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Jost Amman / Der Tod im Frauenhaus (um 1579)

anderen Stühle ? sie, die der treue Kamerad
in der Mitte hatte verlassen müssen? Sie kön-
nend allein nicht schaffen, sie ächzen und
stöhnen herzzerreißend, sie können den ge-
wölbten Druck überquellender Fronten für
Minuten noch in Schach halten, vielleicht nur
noch für Sekunden — nicht länger! — Er-
schütternd war es für Konrad, entdecken zu
müssen, daß der Koloß über seine aufs äu-
ßerste gefährdete Lage wie über die des ganzen
Saales völlig im unklaren war. Er lebte ah-
nungslos dahin. Den mit Wirbel- und Bein-
brüchen am Boden liegenden Stuhl schien er
gar nicht zu vermissen. Freilich fesselte ihn
der Redner auf dem Podium außerordentlich.
Auch Konrad horchte hinauf. Der Redner
mochte der Ansicht sein, genügend geölt zu
haben. Er schoß seine Kugeln in die hin-
reichend schlüpfrigen Gehörgänge. „Die Bun-

desstaaten sind ihres krönenden Firlefanzes
beraubt! Das große Reinmachen hat begonnen!
Ich spreche zum Thema!“ schrie er drohend.
Thema? Wüßte ich nur —! gärte es ver-
zweifelt in Konrad.
„Mein Fräulein Vorrednerin hatdenFIerrn
Vorvorredner mißverstanden!“ schrie das Po-
dium. „Nicht das Jahrhundert des Unrates ist
kurzerhand hinweg zu fegen, wir bedürfen
seiner, denn wir leben in ihm; aber der Dreck
der Jahrhunderte ist zu beseitigen. Dazu mein
bescheidenes Teil beizutragen erlauben Sie mir,
verehrte Anwesende. Ich bin der Vertreter
des Vakuumreinigers Sisifax! Sisifax wird
durch nichts übertroffen. Dieser Reiniger ist
— “ — Ein ungeheurer Lärm brodelte auf. Der
Saal geriet in Zuckungen. „Mißbrauch der
Redefreiheit! Fehrzepeller ist besser als Sisi-
fax! Wort entziehen! Geschäftstrick! Lebendes

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