„Ich habe Hunger. Wenn ich recht bitte,
geben Sie mir etwas zu essen?“ —
Da bricht einer in ein kräftiges Lachen aus,
schlägt ihm auf die Schulter und sagt:
„Gut hast’s gemacht!“
Da ist es nun eine Erlösung, und der Atem
wird wieder leicht. Und sie holen das Brot
— breite Stücke — und Speck. Und beiden
hinein — herzhaft und lachend. Und der Spuk
ist fort, irgendwohin. Versunken. Nie ge-
wesen. —
Und so erzählt er:
„Heut nacht um zwei bin ich aufgebrochen.
Wollte zum Silberhorn —“
„Allein?!“
„Freilich. Erst wollte ich noch den Tauber-
Johann als Führer nehmen —“
„Den Alten von Grindelwald ?“
„Den. Aber er wollte nicht. Er sei voriges
Jahr gewesen. Da hätte es so eine Sache ge-
habt. Und nun: er gehe nicht. Fertig. Was
soll man machen? Ich bin nicht fürs Warten.
Also los, allein. Alles gebt auch ganz gut.
Wie aber so der Mittag vorbei ist, kommt die-
ser verfluchte Nebel. Ich bin gerade im Rot-
talsattel und denke mir: jetzt schnell nach
Konkordia, ehe der Schneesturm dich packt.
Ich nehme also meine letzte Kraft zusammen
und marschiere hierher. Aber schon auf halbem
Wege setzt der Sturm ein — wahnsinnig und
atemlos — und peitscht die prickelnden Flocken
und Körner mitten in die Augen, dal? man
nichts sehen kann. Ich
ging nur immer gerade-
aus, bis ich plötzlich
merkte, ich habe die
Richtung verloren. Wie
lange ich so gegangen
bin, weil? ich nicht. Ich
habe gar nichts denken
können, bin nur immer
gegangen — gegangen,
bewustlos, irgendwie.
Plötzlich fühlte ich et-
was Schwarzes vor den
Augen: es war ein
furchtbarer Schmerz.
Wie ich endlich zu mir
kam, sah ich, dal? ich
mit der Stirn gegen eine
Tür gerannt war. die
Tür von — Konkordia.“ „Sie waren schon
hier?“ staunt da eine Stimme.
„Ich verstehe die Frage nicht. Früher: nein.
Aber doch heute! Die ganze Zeit! — Und wo
sind übrigens die beiden Herren — die beiden
Engländer, die so schön spielten. Ich will
doch —“
Da packt ihn der Schwarzbärtige scharf am
Arm, blickt ihn an stieren Blicks und gurgelt
hervor:
„Wann waren Sie hier? Und welche Eng-
länder? Hier ist doch niemand aul?er uns. Und
auch Sie sind doch erst hier seit einer Stunde !“
Da geht ein Lächeln über jenes Gesicht, und
er sagt:
„Sie brauchen mich doch nicht so wie ein
Kind zu behandeln. Ich bin schon ganz gesund.
Nur noch ein bil?chen Schmerzen an der Stirn
— wo ich da gegen die Tür gefallen bin, die
schwarze — aber auch das wird bald gut sein.“
„Sie waren hier und sind gar nicht fortge-
gangen?!
„Aber was wollen Sie denn? Allerdings
war ich hier. Und die Zeit ist verflogen — man
weil? gar nicht wie — so schön haben sie ge-
spielt. Sie schrieben sich dort ins Fremden-
buch, die Herren-“
„Was, was haben sie gespielt?!“
„Auf emer Flöte. Einer weiten Flöte, die —
—. Und so waren die Namen, jetzt fällt es
mir ein: Mister Corway und Illingworth.“
Da geht jener hinüber, mit ganz schweren,
zitternden Knien —
hinüber zum Tisch.Und
da liegt das Fremden-
buch offen. Und er liest:
„Dritten Juli 1913 —-
das ist heute vor einem
Jahr — verunglückten
Mister Corway und
Illingworth bei Tra-
versierung des Aletsch-
gletschers in einem
Schneesturm und fan-
den hierbei den Tod.
Ihre Leichen-“
Da hört man einen
dumpfen Schlag. Und
wie sie aufspringen alle,
liegt jener lang auf
der Erde — steif und
geben Sie mir etwas zu essen?“ —
Da bricht einer in ein kräftiges Lachen aus,
schlägt ihm auf die Schulter und sagt:
„Gut hast’s gemacht!“
Da ist es nun eine Erlösung, und der Atem
wird wieder leicht. Und sie holen das Brot
— breite Stücke — und Speck. Und beiden
hinein — herzhaft und lachend. Und der Spuk
ist fort, irgendwohin. Versunken. Nie ge-
wesen. —
Und so erzählt er:
„Heut nacht um zwei bin ich aufgebrochen.
Wollte zum Silberhorn —“
„Allein?!“
„Freilich. Erst wollte ich noch den Tauber-
Johann als Führer nehmen —“
„Den Alten von Grindelwald ?“
„Den. Aber er wollte nicht. Er sei voriges
Jahr gewesen. Da hätte es so eine Sache ge-
habt. Und nun: er gehe nicht. Fertig. Was
soll man machen? Ich bin nicht fürs Warten.
Also los, allein. Alles gebt auch ganz gut.
Wie aber so der Mittag vorbei ist, kommt die-
ser verfluchte Nebel. Ich bin gerade im Rot-
talsattel und denke mir: jetzt schnell nach
Konkordia, ehe der Schneesturm dich packt.
Ich nehme also meine letzte Kraft zusammen
und marschiere hierher. Aber schon auf halbem
Wege setzt der Sturm ein — wahnsinnig und
atemlos — und peitscht die prickelnden Flocken
und Körner mitten in die Augen, dal? man
nichts sehen kann. Ich
ging nur immer gerade-
aus, bis ich plötzlich
merkte, ich habe die
Richtung verloren. Wie
lange ich so gegangen
bin, weil? ich nicht. Ich
habe gar nichts denken
können, bin nur immer
gegangen — gegangen,
bewustlos, irgendwie.
Plötzlich fühlte ich et-
was Schwarzes vor den
Augen: es war ein
furchtbarer Schmerz.
Wie ich endlich zu mir
kam, sah ich, dal? ich
mit der Stirn gegen eine
Tür gerannt war. die
Tür von — Konkordia.“ „Sie waren schon
hier?“ staunt da eine Stimme.
„Ich verstehe die Frage nicht. Früher: nein.
Aber doch heute! Die ganze Zeit! — Und wo
sind übrigens die beiden Herren — die beiden
Engländer, die so schön spielten. Ich will
doch —“
Da packt ihn der Schwarzbärtige scharf am
Arm, blickt ihn an stieren Blicks und gurgelt
hervor:
„Wann waren Sie hier? Und welche Eng-
länder? Hier ist doch niemand aul?er uns. Und
auch Sie sind doch erst hier seit einer Stunde !“
Da geht ein Lächeln über jenes Gesicht, und
er sagt:
„Sie brauchen mich doch nicht so wie ein
Kind zu behandeln. Ich bin schon ganz gesund.
Nur noch ein bil?chen Schmerzen an der Stirn
— wo ich da gegen die Tür gefallen bin, die
schwarze — aber auch das wird bald gut sein.“
„Sie waren hier und sind gar nicht fortge-
gangen?!
„Aber was wollen Sie denn? Allerdings
war ich hier. Und die Zeit ist verflogen — man
weil? gar nicht wie — so schön haben sie ge-
spielt. Sie schrieben sich dort ins Fremden-
buch, die Herren-“
„Was, was haben sie gespielt?!“
„Auf emer Flöte. Einer weiten Flöte, die —
—. Und so waren die Namen, jetzt fällt es
mir ein: Mister Corway und Illingworth.“
Da geht jener hinüber, mit ganz schweren,
zitternden Knien —
hinüber zum Tisch.Und
da liegt das Fremden-
buch offen. Und er liest:
„Dritten Juli 1913 —-
das ist heute vor einem
Jahr — verunglückten
Mister Corway und
Illingworth bei Tra-
versierung des Aletsch-
gletschers in einem
Schneesturm und fan-
den hierbei den Tod.
Ihre Leichen-“
Da hört man einen
dumpfen Schlag. Und
wie sie aufspringen alle,
liegt jener lang auf
der Erde — steif und