mals mit seinen Armen und Beinen zu bleiben,
wenn er bei mir ist.”
Brockendorfs Stimme war heiser, wenn er
sprach, knarrte ein Wagenrad über eine Brücke.
Aber wir horchten und unser Zorn verging, wir
blickten ihn an und hörten aus seinem wüsten
Mund nur den fernen Klang von Fran^oise-
Maries fröhlichem Lachen.
„Ich hab geglaubt, der Oberst war daheim,
als ich den Schatten an den Scheiben sah“,
sagte Eglofstein und lief? den Kopf hängen.
„Hätt' ich gewußt, daß du ’s warst, Brocken-
dorf, Gott straf mich,
ich war' hinauf und hätt
dich] durchs Fenster
hinunter in den Schnee
geworfen. Doch es ist
vorbei, und die Liebe
vergeht wie hitziges
Fieber.“
Aber Brockendorf
war mit Günther noch
nicht fertig.
„Hat oft gelacht“,
schrie er. „Hat oft ge-
sagt: ,der dumme Bub,
der Bub will, ich soll
zu ihm auf sein Zimmer
kommen und weißt Du,
wo er wohnt? Hinten
herum im Hof; überm
Hühnerstall, unterm
Taubenschlag, dorthin soll ich kommen.”
Es waren Fran<joise- Maries spöttische
Worte, mit denen er uns höhnte, aber keiner
von uns fühlte Zorn, wir standen und horchten,
und es war uns, als hörten wir die tote Ge-
liebte durch den Mund eines Säufers noch ein-
mal zu uns sprechen.
„Brüder, mich reut’s, daß wir unserm Ober-
sten sein Weib genommen haben“, sagte Donop,
den der W'ein stets schwermütig und philo-
sophisch machte, leise.
„Ich weiß, Bruder, ich weiß, hast ihr oft ge-
nug verliebte Briefe geschrieben mit viel Cice-
ronianisch drin, ich mußt ihr's übersetzen, wenn
ich bei ihr im Bett lag“, lachte Brockendorf.
„Still, nicht so laut! Wenn es unserem Ober-
sten zu Ohren kommt, sind wir alle verloren“,
mahnte Donop ängstlich.
„Hast den stridor dentium, Bruder, nicht
wahr? Das ist eine bittere Krankheit, von der
kommt das Nasse in den Hosen. Ich mach mir
nicht eine taube Haselnuß aus allen Obersten
und Generälen“, schrie Brockendorf.
„Mich reut, was ich getan hab “, klagteDonop.
„Nun sitzen wir da, wir fünf, und nichts ist
uns geblieben aus jener Zeit, als Ekel, Eifer-
sucht und Haß.“
Er legte den Kopf in die Hände, und der
^Wein begann aus ihm zu philosophieren.
„Recht und Unrecht, Brüder, sind zwei un-
gleiche Pferde, jedes geht einen anderen Schritt.
Aber manchmal ist
mir's, als säh ich die
Faust, die sie beide am
Zügel hält und mit ihnen
das Ackerfeld der Erde
umpflügt. W'ie soll ich
ihn nennen, den rätsel-
haften Willen, der uns
alle so elend und zu
seinem Narren gemacht
hat? Soll ich ihn Schick-
sal nennen oder Zufall
oder ewiges Gesetz der
Sterne ?“
„Wrir Spanier nen-
nen ihn Gott“, sagte mit
einemmal eine fremde
Stimme aus demWinkel
der Stube her.
Wir fuhren auf und
blickten uns um. Die beiden Dragoner
waren nicht mehr da, ihre Kehrbesen
lehnten an der Wand. Aber der spanische
Maultiertreiber, der mit dem Gepäck des
Rittmeisters Salignac gekommen war, kauerte,
in seinen groben, braunen Mantel gehüllt,
auf dem Erdboden in der Ecke der Stube und
betete seinen Rosenkranz. Das Licht eines
Kienspans fiel auf sein breites, rotes, überaus
häßliches Gesicht, seine dicken Lippen bewegten
sich unaufhörlich im Gebete. Neben sich auf
der Erde hatte er ein schlechtes, baumwollenes
Tuch gebreitet, auf dem lag Brot und Knoblauch.
Ich glaube, wir waren in den ersten
Augenblicken mehr erstaunt als bestürzt, als
wir sahen, daß es der Spanier war, der sich
mit seinen einfältigen Werten in unser Gespräch
gemengt hatte. Aber gleich darauf begriffen
wir, was geschehen war.
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wenn er bei mir ist.”
Brockendorfs Stimme war heiser, wenn er
sprach, knarrte ein Wagenrad über eine Brücke.
Aber wir horchten und unser Zorn verging, wir
blickten ihn an und hörten aus seinem wüsten
Mund nur den fernen Klang von Fran^oise-
Maries fröhlichem Lachen.
„Ich hab geglaubt, der Oberst war daheim,
als ich den Schatten an den Scheiben sah“,
sagte Eglofstein und lief? den Kopf hängen.
„Hätt' ich gewußt, daß du ’s warst, Brocken-
dorf, Gott straf mich,
ich war' hinauf und hätt
dich] durchs Fenster
hinunter in den Schnee
geworfen. Doch es ist
vorbei, und die Liebe
vergeht wie hitziges
Fieber.“
Aber Brockendorf
war mit Günther noch
nicht fertig.
„Hat oft gelacht“,
schrie er. „Hat oft ge-
sagt: ,der dumme Bub,
der Bub will, ich soll
zu ihm auf sein Zimmer
kommen und weißt Du,
wo er wohnt? Hinten
herum im Hof; überm
Hühnerstall, unterm
Taubenschlag, dorthin soll ich kommen.”
Es waren Fran<joise- Maries spöttische
Worte, mit denen er uns höhnte, aber keiner
von uns fühlte Zorn, wir standen und horchten,
und es war uns, als hörten wir die tote Ge-
liebte durch den Mund eines Säufers noch ein-
mal zu uns sprechen.
„Brüder, mich reut’s, daß wir unserm Ober-
sten sein Weib genommen haben“, sagte Donop,
den der W'ein stets schwermütig und philo-
sophisch machte, leise.
„Ich weiß, Bruder, ich weiß, hast ihr oft ge-
nug verliebte Briefe geschrieben mit viel Cice-
ronianisch drin, ich mußt ihr's übersetzen, wenn
ich bei ihr im Bett lag“, lachte Brockendorf.
„Still, nicht so laut! Wenn es unserem Ober-
sten zu Ohren kommt, sind wir alle verloren“,
mahnte Donop ängstlich.
„Hast den stridor dentium, Bruder, nicht
wahr? Das ist eine bittere Krankheit, von der
kommt das Nasse in den Hosen. Ich mach mir
nicht eine taube Haselnuß aus allen Obersten
und Generälen“, schrie Brockendorf.
„Mich reut, was ich getan hab “, klagteDonop.
„Nun sitzen wir da, wir fünf, und nichts ist
uns geblieben aus jener Zeit, als Ekel, Eifer-
sucht und Haß.“
Er legte den Kopf in die Hände, und der
^Wein begann aus ihm zu philosophieren.
„Recht und Unrecht, Brüder, sind zwei un-
gleiche Pferde, jedes geht einen anderen Schritt.
Aber manchmal ist
mir's, als säh ich die
Faust, die sie beide am
Zügel hält und mit ihnen
das Ackerfeld der Erde
umpflügt. W'ie soll ich
ihn nennen, den rätsel-
haften Willen, der uns
alle so elend und zu
seinem Narren gemacht
hat? Soll ich ihn Schick-
sal nennen oder Zufall
oder ewiges Gesetz der
Sterne ?“
„Wrir Spanier nen-
nen ihn Gott“, sagte mit
einemmal eine fremde
Stimme aus demWinkel
der Stube her.
Wir fuhren auf und
blickten uns um. Die beiden Dragoner
waren nicht mehr da, ihre Kehrbesen
lehnten an der Wand. Aber der spanische
Maultiertreiber, der mit dem Gepäck des
Rittmeisters Salignac gekommen war, kauerte,
in seinen groben, braunen Mantel gehüllt,
auf dem Erdboden in der Ecke der Stube und
betete seinen Rosenkranz. Das Licht eines
Kienspans fiel auf sein breites, rotes, überaus
häßliches Gesicht, seine dicken Lippen bewegten
sich unaufhörlich im Gebete. Neben sich auf
der Erde hatte er ein schlechtes, baumwollenes
Tuch gebreitet, auf dem lag Brot und Knoblauch.
Ich glaube, wir waren in den ersten
Augenblicken mehr erstaunt als bestürzt, als
wir sahen, daß es der Spanier war, der sich
mit seinen einfältigen Werten in unser Gespräch
gemengt hatte. Aber gleich darauf begriffen
wir, was geschehen war.
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