fahren, nahm dem Sergeanten den Kienspan aus
der Hand und leuchtete dem Toten ins Gesicht.
Der Marquis deBolibar hatte sein altes Ant-
litz wieder. Die Gewalt, die er seinen Zügen
angetan hatte, um zu unserer Täuschung die
Rolle eines Maultiertreibers zu spielen, hatte
der Tod zerbrochen. Nun lag er da und sein
Gesicht war so, wie ich es am Morgen dieses
Tages gesehen hatte: Stolz, unbewegt und
furchterweckend auch im Tode.
Die Soldaten räumten den Schnee weg und
machten sich daran, den Toten in die Erde zu
verscharren. Langsamen Schritts ging ich über
den Hof zurück ins Haus. Ich sah mit einem
Mal die seltsamen und verschlungenen Wege
des Marquis de Bolibar ganz klar vor mir
liegen und verstand, was geschehen war. Er
hatte am Morgen heimlich sein Haus verlassen
und mochte im Gehölz jenem Fuhrknecht Perico
begegnet sein, der sich eben mit den gestohlenen
Talern davon machen wollte. Er hatte mit ihm
die Kleider getauscht und sein Gesicht, das in
ungewöhnlicher Art seinem Willen unter-
worfen war, hatten die Züge des Fuhrknechts
angenommen. So war er in die Stadt zurück-
gekehrt, um unerkannt seine Pläne ins Werk
zu setzen. Aber mit einemmal sah er sich in
der Maske eines Diebs gefangen, wie in einer
Kerkerzelle. Er konnte sie nicht abwerfen,
ohne sich zu verraten, mußte in ihr bleiben und
den Tod erleiden, der einem anderen bestimmt
war.
Und indem mir dies alles durch den Sinn
ging, blieb ich mit einemmal mitten im Schnee
stehen und schlug mich vor die Stirne. Denn
ich begriff nun auch den Sinn des seltsamen
Eides, den er uns hatte schwören lassen. Den
Tod vor Augen, von Feinden umstellt, von
keinem gehört, hatte der Marquis de Bolibar
uns die Vollführung seines Werkes hinter-
lassen, wir selbst sollten die Signale geben, die
uns Vernichtung bringen sollten.
Ich wollte lachen über die Torheit dieses
Einfalls, aber das Lachen wollte mir nicht
kommen. Die Worte des Toten klangen mir
im Ohr: Dios vienne.
Gott war gekommen. Ein plötzlicher Schauer
durchlief mich und die Furcht vor etwas, was
ich in Worte nicht fassen konnte und das so
dunkel, so drohend, so voll Gefahren vor mir
lag, wie die schwarzen Schatten jener Eichen-
wälder. —
Hexe
Haus ^A^eiditz (um 1532)
der Hand und leuchtete dem Toten ins Gesicht.
Der Marquis deBolibar hatte sein altes Ant-
litz wieder. Die Gewalt, die er seinen Zügen
angetan hatte, um zu unserer Täuschung die
Rolle eines Maultiertreibers zu spielen, hatte
der Tod zerbrochen. Nun lag er da und sein
Gesicht war so, wie ich es am Morgen dieses
Tages gesehen hatte: Stolz, unbewegt und
furchterweckend auch im Tode.
Die Soldaten räumten den Schnee weg und
machten sich daran, den Toten in die Erde zu
verscharren. Langsamen Schritts ging ich über
den Hof zurück ins Haus. Ich sah mit einem
Mal die seltsamen und verschlungenen Wege
des Marquis de Bolibar ganz klar vor mir
liegen und verstand, was geschehen war. Er
hatte am Morgen heimlich sein Haus verlassen
und mochte im Gehölz jenem Fuhrknecht Perico
begegnet sein, der sich eben mit den gestohlenen
Talern davon machen wollte. Er hatte mit ihm
die Kleider getauscht und sein Gesicht, das in
ungewöhnlicher Art seinem Willen unter-
worfen war, hatten die Züge des Fuhrknechts
angenommen. So war er in die Stadt zurück-
gekehrt, um unerkannt seine Pläne ins Werk
zu setzen. Aber mit einemmal sah er sich in
der Maske eines Diebs gefangen, wie in einer
Kerkerzelle. Er konnte sie nicht abwerfen,
ohne sich zu verraten, mußte in ihr bleiben und
den Tod erleiden, der einem anderen bestimmt
war.
Und indem mir dies alles durch den Sinn
ging, blieb ich mit einemmal mitten im Schnee
stehen und schlug mich vor die Stirne. Denn
ich begriff nun auch den Sinn des seltsamen
Eides, den er uns hatte schwören lassen. Den
Tod vor Augen, von Feinden umstellt, von
keinem gehört, hatte der Marquis de Bolibar
uns die Vollführung seines Werkes hinter-
lassen, wir selbst sollten die Signale geben, die
uns Vernichtung bringen sollten.
Ich wollte lachen über die Torheit dieses
Einfalls, aber das Lachen wollte mir nicht
kommen. Die Worte des Toten klangen mir
im Ohr: Dios vienne.
Gott war gekommen. Ein plötzlicher Schauer
durchlief mich und die Furcht vor etwas, was
ich in Worte nicht fassen konnte und das so
dunkel, so drohend, so voll Gefahren vor mir
lag, wie die schwarzen Schatten jener Eichen-
wälder. —
Hexe
Haus ^A^eiditz (um 1532)