hinab, und Manoel fragte sie: „Wohin fahrt
ihr?“ Da sprach der eine, und Manoel ver-
stand ihn: „Zur Hölle.“ „Was, wenn ich mit
euch führe“, schrie Manoel und sprang mit
leidenschaftlicher Begehrlichkeit mitten in das
Boot hinein; das Boot näherte sich plötzlich
dem Schiffe, Wasser und Finsternis ver-
schwammen in eins, und auch Manoel versank
in diese Unwirklichkeit und Gespenstigkeit.
Der Bruder, der an seinem Lager saß, wußte
schon eine Weile, daß Manoel tot sei, und er
betete über ihm. Dann erhob er sich und ging
fort, um Wasser zum Waschen der Leiche und
einen Laken zu holen.
DAS TREIBHAUS
WUNDERLICHES UND ABSONDERLICHES
Dieser Teil des „Orchideengarten“ wird von Dr. Max Kemmerich bestellt.
Erscheinung eines Sterbenden
Es war im Mai 1915 in La Vallee am Oise-
Aisne-Kanal, wo wir im Quartier lagen. Einer
meiner Herren, ein Dr. Ernst Fr., im Frieden
Apotheker in Nördlingen, kam am Mittag von
der Jagd zurück und fiel mir durch sein ernstes
Aussehen auf, das nicht recht in unsere fröhliche
Tafelrunde paßte. Auf meine Frage nach dem
Grunde sagte er etwa folgendes: „Herr Ritt-
meister, ich hatte eben ein Erlebnis, das mich
sehr beschäftigt. Ich sah plötzlich, als ich durch
den lichten Wald ging, um etwas für unseren
Tisch zu schießen, einen meiner intimsten
Freunde aus Nördlingen vor mir stehen und
hörte ihn deutlich sagen: „Ernst, lebe wohl.“
Dann war er ebenso plötzlich verschwunden.
Daraus folgere ich, daß ich nun fallen werde.
Ich erwiderte, daß dieser Schluß meines Dafür-
haltens falsch wäre, daß vielmehr diesem
Freunde offenbar selbst etwas zugestoßen sei.
Ob er im Felde oder krank sei? Die erste Frage
verneinte der Herr und behauptete von einer
Krankheit nichts zu wissen. Ich bat ihn darauf,
sich die Zeit des offenbar telepathischen Er-
lebnisses genau zu notieren und den näheren
Umständen nachzugehen, wie auch ich mir den
Vorfall aufschrieb. Nach wenigen Tagen las
Dr. Fr. in der von ihm gehaltenen „Nördlinger
Zeitung“ die Todesanzeige des Freundes. Ich
bat ihn, die Witwe nach dessen letzten Stunden
zu befragen, worauf die Antwort eintraf, der
Verstorbene habe ihr noch kurz vor seinem
Tode Grüße an seinen Freund Dr. Ernst Fr.
aufgetragen. Die Todesstunde stimmte an-
nähernd überein mit der, in welcher meinTisch-
genosse die Erscheinung gehabt hatte. Die Luft-
linie von La Vallee nach Nördlingen mißt etwa
520 km. Dem Zweifler an der Zuverlässigkeit
meiner Angaben bin ich gern bereit, die Namen
des betreffenden Herrn, als auch der Zeugen,
die durch wunderbare Schicksalsfügung heute
noch sämtlich leben, zu nennen. Zur Wider-
legung der sonderbaren Hypothese,derartige Er-
scheinungen seien Angstprodukte, dem Grauen
vor der unheimlichen Umgebung entsprungen,
sei ausdrücklich betont, daß sich das vorer-
wähnte Ereignis bei strahlendem Sonnenschein
und in lieblichster Gegend zutrug. Dr. Fr. war
auch nichts weniger als aufgeregt, sondern nur
darauf bedacht, uns einen Braten zu schießen.
ihr?“ Da sprach der eine, und Manoel ver-
stand ihn: „Zur Hölle.“ „Was, wenn ich mit
euch führe“, schrie Manoel und sprang mit
leidenschaftlicher Begehrlichkeit mitten in das
Boot hinein; das Boot näherte sich plötzlich
dem Schiffe, Wasser und Finsternis ver-
schwammen in eins, und auch Manoel versank
in diese Unwirklichkeit und Gespenstigkeit.
Der Bruder, der an seinem Lager saß, wußte
schon eine Weile, daß Manoel tot sei, und er
betete über ihm. Dann erhob er sich und ging
fort, um Wasser zum Waschen der Leiche und
einen Laken zu holen.
DAS TREIBHAUS
WUNDERLICHES UND ABSONDERLICHES
Dieser Teil des „Orchideengarten“ wird von Dr. Max Kemmerich bestellt.
Erscheinung eines Sterbenden
Es war im Mai 1915 in La Vallee am Oise-
Aisne-Kanal, wo wir im Quartier lagen. Einer
meiner Herren, ein Dr. Ernst Fr., im Frieden
Apotheker in Nördlingen, kam am Mittag von
der Jagd zurück und fiel mir durch sein ernstes
Aussehen auf, das nicht recht in unsere fröhliche
Tafelrunde paßte. Auf meine Frage nach dem
Grunde sagte er etwa folgendes: „Herr Ritt-
meister, ich hatte eben ein Erlebnis, das mich
sehr beschäftigt. Ich sah plötzlich, als ich durch
den lichten Wald ging, um etwas für unseren
Tisch zu schießen, einen meiner intimsten
Freunde aus Nördlingen vor mir stehen und
hörte ihn deutlich sagen: „Ernst, lebe wohl.“
Dann war er ebenso plötzlich verschwunden.
Daraus folgere ich, daß ich nun fallen werde.
Ich erwiderte, daß dieser Schluß meines Dafür-
haltens falsch wäre, daß vielmehr diesem
Freunde offenbar selbst etwas zugestoßen sei.
Ob er im Felde oder krank sei? Die erste Frage
verneinte der Herr und behauptete von einer
Krankheit nichts zu wissen. Ich bat ihn darauf,
sich die Zeit des offenbar telepathischen Er-
lebnisses genau zu notieren und den näheren
Umständen nachzugehen, wie auch ich mir den
Vorfall aufschrieb. Nach wenigen Tagen las
Dr. Fr. in der von ihm gehaltenen „Nördlinger
Zeitung“ die Todesanzeige des Freundes. Ich
bat ihn, die Witwe nach dessen letzten Stunden
zu befragen, worauf die Antwort eintraf, der
Verstorbene habe ihr noch kurz vor seinem
Tode Grüße an seinen Freund Dr. Ernst Fr.
aufgetragen. Die Todesstunde stimmte an-
nähernd überein mit der, in welcher meinTisch-
genosse die Erscheinung gehabt hatte. Die Luft-
linie von La Vallee nach Nördlingen mißt etwa
520 km. Dem Zweifler an der Zuverlässigkeit
meiner Angaben bin ich gern bereit, die Namen
des betreffenden Herrn, als auch der Zeugen,
die durch wunderbare Schicksalsfügung heute
noch sämtlich leben, zu nennen. Zur Wider-
legung der sonderbaren Hypothese,derartige Er-
scheinungen seien Angstprodukte, dem Grauen
vor der unheimlichen Umgebung entsprungen,
sei ausdrücklich betont, daß sich das vorer-
wähnte Ereignis bei strahlendem Sonnenschein
und in lieblichster Gegend zutrug. Dr. Fr. war
auch nichts weniger als aufgeregt, sondern nur
darauf bedacht, uns einen Braten zu schießen.