Unbegreiflich warihm, daßjungen und wohl-
geratenen Eichhörnern keine Hörner wachsen
sollten. Er salbte ihnen die Stirne mit Vaselin
und harrte des Kommenden. Er saß mitten
unter ihnen, blies schwermütig die Mundhar-
monika und sang dazu:
Aber morgen in der Früh
Ist auch noch Zeit g'nu.
Da hast einen Taler
Und laß mich in Ruh' !
Die Eichhörner kauerten schweigend um ihn
her und sannen des unerbittlichen Schicksals.
Aber sie hatten keine Hörner, nur Ohren. In
Verzweiflung grub er sein Blasinstrument in
die Erde, die voller Regenwürmer stak, und
weinte tagelang. Mit ihm die hornlosen
Hörner. Tief empfan-
den sie ihre Schmach.
Er aber wartete das
nächste Gewitter ab, um
wieder guter Dinge zu
werden, und freute sich
so sehr, dal? er Scheide-
wasser trank — denn
er war ein Feind von
Alkohol und Quell-
wasser —; die Plomben
lösten sich in seinem
Mund, das ganze Geld
war hinausgeworfen.
Dr. Doldenful? richtete alles wieder und riet,
die Hornlosen mit Elfenbeintinktur zu nähren,
damit ihnen Hörner aus Elfenbein wüchsen.
Sie tranken willig, denn sie waren ihrer Horn-
losigkeit nicht froh. Dem Jüngsten begann das
Horn zu sprießen. Da grub der Mann Krapp
seine Mundharmonika [aus der Erde, zog die
Regenwürmer heraus, die sich in 'allen Dur-
tonarten festgesetzthatten,und legte sie inreinen
Äther, so daß die Hörner in die Luft kletterten
vor Trunkenheit. Hernach blies er ein statt-
liches Fugenthema hinein. Die Hörner wuchsen
hei Tag und Nacht und bald konnten Frösche
damit gespießt werden. Im Schlafe schlitzten
sie sich selber den Bauch auf, weil sie das
Hörnertragen noch nicht so gewohnt waren
wie Nashörner und Ochsen. Es war ein müh-
seliges Leben. Als das längste Horn einen Meter
sechzig maß, trank er selbst von der Elfenbein-
tinktur und ihm wuchsen zwei Hörner in einer
Nacht. Seit der Zeit lebte FIrdlicka im Haus.
Krapp kaufte sich noch ein drittes und blies die
Mondscheinsonate. Er tat ein Gewölbe auf
und exportierte Elfenbein nach Indien. Der
Dalai-Lama sandte eine Schnur Perlen, jede
so groß wie eine reife Zwetschge. Meyers in
London boten ihm vier Millionen Pfund, aber
er gab die Perlen den Hörnern, damit sie nicht
immer Nüsse knacken müßten. Und sie wurden
schön und glänzend wie exotische Regenbogen .
Was er anfaßte, gelang. Die Seidenwürmer
lieferten fertige Unterröcke in vier Größen und
mit sechs Dru kknöpfen.
Er blies auf dem dritten Horn und war so
glücklich, wie ein Mensch glücklich sein kann.
Seine Frau gebar einen Sohn und nannte ihn
Wenzeslaus Amönohald Winnigel. Es war
eine schöne Zeit. Er
fing die kleinen Kinder
auf der Straße, hängte
sie der Reihe nach an
eine Schnur, stand dar-
unter und weinte bitter-
lich. Als sie kalt ge-
worden waren, schnitt
er sie ab und trug sie in
seinen Armen nach
Haus. Er bat die Eltern,
man möchte sie wohl
begraben. Weinend
ging er hinter dem Sarg.
In des Mannes Krapp Rattensammlung lebte
ein junges Krokodil. Niemand hätte es für mög-
lich gehalten, aber man konnte es deutlich sehen
und als es sich an einem Hundsknochen den
rechten oberen Eckzahn ausgebissen hatte,
wurde ihm mit viel Mühe ein falscher Zahn
— aber niemand durfte wissen, daß er falsch
sei! — aus Gold mit einer Emailwand eingesetzt.
Dr. Doldenfuß machte alles mit gewohnter Um-
sicht. Die Ratten hockten umher und staunten.
Fortan liebten sie ihr Krokodil noch mehr.
Aber was hilft alles — für ein mannbares
Krokodil sind Ratten keine passende Gesell-
schaft! Und Krapp setzte in die Kleinen An-
zeigen, daß er eine Krokodilin suchte. Jeder
Delikatessenhändler trachtete, ihn zu betrügen
und hot ihm Jägerheringe, Aal, ja ostindische
Bananen für die Ersehnte. Eine Schildkröte
wurde ihm ins Haus gebracht. Sie sollte sich
im Herbst einpuppen und im Frühling eine an-
sehnliche Krokodilin werden. Aber Krapp
Ernst Petzold
IO
geratenen Eichhörnern keine Hörner wachsen
sollten. Er salbte ihnen die Stirne mit Vaselin
und harrte des Kommenden. Er saß mitten
unter ihnen, blies schwermütig die Mundhar-
monika und sang dazu:
Aber morgen in der Früh
Ist auch noch Zeit g'nu.
Da hast einen Taler
Und laß mich in Ruh' !
Die Eichhörner kauerten schweigend um ihn
her und sannen des unerbittlichen Schicksals.
Aber sie hatten keine Hörner, nur Ohren. In
Verzweiflung grub er sein Blasinstrument in
die Erde, die voller Regenwürmer stak, und
weinte tagelang. Mit ihm die hornlosen
Hörner. Tief empfan-
den sie ihre Schmach.
Er aber wartete das
nächste Gewitter ab, um
wieder guter Dinge zu
werden, und freute sich
so sehr, dal? er Scheide-
wasser trank — denn
er war ein Feind von
Alkohol und Quell-
wasser —; die Plomben
lösten sich in seinem
Mund, das ganze Geld
war hinausgeworfen.
Dr. Doldenful? richtete alles wieder und riet,
die Hornlosen mit Elfenbeintinktur zu nähren,
damit ihnen Hörner aus Elfenbein wüchsen.
Sie tranken willig, denn sie waren ihrer Horn-
losigkeit nicht froh. Dem Jüngsten begann das
Horn zu sprießen. Da grub der Mann Krapp
seine Mundharmonika [aus der Erde, zog die
Regenwürmer heraus, die sich in 'allen Dur-
tonarten festgesetzthatten,und legte sie inreinen
Äther, so daß die Hörner in die Luft kletterten
vor Trunkenheit. Hernach blies er ein statt-
liches Fugenthema hinein. Die Hörner wuchsen
hei Tag und Nacht und bald konnten Frösche
damit gespießt werden. Im Schlafe schlitzten
sie sich selber den Bauch auf, weil sie das
Hörnertragen noch nicht so gewohnt waren
wie Nashörner und Ochsen. Es war ein müh-
seliges Leben. Als das längste Horn einen Meter
sechzig maß, trank er selbst von der Elfenbein-
tinktur und ihm wuchsen zwei Hörner in einer
Nacht. Seit der Zeit lebte FIrdlicka im Haus.
Krapp kaufte sich noch ein drittes und blies die
Mondscheinsonate. Er tat ein Gewölbe auf
und exportierte Elfenbein nach Indien. Der
Dalai-Lama sandte eine Schnur Perlen, jede
so groß wie eine reife Zwetschge. Meyers in
London boten ihm vier Millionen Pfund, aber
er gab die Perlen den Hörnern, damit sie nicht
immer Nüsse knacken müßten. Und sie wurden
schön und glänzend wie exotische Regenbogen .
Was er anfaßte, gelang. Die Seidenwürmer
lieferten fertige Unterröcke in vier Größen und
mit sechs Dru kknöpfen.
Er blies auf dem dritten Horn und war so
glücklich, wie ein Mensch glücklich sein kann.
Seine Frau gebar einen Sohn und nannte ihn
Wenzeslaus Amönohald Winnigel. Es war
eine schöne Zeit. Er
fing die kleinen Kinder
auf der Straße, hängte
sie der Reihe nach an
eine Schnur, stand dar-
unter und weinte bitter-
lich. Als sie kalt ge-
worden waren, schnitt
er sie ab und trug sie in
seinen Armen nach
Haus. Er bat die Eltern,
man möchte sie wohl
begraben. Weinend
ging er hinter dem Sarg.
In des Mannes Krapp Rattensammlung lebte
ein junges Krokodil. Niemand hätte es für mög-
lich gehalten, aber man konnte es deutlich sehen
und als es sich an einem Hundsknochen den
rechten oberen Eckzahn ausgebissen hatte,
wurde ihm mit viel Mühe ein falscher Zahn
— aber niemand durfte wissen, daß er falsch
sei! — aus Gold mit einer Emailwand eingesetzt.
Dr. Doldenfuß machte alles mit gewohnter Um-
sicht. Die Ratten hockten umher und staunten.
Fortan liebten sie ihr Krokodil noch mehr.
Aber was hilft alles — für ein mannbares
Krokodil sind Ratten keine passende Gesell-
schaft! Und Krapp setzte in die Kleinen An-
zeigen, daß er eine Krokodilin suchte. Jeder
Delikatessenhändler trachtete, ihn zu betrügen
und hot ihm Jägerheringe, Aal, ja ostindische
Bananen für die Ersehnte. Eine Schildkröte
wurde ihm ins Haus gebracht. Sie sollte sich
im Herbst einpuppen und im Frühling eine an-
sehnliche Krokodilin werden. Aber Krapp
Ernst Petzold
IO