Der Orchideengarien
Phantastische Blätter
Herausgeber Karl Hans Strobl A Schriftleiter Alf von Czibulka
Erster Jahrgang Zehntes Heft
FROSCH HÜPFER
Allan Poe
(mit 2 Zeichnungen von Max Schenke)
Von Edgar
übertragen von Gertrud Scupin
M ganzen Reiche lachte kein
Mensch so gerne wie der König.
Ein guter ’Witz war ihm die
Würze des Lebens. W^er sich
in des Königs Gunst sonnen
wollte, hatte nur heitere Ge-
schichten zu erzählen —
freilich gut zu erzählen.
So kam es, dal? alle seine
sieben Minister durch
ihre Spaßmachertalente zu ihrer hohen Wurde
emporgestiegen waren. Sie wurden allmäh-
lich wie der König: fett und von behaglicher
Leibesfülle und unübertrefflich in ihren Späßen.
Ob wohl das Volk davon satt wird? — Ob
wohl das Fett die Gabe des Spaßmachens ver-
leiht? — Ich habe das
nie so recht entscheiden
können. Dieses aber
erscheint mir sicher: ein
magerer Spaßvogel ist
ein seltenes Federvieh
auf Erden.
Uber dieVeredelung,
oder wie er es nannte,
den Geist des ^Witzes
machte der König sich
wenig Gedanken. Er
liebte die behagliche
Breite, alle Spitzfindig-
keiten langweilten ihn.
Damals blühte noch
die Zunft der berufs-
mäßigen Spaßmacher.
All die großen Fürstenhöfe hielten sich ihre
Hofnarren: buntscheckiges Volk mit Narren-
kappe und Schellen. Für die Brosamen, die vom
königlichen Tische fielen, hatten sie allezeit mit
schlagendem V/itz zu danken. Auch unser
König hatte seinen Narren. Wohl als Gegen-
gewicht zum tiefgründigen Witz seiner sieben
Herren Minister. Sein Hofnarr war aber nicht
bloß Narr, sondern ein dreifaches Kleinod, denn
er war auch Zwerg und Krüppel zugleich.
Zwerge waren damals bei den Höfen so gerne
gesehen wie Narren. Mancher Monarch würde
nur schwer über die langen Tage (sie dehnen
sich bei Hofe noch länger aus als anderswo)
hinweggekommen sein, wenn ihm nicht der
Narr zur Seite gewesen wäre, mit dem er
lachen, und der Zwerg,
über den er lachen konn-
te. Aber in neunund-
neunzig von {hundert
Fällen waren, wie ge-
sagt, die Spaßmacher
fette plumpe Gesellen.
Kein Wunder, daß der
König sich beglück-
wünschte, an „Frosch-
hüpfer“ einen dreifa-
chen Schatz in einer
Person zu haben.
Der Namen Frosch-
hüpferwar dem Zwerge
nicht hei der Taufe ver-
liehen worden, sondern
durch Beschluß der sie-
Phantastische Blätter
Herausgeber Karl Hans Strobl A Schriftleiter Alf von Czibulka
Erster Jahrgang Zehntes Heft
FROSCH HÜPFER
Allan Poe
(mit 2 Zeichnungen von Max Schenke)
Von Edgar
übertragen von Gertrud Scupin
M ganzen Reiche lachte kein
Mensch so gerne wie der König.
Ein guter ’Witz war ihm die
Würze des Lebens. W^er sich
in des Königs Gunst sonnen
wollte, hatte nur heitere Ge-
schichten zu erzählen —
freilich gut zu erzählen.
So kam es, dal? alle seine
sieben Minister durch
ihre Spaßmachertalente zu ihrer hohen Wurde
emporgestiegen waren. Sie wurden allmäh-
lich wie der König: fett und von behaglicher
Leibesfülle und unübertrefflich in ihren Späßen.
Ob wohl das Volk davon satt wird? — Ob
wohl das Fett die Gabe des Spaßmachens ver-
leiht? — Ich habe das
nie so recht entscheiden
können. Dieses aber
erscheint mir sicher: ein
magerer Spaßvogel ist
ein seltenes Federvieh
auf Erden.
Uber dieVeredelung,
oder wie er es nannte,
den Geist des ^Witzes
machte der König sich
wenig Gedanken. Er
liebte die behagliche
Breite, alle Spitzfindig-
keiten langweilten ihn.
Damals blühte noch
die Zunft der berufs-
mäßigen Spaßmacher.
All die großen Fürstenhöfe hielten sich ihre
Hofnarren: buntscheckiges Volk mit Narren-
kappe und Schellen. Für die Brosamen, die vom
königlichen Tische fielen, hatten sie allezeit mit
schlagendem V/itz zu danken. Auch unser
König hatte seinen Narren. Wohl als Gegen-
gewicht zum tiefgründigen Witz seiner sieben
Herren Minister. Sein Hofnarr war aber nicht
bloß Narr, sondern ein dreifaches Kleinod, denn
er war auch Zwerg und Krüppel zugleich.
Zwerge waren damals bei den Höfen so gerne
gesehen wie Narren. Mancher Monarch würde
nur schwer über die langen Tage (sie dehnen
sich bei Hofe noch länger aus als anderswo)
hinweggekommen sein, wenn ihm nicht der
Narr zur Seite gewesen wäre, mit dem er
lachen, und der Zwerg,
über den er lachen konn-
te. Aber in neunund-
neunzig von {hundert
Fällen waren, wie ge-
sagt, die Spaßmacher
fette plumpe Gesellen.
Kein Wunder, daß der
König sich beglück-
wünschte, an „Frosch-
hüpfer“ einen dreifa-
chen Schatz in einer
Person zu haben.
Der Namen Frosch-
hüpferwar dem Zwerge
nicht hei der Taufe ver-
liehen worden, sondern
durch Beschluß der sie-