DIOS VIENNE
Bruchstück aus einem Roman
Von Leo Perutz (mit drei Zeichnungen von Otto Linnekogel),
Brockendorf saß zurückgelehnt in
seinem Stuhl, hatte seinen Portwein vor
sich stehen und schrie, als wäre er im Wirts-
haus, nach einerBouteille„vomBesten.“ Günther
stand über den Tisch gebeugt vor ihm und sah
ihn aus bösen und zusammengekniffenen Augen
mißgünstig an.
„Frißt wie ein Mohr und sauft wie eine
Kuh! Der will als Offizier respektiert sein“,
zischte er halblaut und voll Wut.
„Vivat amicitia, Bruder!“, sagte Brockendorf
schläfrig und hob sein Glas, denn er hätte gern
in Frieden weiter seinen Wein getrunken.
„Säuft wie eine Kuh, trägt V/äsche wie ein
Packknecht, das will ein Offizier sein“, rief
Günther lauter. „Von welchem Schlotfeger,
Juden oder Hanswurst hast du dein Hemd
gekauft?“
„Schweig, oder sprich französisch!“, mahnte
Eglofstein, denn er hatte zwei Dragoner in die
Stube kommen lassen, die mußten den Boden
vom Schneewasser trocken fegen.
„Soll ich mir auch die Haare mit Eau de La-
vende schmieren, Mosjöh Firlefanz?“, lachte
Brockendorf. „Soll ich auch auf Bälle und
Assemhleen laufen, wie du, und den Weibern
dort ihre Pfoten schlecken?“
„Aber du“, fuhr Donop auf ihn los. „Du hist
lieber alle Tage in den Dorfschenken gesessen
und hast dich von den Bauern mit Bier trak-
tieren lassen.“
„Das will ein Offizier sein!“ schrie Günther
dazwischen.
„Schweigt!“ rief Eglofstein mit einem ängst-
lichen Blick auf die Dragoner, die die Stube
fegten. „Wrollt ihr, daß eure wüsten Händel in
aller Mund und demOberst zu Ohren kommen ?“
„Die verstehen nichtfranzösich“, gab Günther
zur Antwort und wandte sich wieder an
Brockendorf. „In Darmstadt im ,zottigen
Juden\ hast du dich nicht ä la mode der Gassen-
jungen mit Maulschellen und tockschlägen
duelliert? Eine Schande fürs Regiment!“
„Hab mich doch in deiner Liebsten Armen
divertiert, du magst es krumm oder gerade
nehmen, Bürschlein“, sagte Brockendorf sehr
mit sich zufrieden. „Laß dein Maul hängen so
tief als du willst, bin doch auf Maria Licht-
meß die Nacht bei ihr gelegen und du bist
unten im Schnee gestanden und hast mit Stern-
chen an ihre Scheiben geworfen.“
„Bei den Wirtshausmenschern, bei den Et-
ceteras in den Parduzlöchern, da hist du gelegen,
aber nicht bei ihr!“ brüllte Günther erbost.
„Brockendorf!“, rief Hauptmann Eglofstein
und runzelte die Stirn. „Der Henker hol dich!
Ich glaub, das bin ich gewesen, der damals unter
ihrem Fenster stand, und nicht Günther.“
Aber Brockendorf hatte keine Zeit, auf ihn
zu hören.
„Hast Steinchen an ihr Fenster geworfen,
wir haben es wohl gehört. Und ich komme
zurück an ihr Bett und sag: ,Horch, das ist
Günther, der unten steht\ Und sie stützt den
Kopf in die Hände und lacht: ,Der Bub', lachte
sie, ,der Bub', der ist so ungeschickt, weiß nie-
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