die Finsternis. Stefania. Ihr gelöstes Haar
fällt auf meine Hände.
„Es sein schrecklich!“ seufzt sie. „Er hat fünf
Flaschen Wein kommen lassen aus Freude über
den Konzert. Und ich habe Angst, wasWasser-
trilling gesagt hat. Bleiben Sie!“
Wir kauern mit verschlungenen Armen auf
der Treppe. Um Mitternacht schläft Stefania
auf meinen Knien ein. Aus dem Zimmer gröhlt
tief und verzweifelt Ginis Gesang, verstummt.
Dann ein schweres, dumpfes Dröhnen, das
Stefania erweckt.
Wir wissen und wagen nicht, das Zimmer
zu betreten. Ich tappe nach einer Glocke. Lang-
sam wird das Haus lebendig. Kellner, Juden,
endlich ein verschlafener polnischer Arzt.
Gehirnschlag.
Gegen vier Uhr früh tritt Lazar Schmel
in das Zimmer des Toten. Diesmal als
Unternehmer der Leichenbestattung, seinen
Gast ahzuholen. Der hektische Brand in
seinem Geierantlitz wütet tiefer vor Enttäu-
schung über das verlorene dritte Konzert.
Drei Tage später geschah, was
doch und wirklich geschehen ist.
Enrico Gini war begraben wor-
den. Letzter Klasse. Alles beeilte
sich dabei, weil es nicht einmal ei-
nen Leichenschnaps gab. Auch Ste-
fania fehlte.
Sie kam erst am dritten Tag zu
mir. Stand starr in der Tür. Ihre
Augen glänzten wie Gestirne im
Nebel. Dann kniete sie nieder. Ich
hole den Likör aus dem Kasten,
flöße ihr ein paar Tropfen ein. Sie
flüstert unbeweglich:
„Er spielt
zert.“
Ich führe sie auf die Straße,
winke einem Kutscher. Zum Hotel
Poniatowski!
Das Hotel Poniatowski geht fahl und ver-
wüstet vor und im Morgengrauen auf. Mit
Kaffeehaus und Automatenbüfett. Wir steigen
aus. Vor der Tür des Automatenbüfetts stoßen
wir auf Wassertrilling, der sich verlegen
herumdreht. Ich fasse ihn fragend heim Arm.
„Der Schmel is meschugge worden aus Wut
über dem Tod vom Gini“, murmelt er. „Seit
der Leich war er nix zu Haus. Und heut früh
hat er den Zettel hergehängt.“
Und weist auf den Zettel an der zerbroche-
nen Tür des Automatenbüfetts.
Elektrisches Klavier
Heute
Enrico Gini
Drittes Konzert
in seinen schönsten Stücken
Ich stoße Wassertrilling, der sich wie ein
Wahnsinniger sträubt, durch die Tür. Der
trübe Raum riecht schal nach schlechten Ge-
tränken. In den Automatenschüsseln schimm-
lige Brötchen. Im Hintergrund ein^Vahrsager-
automat und ein elektrisches Klavier.
Willenlos werfe ich ein Geldstück herein.
Das Klavier beginnt schrill zu klimpern-
Und jetzt glaube ich Ginis An-
schlag zu hören!
Wassertrilling stöhnt tief an
meiner Seite, zieht aus dem Kaftan
ein Beil hervor, mit dem er die
Vorderwand zertrümmert, die äch-
zend weicht, das Innere des Instru-
ments bloßlegend. Ein fremder, fau-
liger Geruch geht uns entgegen. Wir
taumeln zurück. —
An der Klaviatur hängen in
Frackärmeln und Manschet-
ten die Hände Enrico Ginis
in Lysol getaucht! Und jedes-
mal zwingt die aufschlagende Taste
den gekrümmten Finger, hurtig und
schnarrend die Saiten zu bewegen!
Das Spiel klimpert schrill und höh-
nisch, verstummt mit einem Ruck.
Die Hände Enrico Ginis rasten ge-
krümmt.
Wo ist das Tier, das das Gräßlichste aus-
geheckt?
Hinter dem Wahr sagerautomaten tritt Lazar
Schmel hervor. Seine Geierzüge rasen verzerrt
im satanischen Triumph. Er schreit gellend:
„Nu, wer hat recht gehabt? Ich oder der
Wassertrilling? Nu muß er doch spielen sei
drittes Konzert,fder Gini!“
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fällt auf meine Hände.
„Es sein schrecklich!“ seufzt sie. „Er hat fünf
Flaschen Wein kommen lassen aus Freude über
den Konzert. Und ich habe Angst, wasWasser-
trilling gesagt hat. Bleiben Sie!“
Wir kauern mit verschlungenen Armen auf
der Treppe. Um Mitternacht schläft Stefania
auf meinen Knien ein. Aus dem Zimmer gröhlt
tief und verzweifelt Ginis Gesang, verstummt.
Dann ein schweres, dumpfes Dröhnen, das
Stefania erweckt.
Wir wissen und wagen nicht, das Zimmer
zu betreten. Ich tappe nach einer Glocke. Lang-
sam wird das Haus lebendig. Kellner, Juden,
endlich ein verschlafener polnischer Arzt.
Gehirnschlag.
Gegen vier Uhr früh tritt Lazar Schmel
in das Zimmer des Toten. Diesmal als
Unternehmer der Leichenbestattung, seinen
Gast ahzuholen. Der hektische Brand in
seinem Geierantlitz wütet tiefer vor Enttäu-
schung über das verlorene dritte Konzert.
Drei Tage später geschah, was
doch und wirklich geschehen ist.
Enrico Gini war begraben wor-
den. Letzter Klasse. Alles beeilte
sich dabei, weil es nicht einmal ei-
nen Leichenschnaps gab. Auch Ste-
fania fehlte.
Sie kam erst am dritten Tag zu
mir. Stand starr in der Tür. Ihre
Augen glänzten wie Gestirne im
Nebel. Dann kniete sie nieder. Ich
hole den Likör aus dem Kasten,
flöße ihr ein paar Tropfen ein. Sie
flüstert unbeweglich:
„Er spielt
zert.“
Ich führe sie auf die Straße,
winke einem Kutscher. Zum Hotel
Poniatowski!
Das Hotel Poniatowski geht fahl und ver-
wüstet vor und im Morgengrauen auf. Mit
Kaffeehaus und Automatenbüfett. Wir steigen
aus. Vor der Tür des Automatenbüfetts stoßen
wir auf Wassertrilling, der sich verlegen
herumdreht. Ich fasse ihn fragend heim Arm.
„Der Schmel is meschugge worden aus Wut
über dem Tod vom Gini“, murmelt er. „Seit
der Leich war er nix zu Haus. Und heut früh
hat er den Zettel hergehängt.“
Und weist auf den Zettel an der zerbroche-
nen Tür des Automatenbüfetts.
Elektrisches Klavier
Heute
Enrico Gini
Drittes Konzert
in seinen schönsten Stücken
Ich stoße Wassertrilling, der sich wie ein
Wahnsinniger sträubt, durch die Tür. Der
trübe Raum riecht schal nach schlechten Ge-
tränken. In den Automatenschüsseln schimm-
lige Brötchen. Im Hintergrund ein^Vahrsager-
automat und ein elektrisches Klavier.
Willenlos werfe ich ein Geldstück herein.
Das Klavier beginnt schrill zu klimpern-
Und jetzt glaube ich Ginis An-
schlag zu hören!
Wassertrilling stöhnt tief an
meiner Seite, zieht aus dem Kaftan
ein Beil hervor, mit dem er die
Vorderwand zertrümmert, die äch-
zend weicht, das Innere des Instru-
ments bloßlegend. Ein fremder, fau-
liger Geruch geht uns entgegen. Wir
taumeln zurück. —
An der Klaviatur hängen in
Frackärmeln und Manschet-
ten die Hände Enrico Ginis
in Lysol getaucht! Und jedes-
mal zwingt die aufschlagende Taste
den gekrümmten Finger, hurtig und
schnarrend die Saiten zu bewegen!
Das Spiel klimpert schrill und höh-
nisch, verstummt mit einem Ruck.
Die Hände Enrico Ginis rasten ge-
krümmt.
Wo ist das Tier, das das Gräßlichste aus-
geheckt?
Hinter dem Wahr sagerautomaten tritt Lazar
Schmel hervor. Seine Geierzüge rasen verzerrt
im satanischen Triumph. Er schreit gellend:
„Nu, wer hat recht gehabt? Ich oder der
Wassertrilling? Nu muß er doch spielen sei
drittes Konzert,fder Gini!“
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