto Muck-Wien / Der blasse Neid