SCHLOSS VALNOIR
Von E. Scupin (mit 2 Zeichnungen von Elfriede P 1 a i c h i n g e r - C o 11 e 11 i)
einem trübseligen, ereignislosen Nach-
JL-L mittag hockten wir wieder einmal
stumpfsinnig zusammen. Leutnant d. L. Brum-
melmeier, in friedlichen Zeitläuften Privat-
dozent für Zoologie, hatte gerade ein wenig
aufregendes und allseitig unbeachtetes Pri-
vatissimum über lebend gebärende Zahnkarpfen
vorgetragen, da üherhrachte mir plötzlich der
Regimentsadjutant einen Befehl, sofort nach
Chateau Valnoir zu reiten und dann über die
Möglichkeit der dortigen Unterbringung des
Divisionsstabes zu berichten, „Auf der Karte
ist das Chateau nicht verzeichnet, es soll aber
mitten im Walde in südwestlicher Richtung
liegen, na. Sie werden's schon finden. Wenn
Sie wollen, kann Sie auch einer der anderen
Herren begleiten.“ Nach einem Augenblick
des Zögerns fügte der Adjutant noch leiser
und leicht lächelnd hinzu: „Übrigens, nehmen
Sie sich in acht, es scheint da nicht ganz ge-
heuer zu sein, die Pisangs machen ganz runde,
erschrocken geheimnisvolle Augen, wenn sie
nach dem Waldchateau, das offenbar noch
keiner von ihnen gesehen hat, gefragt werden.“
Auf einmal stand Dr. Brummelmeier vor
mir, flehendes Bitten in seinen bebrillten Kin-
deraugen: „Hören Sie,
Bester, nehmen Sie mich
mit“, und mit einem un-
sagbar komisch wirken-
den stolzhewui?tenBlick
auf den breit grinsenden
langen Salten: „Man
will doch auch mal was
erleben und aus dem
Stumpfsinn hier fort.“
Nun ritten wir schon
zwei gute Stunden. Im-
mer nach Südwesten.
Der zerfahrene, hart-
krustige ^Veg führte
durch immer dichtere,
wild wuchernde Be-
stände. Ah und zu mel-
dete irgendwoeinFasan,
sonst blieb alles still und
drückend. Die Fliegen
und Bremsen, die das heraufziehende Ge-
witter spürten, wurden allgemach lästig.
Eine peinliche, nervöse Spannung hatte sich
meiner und der Pferde bemächtigt, selbst
Brummeimeiers alter braver Schwadronszossel
begann zu schnauben und mit den Ohren zu
spielen, nur der gute Doktor schien völlig un-
berührt und verbreitete sich behaglich über den
ihm hochwichtig erscheinenden Unterschied
zwischen der gemeinen Stubenfliege Musca do~
mestica und der äußerlich leicht mit ihr zu ver-
wechselnden Stechfliege Stomoxis calcitrans.
Das Unwetter war indessen mit einer un-
wahrscheinlichen Schnelligkeit herangekom-
men. Die stillstehende Luft glomm in einem
giftig fahlen Gelb, und nur die obersten Baum-
wipfel packte manchmal eine kurze heftige
Sturmwelle. Kalter Schweiß brach mir aus
allen Poren, und eine atemlose wilde Angst
krallte sich mir ins Herz. Brummelmeier be-
endete gerade mit meckerndem Lachen sein
zoologisches Privatissimum mit dem Satze:
„Tja, sehen Sie, das wäre nun wieder einer der
häufigen Fälle in der Natur, daß eine ganz ge-
meine blutgierige Bestie sich unter der schein-
heiligen Maske eines braven Haustieres ver-
birgt“, da fuhr mit gel-
lem Knall ein breiter
Blitz vor uns in eine
uralte Eiche und spal-
tete einen starken Ast
ab,dermitweithin dröh-
nendem Krach zur Erde
prasselte. Dann war s
mit eins tiefschwarze
Nacht um uns.
Einige Augenblicke
lautloser Stille. Dann
schien sich die Hölle zu
öffnen. Aus den Hasel-
büschen glotzten glü-
hende Augen. Dann
wieder wimmerte es
von irgendwoher, als
läge jemand in höchster
Todesnot, und nun gell-
te ein schrilles, herz-
x3
Von E. Scupin (mit 2 Zeichnungen von Elfriede P 1 a i c h i n g e r - C o 11 e 11 i)
einem trübseligen, ereignislosen Nach-
JL-L mittag hockten wir wieder einmal
stumpfsinnig zusammen. Leutnant d. L. Brum-
melmeier, in friedlichen Zeitläuften Privat-
dozent für Zoologie, hatte gerade ein wenig
aufregendes und allseitig unbeachtetes Pri-
vatissimum über lebend gebärende Zahnkarpfen
vorgetragen, da üherhrachte mir plötzlich der
Regimentsadjutant einen Befehl, sofort nach
Chateau Valnoir zu reiten und dann über die
Möglichkeit der dortigen Unterbringung des
Divisionsstabes zu berichten, „Auf der Karte
ist das Chateau nicht verzeichnet, es soll aber
mitten im Walde in südwestlicher Richtung
liegen, na. Sie werden's schon finden. Wenn
Sie wollen, kann Sie auch einer der anderen
Herren begleiten.“ Nach einem Augenblick
des Zögerns fügte der Adjutant noch leiser
und leicht lächelnd hinzu: „Übrigens, nehmen
Sie sich in acht, es scheint da nicht ganz ge-
heuer zu sein, die Pisangs machen ganz runde,
erschrocken geheimnisvolle Augen, wenn sie
nach dem Waldchateau, das offenbar noch
keiner von ihnen gesehen hat, gefragt werden.“
Auf einmal stand Dr. Brummelmeier vor
mir, flehendes Bitten in seinen bebrillten Kin-
deraugen: „Hören Sie,
Bester, nehmen Sie mich
mit“, und mit einem un-
sagbar komisch wirken-
den stolzhewui?tenBlick
auf den breit grinsenden
langen Salten: „Man
will doch auch mal was
erleben und aus dem
Stumpfsinn hier fort.“
Nun ritten wir schon
zwei gute Stunden. Im-
mer nach Südwesten.
Der zerfahrene, hart-
krustige ^Veg führte
durch immer dichtere,
wild wuchernde Be-
stände. Ah und zu mel-
dete irgendwoeinFasan,
sonst blieb alles still und
drückend. Die Fliegen
und Bremsen, die das heraufziehende Ge-
witter spürten, wurden allgemach lästig.
Eine peinliche, nervöse Spannung hatte sich
meiner und der Pferde bemächtigt, selbst
Brummeimeiers alter braver Schwadronszossel
begann zu schnauben und mit den Ohren zu
spielen, nur der gute Doktor schien völlig un-
berührt und verbreitete sich behaglich über den
ihm hochwichtig erscheinenden Unterschied
zwischen der gemeinen Stubenfliege Musca do~
mestica und der äußerlich leicht mit ihr zu ver-
wechselnden Stechfliege Stomoxis calcitrans.
Das Unwetter war indessen mit einer un-
wahrscheinlichen Schnelligkeit herangekom-
men. Die stillstehende Luft glomm in einem
giftig fahlen Gelb, und nur die obersten Baum-
wipfel packte manchmal eine kurze heftige
Sturmwelle. Kalter Schweiß brach mir aus
allen Poren, und eine atemlose wilde Angst
krallte sich mir ins Herz. Brummelmeier be-
endete gerade mit meckerndem Lachen sein
zoologisches Privatissimum mit dem Satze:
„Tja, sehen Sie, das wäre nun wieder einer der
häufigen Fälle in der Natur, daß eine ganz ge-
meine blutgierige Bestie sich unter der schein-
heiligen Maske eines braven Haustieres ver-
birgt“, da fuhr mit gel-
lem Knall ein breiter
Blitz vor uns in eine
uralte Eiche und spal-
tete einen starken Ast
ab,dermitweithin dröh-
nendem Krach zur Erde
prasselte. Dann war s
mit eins tiefschwarze
Nacht um uns.
Einige Augenblicke
lautloser Stille. Dann
schien sich die Hölle zu
öffnen. Aus den Hasel-
büschen glotzten glü-
hende Augen. Dann
wieder wimmerte es
von irgendwoher, als
läge jemand in höchster
Todesnot, und nun gell-
te ein schrilles, herz-
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