Ich erinnere mich genau, dal? ich etwas von
Jomini las, ein Rest des Geschmacks, den mir
der treffliche Major in vergangenen Zeiten für
militärische Dinge beigebracht hatte, also eine
so wenig als möglich phantastische Lektüre.
Allmählich fühlte ich mich von Schläfrigkeit
befallen und beschloß, mich ihr für kurze Zeit
zu überlassen, da der Kranke gegenwärtig ohne-
dies nichts brauchte. Auf jeden Fall hielt ich
es für gut, mich nochmals von seinem Befinden
zu überzeugen und stellte fest, dal? die Atmung
regelmäßig und der Schlaf leicht wie der eines
Kindes war. Ich ging zu meinem Platz zurück
und richtete die Augen zufällig nach der Ecke,
wo die Hand auf dem Tischchen ruhte.
Ich habe bereits gesagt, daß das Zimmer nur
von einer verhängten Nachtlampe erhellt war.
Die Hand schien sich zu bewegen. . . Merk-
würdige ^Virkung der Schläfrigkeit, sagte ich
mir und näherte mich, über mich selbst
lächelnd .. . „Und die Hand bewegte sich noch
immer?“ trällerte der unverbesserliche Fritz.
Diesmal erhob niemand Einspruch, und Hans
fuhr, nachdem er einen Zug aus seinem Bier-
kruge gemacht hatte, in seiner Erzählung fort.
„Nun blieb ich überrascht und sozusagen
wie festgewurzelt stehn, über mich, vielmehr
über meinenOrganismus,welcher mir einen der-
artigen Irrtum vorgaukelte, ärgerlich. Die Hand
fuhr f ort,ich kann nichts
anderes sagen als fuhr
fort, und ihr werdet
sehn, daß ich mich nicht
anders ausdrückenkann
sich immer mehr zu be-
wegen und scheinbar
Kraft und Führung an-
zunehmen. Da ich das
nicht mehr aushalten
konnte und mein Herz
von diesem Druck be-
freien wollte, hob ich
die Kristallglocke, wel-
che die seltsame Reli-
quie bedeckte, ab und
setzte diese der freien
Luft aus. Sofort begann
sie, sich auf dem von
einer reichen Spitzen-
manschette verhüllten
Stumpf hin und her zu
drehn! Und wies sie mich nicht, die andern
Finger außer dem Daumen schließend, auf mei-
nen Platz zurück? Ihre Bewegung war gebiete-
risch. Es war die Geste eines Feldherrn, der
ohne Erklärung einen sofort zu beziehenden
Posten bezeichnet. — Du lächelst, Fritz, — ich
versichere Dir, daß ich in dem Augenblick
keine Lust verspürte, zu lächeln oder über die
empörende Absurdität dieser Vision nachzu-
denken. Ohne, meinen Augen zum Trost, auch
nur im geringsten daran zu glauben, war ich
davon betäubt und, ich kann es gestehen, da
mich das Ende meiner Erzählung lossprechen
wird, entsetzt. So sehr, daß ich bis zu meinem
Fauteuil zurückwich, in den ich fiel, die
Augen sozusagen mit Gewalt auf diesen grauen-
haften Gegenstand geheftet, welcher nun, o
Gipfel des Entsetzens, seine Finger ausstreckte,
sie wieder einzog, wieder ausstreckte, wie
unter magnetischem Einfluß . . .
Soll ich es euch gestehen ? Ja, denn ich
wiederhole es, der Ausgang wird mich von
dem Verdacht, leichtgläubig zu sein, rechtfer-
tigen — ich fühlte mich versteint, an den Stuhl
genietet, jeder Bewegung unfähig. Gleichzeitig
erblaßte das ruhige Licht der Nachtlampe und
wurde nun von einer furchtbaren Weiße, von
der die Elektrizität nur eine unvollständige
Idee geben kann; irgend etwas wie leuchtende,
irisierendeStrahlenver-
breitete sich, und eine
Art unbestimmbarer
Geräusche, eine trau-
rige Musik schien es,
verschleierteT rommein
gedämpfte Trompeten
und weit entfernte Or-
geln, weinte, schluchzte,
floß in unbestimmten,
unendlich quälenden
Wogen dahin . . .
Plötzlich richtete sich
die Hand auf ihrem
Stumpfe auf, schwankte
von vorn nach rück-
wärts, von rückwärts
nach vorn, gleichsam um
Anlauf zu nehmen und
sprang wie eine Katze,
ohne das geringste Ge-
räusch, zur Erde. Wie
Jomini las, ein Rest des Geschmacks, den mir
der treffliche Major in vergangenen Zeiten für
militärische Dinge beigebracht hatte, also eine
so wenig als möglich phantastische Lektüre.
Allmählich fühlte ich mich von Schläfrigkeit
befallen und beschloß, mich ihr für kurze Zeit
zu überlassen, da der Kranke gegenwärtig ohne-
dies nichts brauchte. Auf jeden Fall hielt ich
es für gut, mich nochmals von seinem Befinden
zu überzeugen und stellte fest, dal? die Atmung
regelmäßig und der Schlaf leicht wie der eines
Kindes war. Ich ging zu meinem Platz zurück
und richtete die Augen zufällig nach der Ecke,
wo die Hand auf dem Tischchen ruhte.
Ich habe bereits gesagt, daß das Zimmer nur
von einer verhängten Nachtlampe erhellt war.
Die Hand schien sich zu bewegen. . . Merk-
würdige ^Virkung der Schläfrigkeit, sagte ich
mir und näherte mich, über mich selbst
lächelnd .. . „Und die Hand bewegte sich noch
immer?“ trällerte der unverbesserliche Fritz.
Diesmal erhob niemand Einspruch, und Hans
fuhr, nachdem er einen Zug aus seinem Bier-
kruge gemacht hatte, in seiner Erzählung fort.
„Nun blieb ich überrascht und sozusagen
wie festgewurzelt stehn, über mich, vielmehr
über meinenOrganismus,welcher mir einen der-
artigen Irrtum vorgaukelte, ärgerlich. Die Hand
fuhr f ort,ich kann nichts
anderes sagen als fuhr
fort, und ihr werdet
sehn, daß ich mich nicht
anders ausdrückenkann
sich immer mehr zu be-
wegen und scheinbar
Kraft und Führung an-
zunehmen. Da ich das
nicht mehr aushalten
konnte und mein Herz
von diesem Druck be-
freien wollte, hob ich
die Kristallglocke, wel-
che die seltsame Reli-
quie bedeckte, ab und
setzte diese der freien
Luft aus. Sofort begann
sie, sich auf dem von
einer reichen Spitzen-
manschette verhüllten
Stumpf hin und her zu
drehn! Und wies sie mich nicht, die andern
Finger außer dem Daumen schließend, auf mei-
nen Platz zurück? Ihre Bewegung war gebiete-
risch. Es war die Geste eines Feldherrn, der
ohne Erklärung einen sofort zu beziehenden
Posten bezeichnet. — Du lächelst, Fritz, — ich
versichere Dir, daß ich in dem Augenblick
keine Lust verspürte, zu lächeln oder über die
empörende Absurdität dieser Vision nachzu-
denken. Ohne, meinen Augen zum Trost, auch
nur im geringsten daran zu glauben, war ich
davon betäubt und, ich kann es gestehen, da
mich das Ende meiner Erzählung lossprechen
wird, entsetzt. So sehr, daß ich bis zu meinem
Fauteuil zurückwich, in den ich fiel, die
Augen sozusagen mit Gewalt auf diesen grauen-
haften Gegenstand geheftet, welcher nun, o
Gipfel des Entsetzens, seine Finger ausstreckte,
sie wieder einzog, wieder ausstreckte, wie
unter magnetischem Einfluß . . .
Soll ich es euch gestehen ? Ja, denn ich
wiederhole es, der Ausgang wird mich von
dem Verdacht, leichtgläubig zu sein, rechtfer-
tigen — ich fühlte mich versteint, an den Stuhl
genietet, jeder Bewegung unfähig. Gleichzeitig
erblaßte das ruhige Licht der Nachtlampe und
wurde nun von einer furchtbaren Weiße, von
der die Elektrizität nur eine unvollständige
Idee geben kann; irgend etwas wie leuchtende,
irisierendeStrahlenver-
breitete sich, und eine
Art unbestimmbarer
Geräusche, eine trau-
rige Musik schien es,
verschleierteT rommein
gedämpfte Trompeten
und weit entfernte Or-
geln, weinte, schluchzte,
floß in unbestimmten,
unendlich quälenden
Wogen dahin . . .
Plötzlich richtete sich
die Hand auf ihrem
Stumpfe auf, schwankte
von vorn nach rück-
wärts, von rückwärts
nach vorn, gleichsam um
Anlauf zu nehmen und
sprang wie eine Katze,
ohne das geringste Ge-
räusch, zur Erde. Wie