DER TEUFEL
Von Guy de Maupaasant, übertragen von Alf von Czibulka (mit zwei Zeichnungen von Flora Palyi)
ER Bauer stand dem Arzte
gegenüber am Bette der
Sterbenden. Ruhig, gott-
ergeben und ungetrübten
Geistes horchte die Alte
auf das Gespräch der
beiden Männer. Es ging ans
Sterben. Sie wehrte sich nicht, ihre Zeit war
um. Zweiundneunzig Jahre war sie alt.
Die Julisonne flutete durch die weit offenen
Türen und Fenster und breitete ihr heißes
Leuchten über den braunen Lehmboden, den die
Holzschuhe der Bauern vier Menschenalter
lang durchwühlt und zerstampft hatten. Ge-
tragen von der in der Glut erzitternden Luft
floß der Duft der Felder, der Duft der Gräser,
die in der Mittagshitze brannten, der Duft des
Kornes und der Blätter herein.
Die Stimme erhebend sagte der Arzt: „Ho-
nore. Sie dürfen Ihre Mutter in diesem Zustand
nicht allein lassen. Sie kann jeden Augenblick
hinübergehen.“
Aber verzweifelt entgegnete immer wieder
der Bauer: „Muß doch den Schnitt herein-
bringen, lang genug schon liegt er draußen.
Gerade heut’ ist das Wetter so gut. Was
meint die Mutter dazu?“
Und die alte sterbende Bäuerin, deren Gemüt
noch von der Habsucht dieser Menschen der
Normandie umkrallt war, nickte mit Augen und
Stirne „Ja“ und ermunterte ihren Sohn, das Ge-
treide zu bergen und sie einsam sterben zu lassen.
Wutend stampfte der Arzt mit dem Fuße
auf und sagte: „Sie sind ein gemeines Vieh, ver-
standen! Ich lasse das nicht zu, verstanden!
Und wenn Sie schon ihr Getreide um jeden
Preis heute einfahren müssen, dann, zum Teufel,
lassen Sie die alte Rapetbäuerin holen und sie
bei Ihrer Mutter Wache halten. Ich will es,
verstanden! Und wenn Sie mir nicht folgen,
lasse ich Sie wie einen Hund verrecken, wenn
einmal an Sie die Reihe kommt, verstanden!“
Den Bauer, einen großen und hageren Mann
mit langsamen Bewegungen, quälte Unent-
schlossenheit, Furcht vor dem Arzt und eine
wilde Liehe zum Geiz. Er schwankte, rechnete
und stotterte endlich: „Die Rapet — ja wieviel
nimmt die wohl fürs ^Wachen?“
Der Arzt brüllte: „Weiß ich’s? D as kommt
doch darauf an, wie lange Sie sie brauchen.
Zum Donnerwetter, machen Sie das gefälligst
mit ihr ab. Aber in einer Stunde ist die Alte
hier, verstanden.“
Der Bauer entschied sich: „Nichts für un-
gut, ich gehe schon. Seien Sie bloß nicht böse,
Herr Doktor.“
Sobald er allein war, sagte er ganz gedrückt
zu seiner Mutter: „Werd' halt die Rapet-
bäuerin holen, weil er's durchaus will. Sei
nur ruhig, bis ich wiederkomme.“
Die Rapet war eine alte Büglerin, die neben-
bei bei allen Toten und solchen, die im Begriffe
waren, es zu werden, in der Gemeinde und
Umgebung Wache hielt. Und wenn sie dann
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