Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Orchideengarten : phantastische Blätter — 1.1919

DOI Heft:
Drittes Heft
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.29026#0088
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Paul Neu


DAS TREIBHAUS
WUNDERLICHES UND ABSONDERLICHES

Dieser Teil des „Orchideengarten'" wird von Dr. Max Kemmerich bestellt.

Merkwürdiger Wahrtraum*.
Der berühmte Ägyptologe Heinrich Brugsch
schreibt in seinen Lehenserinnerungen („Mein
Leben und mein Wandern“, Berlin 1894
S. 330 fJ über einen merkwürdigen Wahr-
traum des Khedive im Jahre 1875 folgendes:
„Ich seihst nahm meinen Weg nach Göttingen,
um von meiner dort befindlichen Familie Ab-
schied zu nehmen und ohne längeren Aufent-
halt die W eiterreise auf einem Bremer Dampfer
anzutreten. Im Begriff, nach dem nahe ge-
legenen Bahnhol zu gehen, um den nach Bremen
abgehenden Frühzug zu benutzen, erhielt ich
auf dem Wege eine Drahtmeldung, die ich so-
fort öffnete, um ihren Inhalt noch vor der Ab-
reise kennen zu lernen. Sie lautete kurz und
bündig: „Der Khedive ersucht Sie, augenblick-
lich nach Kairo zurückzukehren.“— Mit dem
nächsten Eilzuge schlug ich die Richtung nach
Triest ein, um mit dem fälligen Lloyddampfer
mich nach Ägypten zurückzubegeben. Ich
hatte seit meiner Abreise keine Zeitung gelesen
und mußte nicht wenig überrascht sein, als mir
von dem Kommandanten des Schiffes die Nach-
richt mitgeteilt wurde, daß auf dem letzten
Bremer Dampfer, demselben, mit welchem ich
die Reise antreten wollte, eine von einem
Amerikaner namens Thomas konstruierte
Höllenmaschine vorzeitig explodiert sei und
mehrere Reisende und sonstige Personen getötet
und verwundet habe. Ich dankte Gott im
stillen, einer möglichen Gefahr für Leib und
Lehen durch meine Rückberufung entgangen
zu sein, und stellte mich bei meiner Ankunft
in Kairo sofort dem Vizekönig vor. In der
Meinung, von ihm nachträglich besondere Auf-
* Entnommen meinen „Prophezeiungen. Alter Aber-
glaube oder neue Wahrheit?“ Verlag Albert Langen.

träge zu erhalten, die er mir nur mündlich mit-
teilen könne, war ich nicht wenig erstaunt,
aus seinem Munde die Versicherung zu er-
halten, er sei hoch erfreut, mich heil und gesund
zu sehen, habe mir aber durchaus nichts zu
sagen. Er habe sich bewogen gefühlt, mich so-
fort durch den Draht zurückzuberufen, da in
der Nacht ein Traumbild ihm angeraten habe,
mich sofort kommen zu lassen, widrigenfalls
mir ein großes Unglück bevorstünde.“
Erscheinung eines Verstorbenen
Richard Graf von Pfeil, der nachmalige
preußische General und bekannte Schriftsteller,
erzählt folgende selbsterlebteGeschichte*: „Auf
der Fahrt nach Venedig erlebte ich eine Ge-
schichte, die mein ganzes Leben in meiner Er-
innerung geblieben ist. In Adelsberg unter-
brach ich die Reise, um die dortigen groß-
artigen Grotten kennen zu lernen. In dem mir
als besten empfohlenen der beiden Gasthöfe,
ich glaube, er hieß „Zur Krone“, stieg ich ab,
als einziger Gast, und erhielt Zimmer Nr. 1.
Es war ein langer, schmaler Raum; das Bett
in der der Tür entgegengesetzt liegenden rechten
Ecke; neben ihm ein tief in die Wand ein-
gelassenes Fenster, das, wenn im Zimmer Licht
brannte, durch einen dicken Vorhang völlig
verhängt war. Da mich die Besichtigung der
Grotten ermüdet hatte und ich folgenden
Morgen bereits um 3 Uhr die Reise fortsetzen
wollte, legte ich mich bald nach 8 Uhr abends
schlafen, ohne, was ich besonders bemerke, nur
einen Tropfen irgendeines geistigen Getränkes
zu mir genommen zu haben. Sofort schlief ich ein.
Plötzlich wache ich von einem jähen Schreck
* „Zwischen den Kriegen 1864 bis Anfang 1870“,
Schweidnitz 1912, Verlag L. Heege, S. 71 ff.

18
 
Annotationen