eineml .Tränenstrom den Genuß von Men-
schenfleisch ein. Es habe ihr nicht ge-
schmeckt, aber sie wollte jung werden. Dar-
nach gab Ziebler zu, mitgegessen zu haben,
um seinen Horizont zu erweitern. Nach und
nach bequemten sich auch die übrigen zum
Geständnis. Nur Kwill und seine Frau leug-
neten hartnäckig.
Stork raste ins Bureau, wo ihm der Nacht-
redakteur, nachdem er den Eindruck, es mit
einem Wahnsinnigen zu tun zu haben, über-
wunden hatte, trotz vorgerückter Stunde und
dem Händeringen des Metteurs soviel Platz zur
Verfügung stellte, als er nur wollte. Sogar die
Romanfortsetzung wurde geopfert. Der Effekt
des Originalberichtes war am nächsten Morgen
ungeheuer, die übrigen Zeitungen übernahmen
blaß vor Neid den Fall in ihre Abendblätter.
Leider tat es der Wirkung einigen Abbruch,
als im nächsten Morgenblatt gemeldet werden
mußte, dal? die Untersuchung die Reste der
Mahlzeit als Kalbfleisch und Kuheuter fest-
stellte. Und schliel?lich wurde
einwandfrei nachgewiesen,
dai? der betriebsame Kwill
seinen kannibalisch gesinn-
ten Gästen niemals etwas
anderes als loyales Rind-oder Schweinefleisch
vorgesetzt hatte. Dal? diese sich an Menschen-
fleisch zu delektieren vermeinten, war ihre
Sache. Man konnte den gefälligen V/irt zwar
nicht wegen V erf älschung notwendiger Lebens-
mittel bestrafen, vermochte ihn aber mit Hilfe
des Betrugsparagraphen zu packen, da er für
seine Mahlzeiten ausgiebige Liebhaberpreise
gefordert hatte. Der Hauptleidtragende war
der Reporter Stork, der sich um den Erfolg
seiner Bemühungen einigermaßen betrogen sah.
Auch würde das betreffende Kapitel seiner
Memoiren eine leider weit weniger effektvolle
Färbung von Selbstironie erhalten müssen.
Die übrigen kamen auf dem Umweg über
das Beobachtungszimmer aus dem Aben-
teuer heraus. Martin Lohrmann war der
Aufenthalt in Europa gänzlich verleidet.
Er versuchte wieder bei den Wambo-Nambo
anzukommen, die hatten jedoch schon einen
wirklichen Missionär als Medizinmann. Gegen-
wärtig versendet der Superintendent Offerte
an alle besseren Kannibalen-
stämme und verhandelt mit
den Manjuema, Monbuttu,
Niam-Niam, Basuto, Ka-
schibo und Südseeinsulanern.
DIE BERNSTEIN HEXE
Von Wilhelm Meinhold (mit 3 Zeichnungen ron E. Plaichinger-Coltelli)
Wie mein arm Töchterlein soll mit der peinlichen Frag beleget werden.
LS nunmehro Akta an Ein
lobsam Hofgericht ver-
schicket worden, währete
es wohl an die 14 Tage,
bevorab Antwort kam.
Und war Se. Gestrengen
der Amtshaubtmann son-
derlich freundlich gegen mich, erlaubte auch,
da das Gericht wieder heimbgekehret, daß ich
mein Töchterlein so oft sehen kunnte, als ich
begehrete, wannenhero ich den größten Theil
des Tages umb sie war. Und, wenn dem Büttel
die Zeit zu lange währete, daß er auf mich
passen mußte, gab ich ihme ein Trinkgeld, und
ließ mich von ihm mit meim Kind einschlie-
ßen. Auch war der barmherzige Gott uns gnä-
dig, daß wir oft und gerne beten mugten. Denn
wir hatten wieder eine steife Hoffnung und
vermeineten, daß das Kreuz, so wir gesehen,
nun bald wäre fürübergezogen und der grim-
migeWulf schon seinen Lohn bekommen würde,
wenn Ein lobsam Gericht Acta einsähe und an
die fürtreffliche Defension gelangete, so Dn.
Syndicus vor mein Kind gefabriciret. Darumb
fing ich auch wieder an aufzuheitern, zumalen
als ich sähe, daß meinem Töchterlem die Wan-
IO
schenfleisch ein. Es habe ihr nicht ge-
schmeckt, aber sie wollte jung werden. Dar-
nach gab Ziebler zu, mitgegessen zu haben,
um seinen Horizont zu erweitern. Nach und
nach bequemten sich auch die übrigen zum
Geständnis. Nur Kwill und seine Frau leug-
neten hartnäckig.
Stork raste ins Bureau, wo ihm der Nacht-
redakteur, nachdem er den Eindruck, es mit
einem Wahnsinnigen zu tun zu haben, über-
wunden hatte, trotz vorgerückter Stunde und
dem Händeringen des Metteurs soviel Platz zur
Verfügung stellte, als er nur wollte. Sogar die
Romanfortsetzung wurde geopfert. Der Effekt
des Originalberichtes war am nächsten Morgen
ungeheuer, die übrigen Zeitungen übernahmen
blaß vor Neid den Fall in ihre Abendblätter.
Leider tat es der Wirkung einigen Abbruch,
als im nächsten Morgenblatt gemeldet werden
mußte, dal? die Untersuchung die Reste der
Mahlzeit als Kalbfleisch und Kuheuter fest-
stellte. Und schliel?lich wurde
einwandfrei nachgewiesen,
dai? der betriebsame Kwill
seinen kannibalisch gesinn-
ten Gästen niemals etwas
anderes als loyales Rind-oder Schweinefleisch
vorgesetzt hatte. Dal? diese sich an Menschen-
fleisch zu delektieren vermeinten, war ihre
Sache. Man konnte den gefälligen V/irt zwar
nicht wegen V erf älschung notwendiger Lebens-
mittel bestrafen, vermochte ihn aber mit Hilfe
des Betrugsparagraphen zu packen, da er für
seine Mahlzeiten ausgiebige Liebhaberpreise
gefordert hatte. Der Hauptleidtragende war
der Reporter Stork, der sich um den Erfolg
seiner Bemühungen einigermaßen betrogen sah.
Auch würde das betreffende Kapitel seiner
Memoiren eine leider weit weniger effektvolle
Färbung von Selbstironie erhalten müssen.
Die übrigen kamen auf dem Umweg über
das Beobachtungszimmer aus dem Aben-
teuer heraus. Martin Lohrmann war der
Aufenthalt in Europa gänzlich verleidet.
Er versuchte wieder bei den Wambo-Nambo
anzukommen, die hatten jedoch schon einen
wirklichen Missionär als Medizinmann. Gegen-
wärtig versendet der Superintendent Offerte
an alle besseren Kannibalen-
stämme und verhandelt mit
den Manjuema, Monbuttu,
Niam-Niam, Basuto, Ka-
schibo und Südseeinsulanern.
DIE BERNSTEIN HEXE
Von Wilhelm Meinhold (mit 3 Zeichnungen ron E. Plaichinger-Coltelli)
Wie mein arm Töchterlein soll mit der peinlichen Frag beleget werden.
LS nunmehro Akta an Ein
lobsam Hofgericht ver-
schicket worden, währete
es wohl an die 14 Tage,
bevorab Antwort kam.
Und war Se. Gestrengen
der Amtshaubtmann son-
derlich freundlich gegen mich, erlaubte auch,
da das Gericht wieder heimbgekehret, daß ich
mein Töchterlein so oft sehen kunnte, als ich
begehrete, wannenhero ich den größten Theil
des Tages umb sie war. Und, wenn dem Büttel
die Zeit zu lange währete, daß er auf mich
passen mußte, gab ich ihme ein Trinkgeld, und
ließ mich von ihm mit meim Kind einschlie-
ßen. Auch war der barmherzige Gott uns gnä-
dig, daß wir oft und gerne beten mugten. Denn
wir hatten wieder eine steife Hoffnung und
vermeineten, daß das Kreuz, so wir gesehen,
nun bald wäre fürübergezogen und der grim-
migeWulf schon seinen Lohn bekommen würde,
wenn Ein lobsam Gericht Acta einsähe und an
die fürtreffliche Defension gelangete, so Dn.
Syndicus vor mein Kind gefabriciret. Darumb
fing ich auch wieder an aufzuheitern, zumalen
als ich sähe, daß meinem Töchterlem die Wan-
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