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lächelte wehmütig. Er kannte die V/elt. — Das
Krokodil begann schlecht auszusehen. DieWan-
gen fielen ihm ein, manchmal hatte es Alp-
drücken. Die Ratten drehten sich auf den Vor-

derbeinen vor Gram. Krapp beging Selbstmord.
Und in der Leichenrede kam alles dies vor.
Es war feierlich und voll wahrer Trauer,
jeder durfte seine Kerze nach Hause nehmen.

DIE WEISSE FLÖTE
Von Erich Mosse (mit 3 Zeichnungen von Hans Schelle)

Ti LS wir die letzte Pyramide des Jungfrau-
Gipfels hinauf klommen, Schritt um
Schritt Stufen schlagend in das silbrige Split-
tereis, und nun die Welt weit liegt —• die
weiße Erde — vereist und schweigend, auf-
gegipfelt und wieder gebrochen in riesigen
Seracs —: ist bei aller Freude des hämmern-
den Herzens doch eine Angst, anders als nur
jene, hier ausgleiten zu können jeden Augen-
blick und tot zu liegen, zerschmettert, be-
graben —: irgendeine Angst, ein schnürendes
Gefühl wie ein weißer Ring, als vereise auch
das Herz, werde hart und beschlagen in
dampfender Kälte, während das Pulsen immer
langsamer wird und übergeht in ein kaltes
Flimmern, bis auch das starr und — endlich
-erlischt.
Dann möchte irgend etwas schreien. Aber
die Luft ist so dünn, daß sie den Ruf nicht
trägt, weicht aus unmittelbar vor dem Mund,
bis ein ganz feiner Schwindel kommt und die
Knie zu zittern beginnen und — die Flöte
ertönt, ein ganz heller,
silberfeiner, erfrorener
Ton, mitten heraus aus
der Ewigkeit, ganz ein-
sam und klein, wie eine
irre Seele — suchend,
suchend — was denn?
D as Nichts?
„Es ist jemand verun-
glückt,“ sagen dann die
Führer, „eine Seele
findet nicht —“
„Was nicht?“
Aber statt aller Ant-
wort nehmen sie die
Eishacken und hauen
ein schmales Loch in das
Eis, immer tiefer und
tiefer:

„-damit sie unter das Eis kann — dar-
unter“, ziehen den Hut und sprechen ein Ge-
bet. —
AmNachmittag sind wir in Konkordia. Und
der Weg dahin über das Ewigschneefeld, ist
wie der Gang über ein großes, weißes Leichen-
tuch. Und man geht in diesem Traum, irgend-
wie und irgendwer — ganz von selber —
Schritt um Schritt, ganz fern von allen Dingen,
bis plötzlich, kurz vor der Hütte, die Spalten
kommen, und man sich erinnert: ich bin doch
ein Mensch, ja, — und nun muß man hier
aufpassen, daß man nicht hineinsinkt in solche
Spalten, hinein in die Erde, „darunter“ — ganz
endlos —- liegen bleibt und erfriert. Und der
Verstand beginnt krampfhaft zu arbeiten,
sucht mit aller Gewalt diesen Bannebel zu
durchbrechen — so lange wenigstens, bis man
oben ist in der Hütte und hinsinken kann in
das Stroh — alles liegen, irgendwo: Hände
und Füße — endlich ins Dunkle -— und die
überblendeten Augen zur Ruhe kommen —
endlich, endlich. Da
tanzen nun die bunten
Funken, wirren im Kopf
herum, hinter der Stirn,
bis alles sich dreht,
dumpf wird und un-
kenntlich — und nun
der Rücken zu schmer-
zen beginnt, ziehend
und immer heißer wie
eine große, brandige
V/unde mittenimKno-
chen, daß man sich um-
herwälzt rechts und
links. Aber es wird
schlimmer nur, und nun
auch in den V?aden
bittere Krämpfe. Bis
endlich ein Schlaf
 
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