können gewiß nichts dagegen einwenden — der
Glanz ist apart, die Form dauerhaft, und außer-
dem riechen sie nicht. Wenn achtzehn Kränze
nebeneinander hängen, gibt es schon einen
ziemlich penetranten Geruch, der an Sterbe-
zimmer erinnert. Das kann man einem Toten,
der ins Cafehaus geht, nicht gut zumuten.
Die alten Herren steigen dann in den ersten
Stock. Sie sind etwas echauffiert, begreiflicher-
weise, doch hindert das nicht, daß sie mit einer
Art von verschmitzter Fröhlichkeit eintreten.
Der Raum allerdings macht sich ein wenig
düster, aber das mögen sie nicht ungern. Sie
freuen sich, ihre Nischenplätze frei zu finden.
Denn sie wünschen nicht sehr bei Licht besehen
zu werden. Es ist ihnen peinlich, daß ihre
Röcke blank und abgeschabt sind. Sie haben
keine Möglichkeit, sich neue zu kaufen. Wenn
sie in ein Geschäft eintreten, weigern sich die
Verkäuferinnen, sie zu bedienen. Nun, die
meisten haben auch gar nicht die Mittel dazu.
Immerhin scheinen sie zu Hause recht sorgfältig
mit ihren Sachen umzugehen. Ja, ganz so wie
alte Herren, etwas kleinlich und ängstlich; sie
pflegen die Bügel-
falte. Ich glauhebe-
stimmt, daß sie sich
nachts auf dieBein-
kleider legen, denn
anjedemT ag haben
sie die gepflegte,
aber nicht über-
triebene Bügelfalte.
Ob sie reden ?
Gewiß reden sie.
Manche deutsch,
englisch, spanisch
— da sie alle grö-
ßeren Zeitungen der
Welt lesen, wer-
den sie wohl auch
alle Sprachen der
Welt reden. Ich
weiß es aber nicht
so genau. Ich sehe
sie nur reden, etwa
wie Taubstumme.
Sie fingern unglaub-
lich rasch. Manch-
mal knirscht ein
Handgelenk von
ihrem schnellen Sprechen. Im übrigen geht es
doch recht manierlich zu.
Sie dürfen sich nicht genieren, wenn einer
einmal den Kopf abnimmt. Niemand läßt sich
dadurch genieren. Die alten Herren putzen
ihre Köpfe gern wie alte Kater. Sie zeichnen
sich durch einige Eitelkeit aus, das ist freilich
wahr, aber sie lieben die Sauberkeit. Sie bür-
stensorgsam die langen Haare zurück, die ihnen
mitunter über die Stirne fallen. Sie nehmen
die Köpfe ab, wie wir die Zylinderhüte. Sie
streicheln ihre Köpfe, ganz wie Sie Ihren Zy-
linderhut, wenn etliche Härchen sich gegen den
Strich gesträubt haben. Einem der alten Kapi-
täne rutscht gelegentlich ein Stück der linken
Backe herab. Ich habe ihn stets bedauert, weil
er ein besonders schlaffes Gesicht hat. Man
hat mir gesagt, daß er in einer Schlägerei um-
gekommen sei. Das kann wohl sein; die Wunde
hatte keine Zeit mehr zuzuheilen. Es geschieht
sehr oft, daß er seinen Kopf abnimmt, die
herunterfallende Backe sorgfältig heraufklappt,
die Schnittränder mit etwas Wasser befeuchtet
und dann sorgfältig poliert. Es ist eine alltäg-
liche Gewohnheit
der Herren: ihre
Glatzen, ihre V/ an-
gen zu polieren. Sie
tun es mit den schon
etwas speckigen
Ärmeln. Es fällt
ihnen gar nicht ein,
zuvor die weißen
Tonpfeifen aus den
Lippen zu nehmen.
Und dann lieben
sie es überhaupt, in
Augenblicken des
Schweigens, Ver-
harrens, der Ermü-
dung den Kopf ab-
zuheben. Sie stellen
ihn vor sich hin auf
den Tisch, lassen
sich von ihm an-
blinzeln, während
die Pfeifen ruhig
weiterdampfen.
Oder sie stellen ihn
auf die Fensterbank
und lassen ihre Au-
*5
Glanz ist apart, die Form dauerhaft, und außer-
dem riechen sie nicht. Wenn achtzehn Kränze
nebeneinander hängen, gibt es schon einen
ziemlich penetranten Geruch, der an Sterbe-
zimmer erinnert. Das kann man einem Toten,
der ins Cafehaus geht, nicht gut zumuten.
Die alten Herren steigen dann in den ersten
Stock. Sie sind etwas echauffiert, begreiflicher-
weise, doch hindert das nicht, daß sie mit einer
Art von verschmitzter Fröhlichkeit eintreten.
Der Raum allerdings macht sich ein wenig
düster, aber das mögen sie nicht ungern. Sie
freuen sich, ihre Nischenplätze frei zu finden.
Denn sie wünschen nicht sehr bei Licht besehen
zu werden. Es ist ihnen peinlich, daß ihre
Röcke blank und abgeschabt sind. Sie haben
keine Möglichkeit, sich neue zu kaufen. Wenn
sie in ein Geschäft eintreten, weigern sich die
Verkäuferinnen, sie zu bedienen. Nun, die
meisten haben auch gar nicht die Mittel dazu.
Immerhin scheinen sie zu Hause recht sorgfältig
mit ihren Sachen umzugehen. Ja, ganz so wie
alte Herren, etwas kleinlich und ängstlich; sie
pflegen die Bügel-
falte. Ich glauhebe-
stimmt, daß sie sich
nachts auf dieBein-
kleider legen, denn
anjedemT ag haben
sie die gepflegte,
aber nicht über-
triebene Bügelfalte.
Ob sie reden ?
Gewiß reden sie.
Manche deutsch,
englisch, spanisch
— da sie alle grö-
ßeren Zeitungen der
Welt lesen, wer-
den sie wohl auch
alle Sprachen der
Welt reden. Ich
weiß es aber nicht
so genau. Ich sehe
sie nur reden, etwa
wie Taubstumme.
Sie fingern unglaub-
lich rasch. Manch-
mal knirscht ein
Handgelenk von
ihrem schnellen Sprechen. Im übrigen geht es
doch recht manierlich zu.
Sie dürfen sich nicht genieren, wenn einer
einmal den Kopf abnimmt. Niemand läßt sich
dadurch genieren. Die alten Herren putzen
ihre Köpfe gern wie alte Kater. Sie zeichnen
sich durch einige Eitelkeit aus, das ist freilich
wahr, aber sie lieben die Sauberkeit. Sie bür-
stensorgsam die langen Haare zurück, die ihnen
mitunter über die Stirne fallen. Sie nehmen
die Köpfe ab, wie wir die Zylinderhüte. Sie
streicheln ihre Köpfe, ganz wie Sie Ihren Zy-
linderhut, wenn etliche Härchen sich gegen den
Strich gesträubt haben. Einem der alten Kapi-
täne rutscht gelegentlich ein Stück der linken
Backe herab. Ich habe ihn stets bedauert, weil
er ein besonders schlaffes Gesicht hat. Man
hat mir gesagt, daß er in einer Schlägerei um-
gekommen sei. Das kann wohl sein; die Wunde
hatte keine Zeit mehr zuzuheilen. Es geschieht
sehr oft, daß er seinen Kopf abnimmt, die
herunterfallende Backe sorgfältig heraufklappt,
die Schnittränder mit etwas Wasser befeuchtet
und dann sorgfältig poliert. Es ist eine alltäg-
liche Gewohnheit
der Herren: ihre
Glatzen, ihre V/ an-
gen zu polieren. Sie
tun es mit den schon
etwas speckigen
Ärmeln. Es fällt
ihnen gar nicht ein,
zuvor die weißen
Tonpfeifen aus den
Lippen zu nehmen.
Und dann lieben
sie es überhaupt, in
Augenblicken des
Schweigens, Ver-
harrens, der Ermü-
dung den Kopf ab-
zuheben. Sie stellen
ihn vor sich hin auf
den Tisch, lassen
sich von ihm an-
blinzeln, während
die Pfeifen ruhig
weiterdampfen.
Oder sie stellen ihn
auf die Fensterbank
und lassen ihre Au-
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