Meister der Bergmannschen Offizin / Aus dem „Ritter von Turn“ (Basel 1492)
Sie stritten sich lange Zeit herum. Da aber
die Alte wieder gehen wollte, da die Zeit ver-
rann und sein Getreide sich nicht von selber
einfuhr, gab er schließlich nach: „Also schön.
6 Franken alles in allem, samt der Leichen-
wäsche.“
„Abgemacht — sechs Franken!“
Und mit langen Schritten stelzte er seinem
Getreide zu.
Die Leichenfrau trat zurück ins Haus. Sie
hatte sich Arbeit mitgebracht, denn bei Ster-
benden und Toten arbeitete sie unaufhörlich,
bald für sich, bald für die Familie, die sie ge-
rade für eine kleine Aufzahlung für doppelte
Arbeit verwendete. — Plötzlich fragte sie;
„Seid Ihr wenigstens schon versehen worden,
Mutter Bontemps?“
Die Bäuerin verneinte, leise mit dem Kopfe
schüttelnd.
Die Rapet, die sehr fromm war, sprang aui
und rief: „Herrgott, ist das möglich! Ich hole
gleich Se. Hochwürden, den Herrn Pfarrer.“
Und sie trabte, so schnell sie konnte, zum
Pfarrhof, daß die Lausbuben auf dem Dorf-
platze, die sie daherjagen sahen, meinten, es
wäre ein Unglück geschehen.
Der Priester schlüpfte in sein Chorhemd
und brach alsogleich auf. Vor ihm her ging
der Ministrantenbub, der sein Glöcklein läuten
ließ, auf daß es verkünde, daß Gott durch die
in der Glut ruhende Landschaft schreite. Der
Ministrant in seinem roten Röcklein ging
schnell, der Priester, der den Kopf mit dem
viereckigen Barett auf die eine Schulter hängen
ließ, folgte ihm und murmelte Gebete. Die
Rapet schritt verhutzelt hinterdrein.
Honore sah die Drei von weitem vorüber-
gehen und fragte: „Wb geht denn unser Pfarrer
hin ?“
Sein Knecht, der heller war wie er, ant-
wortete: „Er bringt deiner Mutter den lieben
Gott.“
Der Bauer war nicht sonderlich erstaunt und
brummte: „Kann schon sein, kann schon sein.
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