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hattest du nur vier Diebsfinger an der rechten
Hand und jetzt hast du auf einmal fünf.“
„Ist er es nicht?“, rief Eglofstein und ver-
mochte kaum seinen Verdruß und seine Ent-
täuschung zu verbergen. „Durchsucht ihn, seht
nach, ob er das Geld bei sich hat!“
Der Dragoner Kümmel fuhr dem Maultier-
treiber in die Taschen des braunen Mantels
und zog sogleich einen großen ledernen Beutel
hervor.
„Das ist er! Das ist mein Beutel! O du
Geldrabe, willst du noch immer leugnen?“
Er durchsuchte den Beutel, fand aber nichts
darin, als etwas Knoblauch und ein Stück Brot.
„Mein Geld ist fort!‘\ schrie er wütend. „Bin
ich denn immer die Gans, die gerupft wird?
Wo sind meine Taler hin, gib Antwort! Hast
du sie alle an einem Tag durch die Gurgel
gejagt?“
Der Spanier schwieg und blickte ratlos zu
Boden.
„Wo ist mein Geld?“, schrie der Dragoner.
„Gib Antwort! Hast du’s vergraben oder ver-
soffen? Hast du ein Maul, so red!“
„Gott hat mir eine böse Ruten geflochten!“,
sagte der Spanier. „Es ist sein Wille. Was
geschehen soll, geschieht.“
„Herr Hauptmann!“, sagte der Sergeant
Urban. „Sicher ist das derselbe Dieb, der vor
fünf Tagen einen von den Koffern des Herrn
Obersten gestohlen hat, in denen die Kleider
und die seidenen Hem-
den der Frau Oberstin
verpackt sind.“
„Genug! Genug!“, rief
Eglofstein rasch. Er sah
mit Unruhe, daß der Ser-
geant von dem Oberst
und seiner Frau zu
sprechen begann und
fürchtete, der Maultier-
treiber könnt jetzt aus-
schwätzen, was er von
unserem Gespräch er-
lauscht hatte. „Genug!
Er ist des Diebstahls
überwiesen. Nehm' er
sechs Mann mit gela-
denen Gewehren, Ser-
geant! Führ' er ihn in
den Hof und mach’ er

ein End'. „Aber rasch! Rasch!', drängte Gün-
ther. „Ich mag die Priester nicht, die die Messe
zu langsam lesen.“
„Ich brauch nicht halb so lang dazu, als eine
heilige Messe dauert, vom Introite bis zum
Agnus dei!“, sagte der Sergeant. Er wandte
sich den Dragonern zu, die aus Neugierde, um
zu sehen, was es gab, hinter Kümmel die Treppe
herunter gekommen waren und kommandierte:
„Formiert euch! Nehmt ihn in die Mitte:
In Gliedern rechts — vorwärts — marsch!“
„Sennor!“, rief der Maultiertreiber und riß
sich von den Fäusten der Dragoner los. „Sie
sind ein Christ! Wollen Sie mich ohne Beichte
töten?“
Eglofstein runzelte die Stirne. Er wollte
keinen Aufschub. Den Spanier ungestört mit
einem andern sprechen zu lassen, schien ihm
gefährlich und gegen alle Vernunft.
„Ich will beichten vorher, wenn ich sterben
muß!“, rief der Spanier mit verstörtem Gesicht.
„Sie glauben, wie ich, an Gott und die heilige
Dreifaltigkeit. Um meiner Seele Seligkeit
willen, lassen Sie den Sennor Cura zu mir
kommen oder den Guardian des Klosters Santa
Engracia.“
„Was brauchst du den Pfaffen, beicht diesem
da!“, meinte Brockendorf und deutete auf den
Leutnant Donop. „Der hat auch einen Kahl-
kopf und das Latein läuft ihm wie Wasser
aus dem Mund.“ „Zu Ende! Zu Ende! Ser-
geant, führ Er ihn ab!
rief Günther, dem die
Sache zu lange dauerte.
„Nein!“, schrie der
Spanier und klammerte
sich mit beiden Händen
an den Tisch. „Lassen
Sie mich mit dem
Sennor Cura sprechen!
Nur kurze Zeit, nur
wenige Minuten, nur
so lang, wie ein heiliger
Rosenkranz dauert.“
Aber das eben war
es, was wir verhindern
mußten.
„Schweig, du Dieb!“,
donnerte ihn Günther
an. „Glaubst du, ich
weiß es nicht, was für


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