Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
bei; bi er fror ibn. Acb, ein verglimmender
Ofen, ein milder Divan, ein lächelndes Glas
Tee batten sich freundlich genähert und wink-
ten ihm nun traurig nach. — Konrad bemerkte,
dal? man wieder an die Stelle kam, wo er auf-
gesprungen war. Er spähte nach den Häusern
— nach dem einen Haus. Nur spärliches Licht
sickerte aus den Fenstern des Saales. Eines
war geöffnet. Flüchtig sah Konrad viel am-
tierende Menschenhände einen Strick herab-
lassen, an dem Faltig-Verquollenes in trägem
Schwung riesengrol? pendelte und langsam über
bleiche Häuserwand abwärts rutschte
Vorbei und weiter.
„Liebe Kontaktstange, spring aus!'’ betete

Konrad. Sie tat es nicht, aber der V/agen
sprang aus, an einer Kurve, und fuhr mitten
durch ein Haustor. Da ins krachende Splittern
erschrockene Nachthäubchen aus allen Fenstern
der Nachbarschaft fuhren, musterte Konrad
sie und stellte wehmütig fest, es sei kein ein-
ziges graugrünes Mützchen darunter.
Der Wagen stand ächzend im Hofraum der
Staatsbank, und seine Kontaktstange tastete
immer noch wie ein nervöser Fühler durch die
N acht.
Konrad verbrachte den Rest der dunklen
Stunden in einem Raum der Bank, immerhin
schlafend, auf mäl?ig weichem Lager aus Papier-
geld.


CAFE LAZARUS
Von Max Krell, mit 4 Zeichnungen von M Schenke.

„Blal??" sagen Sie. Ich bitte Sie, warum
sollte ich blal? aussehen? Mir ist vollkommen
wohl. Es geht mir ausgezeichnet. Meine Ver-
dauung ist nicht behindert... Vielleicht das
Licht — die Lampe scheint etwas fahl. Nein
wirklich, durchaus nichts! Ganz vorzüglich!
Woher ich komme? Ich war eine kleine
Stunde im Cafe Lazarus. Sie kennen es nicht?
Sie sollten es aufsuchen. Es hat eine recht an-
genehme Lage: dicht am Herdentor, Blick gegen
die beiden Schnepfentürme mit den rotgläsernen
Uhren, Sie wissen, die am Abend aufleuchten
wie Augen. Also — und dann die Aussicht
auf den Gemüsemarkt. Ich gehe auch morgens
gelegentlich hinauf, um die ^Vagen mit Körben,
mit Blumen, Kohl und Kraut anrollen zu sehen.
Ein ganz prachtvoller Markt; und das Gewühl
der bunten Landfrauen. Sie sollten einmal vor-
mittags dort Ihre Bouillon trinken. Eine vor-

treffliche Bouillon aus Schinkenknochen und
mit frischen Hühnereiern ahgerührt; dazu
Weizenhörnchen mit Rahmbutter. Ich empfehle
es Ihnen.
Wer sonst noch dort verkehrt? Es ist ein
Cafe der Pensionäre, und man liebt den Lärm
nicht. Hauptsächlich alte Herren, die nicht ge-
stört sein wollen. Sie spielen Tarock, auch
einige Schach, und andere lesen Zeitungen. Es
gibt bei Lazarus alle wichtigen Zeitungen der
Welt. Und alle werden gelesen. Sie be-
zweifeln — ? ^Varum sollen nicht alle größeren
Zeitungen der Welt hier gelesen werden! Es
gibt Menschen, die diese Sprachen verstehen.
Ich selber spreche vier, fünf Sprachen ziemlich
geläufig, und das ist nicht viel für einen leid-
lich gebildeten Mann. Aber es kommen andere
hin, die weit mehr Sprachen verstehen. Nein,
bitte, lächeln Sie nicht. Ich phantasiere nicht.
 
Annotationen