richteten, machten Onkel und Tante recht
ernste Gesichter, denn unsere Erzählung deckte
sich durchaus mit Erlebnissen, die andere Per-
sonen viele Jahre früher in dem gleichen Zim-
mer gehabt hatten. Dieser Schlol?teil war des-
halb lange Jahre hindurch unbewohnt gehlieben,
und erst mein Onkel, der als aufgeklärter, real
denkender Jurist auf derartige Erzählungen
nichts gab, hatte den verrufenen Flügel wieder
in Benutzung genommen. Einer alten Sage nach
soll die Erscheinung der weißen Frau stets be-
sondere Begebenheiten in der fürstlichen Fa-
milie angezeigt haben. -n.
*
Das Wegzaubern durch Besprechen der
Krankheiten findet man im Aberglauben und
der Kurpfuscherei aller Völker. Mit der Hyp-
nose und zuletzt der Psycho-Analyse hat die
Heilkunst unserer Tage altem Aberglauben
immerhin ein wenig zur Wahrheit verholfen.
Sonderbarer aber ist es, daß der Glaube viel
verbreitet ist, daß man Krankheiten heilen
könne, indem man sie kurz entschlossen auf-
frißt. Die Technik dieser seltsamen Therapie
ist die, daß man den Namen der Krankheit auf
ein Blatt Papier schreibt, dieses in Obst oder
Brot steckt und so verspeist. Cz.
★
PHANTASTISCHE BÜCHER
An dieser Stelle zeigen wir an und besprechen neuere und ältere phantastische Literatur, graphische Blätter, Werke
unserer Mitarbeiter uew.
Leo Perutz und Paul Frank: „Das Mango-
baumwunder.“ Eine unglaubwürdige Geschichte.
Verlag von Albert Langen, München. 8. und
9. Tausend. Die jenseits europäischer Erlebnismöglich-
keiten stehenden magischen Kräfte gewisser indischer Prie-
ster bauen diese phantastische Novelle auf. Von einer
seiner Weltreisen hat der als Sportmann bekannte Baron
Vog einen indischen Gärtner mitgebracht,
der die Fähigkeit besitzt, durch „Insich-
selbstversenken“ alle Lebensvorgänge so zu
beschleunigen, daß die sonst auf viele Jahr-
zehnte verteilte Entwicklung auf wenige
Minuten zusammengedrängt wird. Das erste
Experiment des Inders wandelt die junge
tropische Gewächshausanlage des Vogschen
Gartens in ein charakteristische« indisches
Urwalddickicht, dessen Hauptzier ein ur-
alter Mangobaum darstellt, der eben noch
ein unscheinbares kümmerliches Stämmchen
war. Angeregt durch diesen gelungenen
Versuch läßt Vog das Experiment an sich
selbst und seiner kinderjungen Tochter vor-
nehmen. Ehe aber der Inder noch die Rück-
verwandlung des plötzlich arterioskleroti-
schen alten Mannes und der bereits Spuren
des Verblühens zeigenden Tochter wieder vornehmen kann,
wird er von einer im Gewächshaus entstandenen Schlange
tödlich gebissen. Die eigenartigen Erlebnisse des nun zu
Rate gezogenen Toxikologen, dem es übrigens gelingt, den
Inder wenigstens auf kurze Zeit wieder handlungsfähig zu
machen, so daß er die Rückverwandlung seines Brotherrn
und dessen Tochter ausführen kann, bilden den eigentlichen
Inhalt des Buches. ,,Eine unglaubwürdige Geschichte“ nennen
die Verfasser ihreNovelle, aber sie hält denLeser in Spannung,
und damit ist der Zweck des Buches erreicht. E. S.
Dr. Max P olla czek: „Wun d erliche "Wahr heiten.“
Verlag von Dr. P. Langenscheidt, Berlin. Mit an-
erkennenswertem Geschick in der Auswahl hat Dr. Polla-
czek aus ernsten Werken aller möglichen Wissensgebiete
das Amüsante und Kuriose gesammelt und
so ein Kompendium der Miszellen zusammen-
gestellt, das zweifellos geeignet ist, manche
müßige Stunden vertreiben zu helfen. Der
dezente Humor des verbindenden Textes ver-
leiht dem Buche eine liebenswürdige Note
und wird sicher mit dazu beitragen, diesen
„Kuriositäten von Einst und Jetzt“ Freunde
zu gewinnen. E. Sc.
Herbert Moos: „DerBürger.“Zwei
Erzählungen. VerlagvonHuberßfCo.
Frauenfeld und Leipzig. Von den hier
vorliegenden zwei Erzählungen hat die erste
die von kleinlichen Eitelkeiten erfüllte, im
übrigen aber recht harmlose Lebensgeschichte
eines kleinbürgerlichen Spießers zum Gegen-
stand. Die zweite Erzählung könnte — in die
Sprache exakter Wissenschaft übersetzt —
auch in Krafft-Ebings Psychopathiasexualis Aufnahme finden.
In den Themen selbst liegt zwar kein Grund zu tieferem Inter-
esse, doch verrät die Art der Darstellung immerhin ein nicht
alltägliches Talent, wenn auch den oft gewaltsam herangezo-
genen und vielleicht etwas überreichlichen Beiworten noch
das Bemühen des jungen Genfer Autors anzumerken ist,
originell zu schreiben. -n.
Bemerkungen der Schriftleitung
Das Titelblatt zeichnete R. v. Hoerschelmann, die Leiste zum Treibhaus Otto Muck.
Verantw örtlich: Für die Schriftleitung Alf von Czibulka, München, Für den Anzeigenteil Hans Eberlein, München.
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur für Österreich : Hans Hofmann-Alontanus, Wien IV, Viktorgasse 18.
Druck : Alünchnst Buchgewerbehaus Af. Alüllet & Sohn.
ernste Gesichter, denn unsere Erzählung deckte
sich durchaus mit Erlebnissen, die andere Per-
sonen viele Jahre früher in dem gleichen Zim-
mer gehabt hatten. Dieser Schlol?teil war des-
halb lange Jahre hindurch unbewohnt gehlieben,
und erst mein Onkel, der als aufgeklärter, real
denkender Jurist auf derartige Erzählungen
nichts gab, hatte den verrufenen Flügel wieder
in Benutzung genommen. Einer alten Sage nach
soll die Erscheinung der weißen Frau stets be-
sondere Begebenheiten in der fürstlichen Fa-
milie angezeigt haben. -n.
*
Das Wegzaubern durch Besprechen der
Krankheiten findet man im Aberglauben und
der Kurpfuscherei aller Völker. Mit der Hyp-
nose und zuletzt der Psycho-Analyse hat die
Heilkunst unserer Tage altem Aberglauben
immerhin ein wenig zur Wahrheit verholfen.
Sonderbarer aber ist es, daß der Glaube viel
verbreitet ist, daß man Krankheiten heilen
könne, indem man sie kurz entschlossen auf-
frißt. Die Technik dieser seltsamen Therapie
ist die, daß man den Namen der Krankheit auf
ein Blatt Papier schreibt, dieses in Obst oder
Brot steckt und so verspeist. Cz.
★
PHANTASTISCHE BÜCHER
An dieser Stelle zeigen wir an und besprechen neuere und ältere phantastische Literatur, graphische Blätter, Werke
unserer Mitarbeiter uew.
Leo Perutz und Paul Frank: „Das Mango-
baumwunder.“ Eine unglaubwürdige Geschichte.
Verlag von Albert Langen, München. 8. und
9. Tausend. Die jenseits europäischer Erlebnismöglich-
keiten stehenden magischen Kräfte gewisser indischer Prie-
ster bauen diese phantastische Novelle auf. Von einer
seiner Weltreisen hat der als Sportmann bekannte Baron
Vog einen indischen Gärtner mitgebracht,
der die Fähigkeit besitzt, durch „Insich-
selbstversenken“ alle Lebensvorgänge so zu
beschleunigen, daß die sonst auf viele Jahr-
zehnte verteilte Entwicklung auf wenige
Minuten zusammengedrängt wird. Das erste
Experiment des Inders wandelt die junge
tropische Gewächshausanlage des Vogschen
Gartens in ein charakteristische« indisches
Urwalddickicht, dessen Hauptzier ein ur-
alter Mangobaum darstellt, der eben noch
ein unscheinbares kümmerliches Stämmchen
war. Angeregt durch diesen gelungenen
Versuch läßt Vog das Experiment an sich
selbst und seiner kinderjungen Tochter vor-
nehmen. Ehe aber der Inder noch die Rück-
verwandlung des plötzlich arterioskleroti-
schen alten Mannes und der bereits Spuren
des Verblühens zeigenden Tochter wieder vornehmen kann,
wird er von einer im Gewächshaus entstandenen Schlange
tödlich gebissen. Die eigenartigen Erlebnisse des nun zu
Rate gezogenen Toxikologen, dem es übrigens gelingt, den
Inder wenigstens auf kurze Zeit wieder handlungsfähig zu
machen, so daß er die Rückverwandlung seines Brotherrn
und dessen Tochter ausführen kann, bilden den eigentlichen
Inhalt des Buches. ,,Eine unglaubwürdige Geschichte“ nennen
die Verfasser ihreNovelle, aber sie hält denLeser in Spannung,
und damit ist der Zweck des Buches erreicht. E. S.
Dr. Max P olla czek: „Wun d erliche "Wahr heiten.“
Verlag von Dr. P. Langenscheidt, Berlin. Mit an-
erkennenswertem Geschick in der Auswahl hat Dr. Polla-
czek aus ernsten Werken aller möglichen Wissensgebiete
das Amüsante und Kuriose gesammelt und
so ein Kompendium der Miszellen zusammen-
gestellt, das zweifellos geeignet ist, manche
müßige Stunden vertreiben zu helfen. Der
dezente Humor des verbindenden Textes ver-
leiht dem Buche eine liebenswürdige Note
und wird sicher mit dazu beitragen, diesen
„Kuriositäten von Einst und Jetzt“ Freunde
zu gewinnen. E. Sc.
Herbert Moos: „DerBürger.“Zwei
Erzählungen. VerlagvonHuberßfCo.
Frauenfeld und Leipzig. Von den hier
vorliegenden zwei Erzählungen hat die erste
die von kleinlichen Eitelkeiten erfüllte, im
übrigen aber recht harmlose Lebensgeschichte
eines kleinbürgerlichen Spießers zum Gegen-
stand. Die zweite Erzählung könnte — in die
Sprache exakter Wissenschaft übersetzt —
auch in Krafft-Ebings Psychopathiasexualis Aufnahme finden.
In den Themen selbst liegt zwar kein Grund zu tieferem Inter-
esse, doch verrät die Art der Darstellung immerhin ein nicht
alltägliches Talent, wenn auch den oft gewaltsam herangezo-
genen und vielleicht etwas überreichlichen Beiworten noch
das Bemühen des jungen Genfer Autors anzumerken ist,
originell zu schreiben. -n.
Bemerkungen der Schriftleitung
Das Titelblatt zeichnete R. v. Hoerschelmann, die Leiste zum Treibhaus Otto Muck.
Verantw örtlich: Für die Schriftleitung Alf von Czibulka, München, Für den Anzeigenteil Hans Eberlein, München.
Herausgeber und verantwortlicher Redakteur für Österreich : Hans Hofmann-Alontanus, Wien IV, Viktorgasse 18.
Druck : Alünchnst Buchgewerbehaus Af. Alüllet & Sohn.